Die EU-Kommission möchte aus dem Budget der EU für zivile Konfliktbearbeitung, dem „Instrument für Stabilität und Frieden“ (IcSP), Ausrüstung und Ausbildung für Streitkräfte in Drittstaaten finanzieren. Dafür hat sie den Mitgliedstaaten im Juli 2016 eine Initiative für eine Verordnung übergeben. Die Bundesregierung unterstützt den Vorschlag offenbar. Damit dieser rechtskräftig werden kann, muss er vom Europäischen Rat und vom EU-Parlament angenommen werden. Im Bundestag passierte der Vorschlag die Ausschüsse nahezu ohne Diskussion. Kritische Nachfragen kamen nur von Abgeordneten der Oppositionsparteien. Am 14. Oktober sollte der Vorschlag im Bundesrat verhandelt werden, die Debatte wurde jedoch kurzfristig wieder abgesetzt, da die zuständigen Ausschüsse lediglich Kenntnisnahme ohne Aussprache empfohlen haben. „Diesen von der EU Kommission geplanten Tabubruch stillschweigend zu tolerieren, wäre eine friedenspolitische Kapitulation“, kritisiert Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt. “Wenn dazu dann auch noch Entwicklungsgelder umgewidmet und so letztlich in militärische Bahnen gelenkt würden, besteht wenig Hoffnung, dass es der EU und ihren Mitgliedsländern ernst ist mit nachhaltiger Konfliktursachenvermeidung und Friedensstabilisierung“.
Das „Instrument für Stabilität und Frieden“ wurde 2014 geschaffen, um die EU-Politik in den Bereichen Krisenreaktion, Konfliktverhütung, und Friedenskonsolidierung wirksamer zu machen. Der Aufgabenkatalog ist breit und schon jetzt mit den vorhandenen Haushaltsmitteln kaum zu bewältigen. Die zusätzliche Finanzierung militärischer Funktionen aus diesem Topf würde unweigerlich auf Kosten der Mittel für zivile Ansätze gehen.
Die Kommission schlägt vor, den Haushalt des IcSP (2,338 Milliarden Euro für die Jahre 2014 bis 2020) um 100 Millionen Euro zu erhöhen, sagt aber nicht, wie sie die Mittel dafür aufbringen will. In Brüssel wird diskutiert, dafür Gelder aus dem Instrument für Entwicklungszusammenarbeit (Reserven aus dem Fonds für Armutsbekämpfung) umzuwidmen. Brot für die Welt lehnt diese Pläne ab. Eine Umwidmung von Entwicklungsgeldern wäre unverantwortlich angesichts der Tatsache, dass die Mittel für Entwicklung dringend gebraucht werden, um strukturelle Ursachen von Konflikten und Migration anzugehen. Außerdem sind sie ohnehin knapp kalkuliert und für 2017 sind schon 60 Millionen Euro und damit fast ein Drittel des Finanztopfes, den das IcSP für flexible und schnelle Maßnahmen der Krisenreaktion vorsieht, für das "Management" von Migration und Grenzschutz in der Türkei verplant. Wenn nun auch noch Armeen aus dem Budget „ertüchtigt“ werden sollen, bleiben für die zivile Friedensförderung allenfalls symbolische Häppchen übrig. Dem sollten sich Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat widersetzen.
Die Befürworter des Kommissionsvorschlags legitimieren ihren Vorschlag mit einem starken Fokus auf drohende Instabilitäten ganzer Regionen und berufen sich auf einen „umfassenden“ Ansatz zur Bewältigung von Konflikten. Die strukturellen Ursachen von Konflikten werden jedoch kaum analysiert oder gar adressiert, und es finden sich auch keine überzeugenden Vorschläge dazu, wie die friedliche Bewältigung von Konflikten gefördert werden soll. „Umfassend“ bedeutet also offensichtlich wesentlich die Finanzierung von Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe für Armeen afrikanischer Staaten. Ein schlüssiger Politikansatz ergibt sich nicht dadurch, dass man Haushaltstöpfe vermischt. Gefordert sind stattdessen ressortübergreifende Konzepte und abgestimmtes Handeln, das sich an der Vorbeugung von Gewalteskalation und der Beseitigung von Konfliktursachen orientiert und ziviler Konfliktbearbeitung Vorrang vor dem Ausbau militärischer Fähigkeiten einräumt.
Links
Einige weitere kirchliche und entwicklungspolitische Netzwerke haben dazu inzwischen kritisch Position bezogen, u.a. Church & Peace, die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) und der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (Venro):