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EU-Kommission will Instrument für Stabilität und Frieden umfunktionieren

Aus dem „Instrument für Stabilität und Frieden“ sollen Ausrüstung und Ausbildung für Streitkräfte in Drittstaaten finanziert werden. Es ist zu hoffen, dass sich politische Mitstreiter finden, die dem Vorhaben eine Absage erteilen, weil es friedenspolitisch völlig falsche Signale sendet.

 

Von Dr. Martina Fischer am

Kurz vor den Sommerferien sorgte ein Vorschlag der EU-Kommission für Schlagzeilen: Aus dem „Instrument für Stabilität und Frieden“ (IcSP), dem Geldtopf der Europäischen Union für zivile Konfliktbearbeitung, sollen zukünftig auch Ausrüstung und Ausbildung für Streitkräfte in Drittstaaten finanziert werden. Die Bundesregierung unterstützt das Vorhaben offenbar und es gibt Anzeichen dafür, dass sie dieses im Rahmen ihrer Politik der „Ertüchtigung“ des Sicherheitssektors in Krisenländern sogar aktiv mit vorangetrieben hat. Damit die Gesetzesinitiative zum IcSP rechtskräftig werden kann, muss sie vom Europäischen Rat und vom EU-Parlament angenommen werden. Es ist zu hoffen, dass Berlin noch umdenkt und dass sich in Europa politische Mitstreiter finden, die dem Vorhaben eine Absage erteilen, weil es friedenspolitisch völlig falsche Signale sendet.

Das IcSP wurde 2014 geschaffen, um die Politik der EU in den Bereichen Krisenreaktion, Konfliktverhütung, Friedenskonsolidierung und Krisenvorsorge wirksamer zu machen. Dazu soll eine Fülle von zivilgesellschaftlichen Kräften und Initiativen finanziell und technisch gefördert werden. Auch die Entwicklung demokratischer Staatsorgane, die zivile Kontrolle des Sicherheitssektors, Vollzugs- und Justizbehörden sowie Abrüstung, Demobilisierung und Wiedereingliederung von ehemaligen Kämpfern in die Gesellschaft werden gefördert. Die in der geltenden Verordnung vom 11.3.2014 (Amtsblatt der EU Nr. 230) genannten Aufgaben sind so vielfältig, dass sie schon jetzt mit den vorhandenen Haushaltsmitteln eigentlich kaum bewältigt werden können. Sollte der Gesetzesvorschlag vom 5. Juli angenommen werden, muss man befürchten, dass die zusätzliche Finanzierung militärischer Funktionen auf Kosten der Mittel für zivile Ansätze geht.

Die Kommission schlägt vor, den Haushalt des IcSP (2,338 Milliarden Euro für die Jahre 2014 bis 2020) um 100 Millionen Euro aufzustocken. Sie sagt aber nicht, woher die Mittel dafür kommen sollen. In Brüssel kursieren Vorschläge, dafür Gelder aus dem Instrument für Entwicklungszusammenarbeit (DCI) umzuwidmen - Reservemittel, die eigentlich für die Armutsbekämpfung gedacht waren. Das ist aus entwicklungs- und friedenspolitischer Sicht absolut nicht hinnehmbar und skandalös, wenn man bedenkt, dass die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit insgesamt knapp bemessen sind und weder Deutschland noch die meisten anderen OECD-Staaten der Verpflichtung nachkommen, 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung dafür bereitzustellen. Problematisch ist zudem, dass  laut EU-Haushaltsplanung für 2017 schon  60 Millionen Euro und damit fast ein Drittel des Finanztopfes, den das IcSP für schnelle und flexible zivile Maßnahmen im Rahmen der Krisenreaktion vorsieht,  für das „Management“ von Migration und Grenzschutz in der Türkei  verplant wurden. Wenn nun auch noch das Militär aus dem Budget  des IcSP „ertüchtigt“ werden soll, das sich in der Regel als ein sehr kostspieliger Akteur erweist, werden für die zivilen friedenspolitischen Aufgaben allenfalls symbolische Häppchen übrig bleiben.

Prioritätenwandel – Sicherheit vs. Frieden

Seit den 1990er Jahren bemühen sich engagierte Menschen aus  Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Parlamenten und staatlichen Verwaltungen darum, Politikansätze für Gewaltprävention, Friedensförderung, Aussöhnung und Entwicklungschancen im globalen Süden und Osten zu stärken. Hierzulande und auch auf  EU-Ebene wurden neue Mechanismen verankert, die Konfliktsensibilität in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ), Mediationsprozessen, Ansätzen ziviler Konfliktbearbeitung, dem Aufbau von Zivilgesellschaft, Dialog- und Versöhnungsarbeit mehr Beachtung schenkten. Aus diesem Geist heraus wurde auch  das IcSP von der EU etabliert. Zivile Maßnahmen haben Vorrang und müssen ausgebaut werden, so lautete die Devise, die nicht nur von NGOs, sondern auch von vielen Praktiker/innen aus der staatlichen Verwaltung und internationalen Organisationen geteilt wurde. Der Vorschlag der Kommission, das IcSP zu erweitern, zeugt nun von einem Prioritätenwandel. Er geht einher mit sehr einseitigen Wahrnehmungen in den außenpolitischen Strategiepapieren der Union. „Unsicherheit“ und „Instabilität“ bilden darin die vorherrschenden Kategorien. Die Texte, die zum Thema „Reform des Sicherheitssektors“ im April 2015 und Juli 2016 veröffentlicht wurden, beschreiben vor allem Maßnahmen, die Symptome bekämpfen. Es fehlen überzeugende Analysen der strukturellen Ursachen von Staatszerfall und Gewaltkonflikten. Die Konzepte sind vorwiegend von Sicherheitslogik getragen und enthalten keine Vorschläge dazu, wie langfristig Frieden gefördert werden soll. Auch die unter dem Titel „Shared Vision, Common Action: A Stronger Europe“ im Juni 2016 von Federica Mogherini vorgelegte globale Strategie für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik ist von diesem Duktus geprägt. Sie vermittelt den Eindruck, dass sich Entwicklungspolitik den sicherheitspolitischen Interessen und Zielen der EU unterzuordnen habe.

Die EU-Außenbeauftragte Mogherini begründete den Vorschlag zur Erweiterung des IcSP mit dem Argument „Wir müssen unsere Partner in die Lage versetzen, ihre eigene Sicherheit, Regierungsgewalt und Stabilität zu bewältigen“. Sie sieht ihn als „Beitrag zu Frieden und Sicherheit, Demokratie und Menschenrechten und inklusiver Entwicklungspolitik.“  Aus Kommissionskreisen wird angeführt, dass „Entwicklung ohne Sicherheit und Stabilität nicht möglich“ sei (Zeit online, 5.7.2016). Das darf aber nicht dazu führen, dass beides auf Kosten von Entwicklung geht. Zudem sollte offengelegt werden, um wessen Sicherheit es eigentlich geht.

Einige EU-Länder (Deutschland, Belgien, Spanien, Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg Niederlande und Tschechien) drängen seit geraumer Zeit darauf, dass neben Polizeikräften auch Armeen in Partnerländern systematischer ausgebildet und ausgerüstet werden sollten. Entsprechend fordern sie die „Verschmelzung militärischer und ziviler Komponenten“. Dazu müsste allerdings zunächst geklärt werden, welche militärischen Kräfte als verlässliche Partner zu betrachten sind, welche Kriterien sie erfüllen müssen, wie sie im Einzelnen technisch ausgerüstet und mit welchem Knowhow sie unterstützt werden sollen. Nur so lassen sich unerwünschte Nebenwirkungen vermeiden, etwa dass militärische Ausrüstung in falsche Hände gerät. Auf dieser Grundlage könnten dann EU-Mitglieder, die an einer Intensivierung von Sicherheitssektor-Kooperation interessiert sind, dafür ein neues Instrument auf der zwischen-staatlichen Ebene schaffen, nach dem Vorbild der Friedensfazilität für Afrika oder dem Athena-Mechanismus, über die  EU-Staaten ihre Militärhilfe - jenseits des EU-Gemeinschaftshaushalts - derzeit abwickeln. Für ein zusätzliches Instrument müssten die beteiligten Staaten auch zusätzliche Mittel bereitstellen. Es sollte zugleich mit effektiven Evaluierungsmechanismen verknüpft werden, um die Funktionsweise militärischer Organisationen in den Partnerländern fortlaufend auszuwerten und zu beobachten.

Ein schlüssiger Politikansatz braucht abgestimmtes Handeln der Ressorts und Transparenz

Den Verweis auf die Notwendigkeit eines „umfassenden“ Ansatzes bei  der Bewältigung von Krisen und Konflikten, der  als Begründung für die Erweiterung der IcSP angeführt wird, sollte man zurückweisen. Ein schlüssiger Politikansatz ergibt sich nicht dadurch, dass man Haushaltstöpfe vermischt. Gefordert sind stattdessen ressortübergreifende Konzepte und abgestimmtes Handeln, das sich an der Vorbeugung von  Gewalteskalation und der  Beseitigung von Konfliktursachen orientiert. Indem ein Ressort dem anderen finanziell das Wasser abgräbt, erreicht man erfahrungsgemäß das Gegenteil: weniger Bereitschaft zur Kooperation, die so dringend erforderlich wäre im Umgang mit Krisenregionen.

Jenseits der EU gibt es inzwischen leider ebenfalls Tendenzen, die Grenzen zwischen Entwicklungs- und Militärfinanzierung zu verwischen. So hat der Entwicklungspolitische Ausschuss (DAC) der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa (OECD) im Februar 2016 mit neuen Kriterien zur Anrechenbarkeit von Entwicklungsfinanzierung die Weichen dafür gestellt, dass zunehmend auch sicherheitspolitische Maßnahmen angerechnet werden können. Auch hier gibt es also eine starke Bereitschaft, die Trennungslinie zwischen Ausgaben für Entwicklung, Vorbeugung und Überwindung von Konflikten, und militärischer „Ertüchtigung“ durchlässiger zu machen. Diese Entwicklung ist beunruhigend in einer Situation, in der Entwicklungsfinanzierung gemessen am weltweiten Bedarf weiterhin viel zu gering ausfällt. Obwohl sich die OECD-Staaten 2006 verpflichtet haben, 0,7% ihrer Wirtschaftskraft dafür zu investieren, sind die meisten weit von dieser Marge weit entfernt. Die Bundesrepublik liegt aktuell bei 0,52%, und das nur, weil sie die Ausgaben für die Flüchtlingsaufnahme hier mit verbuchen kann.

Solange für die klassische EZ, vor allem für die Armutsbekämpfung, für die zivile Krisenprävention und Friedensförderung im Vergleich zu den Militärausgaben nur verhältnismäßig kleine Summen zur Verfügung stehen, verbietet es sich, über eine Vermischung von Finanztöpfen auch nur nachzudenken. Im Gegenteil, man muss darauf bestehen, dass Förderrichtlinien mit trennscharfen Kriterien versehen werden, um größtmögliche Transparenz darüber herzustellen, wer mit welchen Mitteln und für welche Zwecke gefördert wird, und man sollte auf verlässliche Überprüfung drängen. Gleichzeitig benötigen wir außerdem eine fundierte Diskussion darüber, welche Art der Unterstützung Reformen des Sicherheitssektors begünstigt und friedensverträglich ist. Es muss darüber debattiert werden, welche Möglichkeiten, aber auch Gefahren mit dem Konzept der „Ertüchtigung“ von Armeen verbunden sind.

Überprüfung des Konzepts der militärischen „Ertüchtigung“

Das Konzept der Ertüchtigung wird von einigen EU-Mitgliedstaaten, darunter maßgeblich auch von der Bundesregierung favorisiert, die auf bilateraler Ebene Armeen in Partnerländern unterstützt und sich in manchen Fällen auch für Waffenlieferungen (z.B. an die kurdischen Milizen im Nordirak) entschieden hat. Da das Projekt auf europäischer Ebene schwer umzusetzen war, ging die Bundesregierung 2015 in Vorleistung und schuf einen eigenen Haushaltstitel auf nationaler Ebene, der Ertüchtigungsmaßnahmen ermöglicht (Puglierin & Feyock 2016). Er umfasst 100 Mio Euro und ist im Einzelplan 60 des Finanzministeriums verankert. Die Mittel sind geographisch und zeitlich flexibel einsetzbar und werden vom AA und BMVg gemeinsam verwaltet.

Im Rahmen der nun auf europäischer Ebene geplanten Erweiterung des IcSP sollen Lieferungen von „letalen Waffen und Munition“ auch weiterhin ausgeschlossen bleiben (siehe dazu auch Art. 3.13 in den Richtlinien des DCI und Art. 4.6. im Aktionsprogramm 2014-16 der Friedensfazilität für Afrika). Diese Form der „Ertüchtigung“ bleibt also auch in Zukunft der Finanzierung durch die EU-Mitgliedstaaten überlassen. Allerdings ist die Einschränkung nur bedingt relevant, weil in den aktuellen weltweit beobachtbaren Gewaltkonflikten nicht allein die Bewaffnung, sondern auch die für ihren Einsatz erforderliche Infrastruktur, Transportmittel, IT- und Kommunikationsmittel, Militärstützpunkte usw. kriegsentscheidend sind. Vieles davon kann, wenn es in die falschen Hände gerät, wiederum auch für Milizen und Armeen kriegsentscheidend sein, die eine Destabilisierung von Staaten und Regionen anstreben, und damit gewaltfördernd wirken.

Letztlich lässt der Vorschlag der EU-Kommission zur Ausweitung des IcSP zentrale Fragen offen. Das betrifft zum einen die Frage nach der Art der technischen Hilfe und Ausbildungsunterstützung. So heißt es z.B. im Wortlaut der am 5.7.2016 vorgelegten Gesetzesinitiative, Ausbildungsmaßnahmen, die „nur darauf gerichtet sind, die Kampffähigkeit von Streitkräften zu erhöhen“ sollten nicht aus dem IcSP finanziert werden. Was aber bedeutet das genau? Reicht es aus, wenn dem Kampftraining noch ein Modul zum Thema „Menschenrechte“ angehängt wird?

Unklar bleibt zudem in allen auf EU-Ebene diskutierten Papieren, worin der eigentliche Mehrwehrt der Stärkung von Armeen besteht, welche Fähigkeiten konkret verbessert werden sollen, und wie die Partner beschaffen sein müss(t)en, damit ein Missbrauch der Ausrüstung ausgeschlossen ist. Hier ist die Frage von Bedeutung, die Marc von Boemcken, Forscher am Bonn International Center for Conversion aufwirft: „Gibt es diesen imaginierten Idealpartner, der die Menschenrechte und das Völkerrecht achtet sowie möglichst frei von akuten Gewaltkonflikten ist, überhaupt?“ (Boemcken 2015, S.6) Nach seiner Einschätzung lassen „bisherige Erfahrungen erhebliche Zweifel hinsichtlich der Erfolgswahrscheinlichkeit einer Ertüchtigung von Sicherheitskräften in Räumen begrenzter oder völlig kollabierter Staatlichkeit aufkommen und zwar ganz gleich, ob dies in einem umfassenden Ansatz geschieht oder nicht. Mit Ausbildung und ein paar Splitterschutzwesten alleine ist es sicher nicht getan, die GSVP-Missionen der EU können hier allenfalls komplementär wirken.“ (v. Boemcken 2015, S. 7)

Auch Jana Puglierin (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik) kommt zu dem Schluss, dass „Ertüchtigung“ von Streitkräften keine überzeugende Strategie im Umgang mit begrenzter Staatlichkeit ist. Ob es mittels der „Ertüchtigungsinitiative“ gelingt, Sicherheit und Stabilität in fragile Regionen zu exportieren, hänge wesentlich davon ab, ob sich die ausgewählten Partner tatsächlich als solche erweisen. Voraussetzung sei, „dass die Interessen von 'Ertüchtiger' und 'Ertüchtigtem' weitgehend deckungsgleich sind und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit dauerhaft möglich ist.“ Aber: „In krisengeschüttelten Regionen mit nur schwach ausgeprägten staatlichen Strukturen ist dies ein risikoreiches Unterfangen. Denn der Freund von heute kann durch Regierungswechsel oder gewaltsame Umstürze schnell zum gut ausgebildeten und ausgerüsteten Feind von morgen werden.“ (Puglierin 2016, S. 3)

Marc von Boemcken regt an, das Konzept trotzdem nicht gänzlich vom Tisch zu fegen. Die punktuelle Unterstützung von „vergleichsweise demokratischen Entwicklungsländern oder internationalen Organisationen mit Trainingsmaßnahmen oder einer überschaubaren Menge militärischer Systeme“ könne „durchaus sinnvoll sein“. (Boemcken 2015, S. 6) Als Beispiele nennt er die Lieferung von zwei Schnellbooten aus Bundeswehrbeständen an Ghana um gegen Piraterie vorzugehen, illegale Fischerei zu bekämpfen und Ölplattformen vor der Küste zu schützen, sowie die Unterstützung von VN-Missionen durch Kampfhubschrauber. Insbesondere und spätestens dann aber, wenn man auch über Bereitstellung von Waffen nachdenke, müsse man eindeutige Positivkriterien erstellen, die festlegen, unter welchen Umständen das geschehen darf. Es bestehe die Gefahr, dass das „politische Leitmotiv der Ertüchtigung“ dazu missbraucht wird, sich über die bisherigen restriktiven Bestimmungen (Gemeinsamer Standpunkt der EU für Rüstungsexporte von 2008) hinwegzusetzen. Sein Fazit: „Sollte das Ertüchtigungskonzept, unter welcher Begrifflichkeit auch immer, zu einer neuen sicherheitspolitischen Strategie der EU und einzelner Mitglieder avancieren, dann spricht vieles dafür, die damit verbundenen Zielsetzungen sehr klar und möglichst eng zu definieren. Waffenlieferungen an autoritäre Staaten, die überdies dazu geeignet sind, gefährliche Rüstungswettläufe anzuheizen, zeugen ebenso wenig von einer klugen Politik wie die Lieferung zehntausender Kleinwaffen an eine nicht-staatliche bewaffnete Gruppe.“ (v. Boemcken 2015, S. 6) Zudem berge die bilaterale Abgabe militärischer Waffen an lokale Kräfte das Risiko einer unkontrollierten Weiterverbreitung.“ Man dürfe sich nicht der Illusion hingeben, „mit einer wie auch immer beschaffenen europäischen oder nationalstaatlichen Ertüchtigungsstrategie „das Wundermittel gefunden zu haben, mit dem in Afghanistan, Mali, Somalia oder Irak stabile Staaten geschaffen werden können.“ (v. Boemcken 2015, S. 7)

Die Einschätzungen zeigen, dass es zu diesem Thema umfangreichen Klärungsbedarf gibt. Wenn es um Unterstützung des Sicherheitssektors geht, so ist letztlich für jede einzelne geplante Maßnahme zu prüfen:

  • Inwieweit wird sie die Sicherheit der Bevölkerung in einem Partnerland erhöhen?
  • Ist sie geeignet, gute Regierungsführung zu unterstützen?
  • Was trägt sie zur Bewältigung von Konfliktursachen und zu einem langfristigen Frieden bei?
  • Welchen Mehrwert erbringt die Ausrüstung und Ausbildung von Streitkräften zusätzlich zur Unterstützung von Polizeiapparaten?
  • Wie kann die Weitergabe des technischen Materials an Unbefugte ausgeschlossen werden?
  • Wie kann die Anwendung nach menschen- und völkerrechtlichen Standards und Prinzipien sichergestellt werden?

Solange diese Fragen nicht geklärt sind, wäre die EU gut beraten, das Konzept der Ertüchtigung eher mit Zurückhaltung zu betrachten und nicht zur Gemeinschaftsaufgabe zu erheben. Auf jeden Fall sollte sie davon Abstand nehmen, das IcSP seinem ursprünglichen Zweck zu entfremden und Förderansätze zu vermischen.

Last but not least gibt es noch einen weiteren Grund, der es erforderlich macht, sorgfältig zwischen zivilen und militärischen Maßnahmen in der EU-Förderpolitik unterscheiden: die Tatsache, dass einige Mitgliedstaaten in verschiedenen Weltregionen selbst mit militärischen Kampfeinsätzen am „Krieg gegen den Terror“ beteiligt sind und dabei eng mit einheimischen Armeen und Milizen kooperieren; eine Vermischung von zivilen und militärischen Aktivitäten in der Förderpolitik riskiert, die Glaubwürdigkeit der zivilen Ansätze zu unterlaufen, in fragilen Kontexten ungeahnte Grauzonen zu schaffen und Hilfsorganisationen in Gefahr zu bringen - sie könnten ungewollt zu Zielscheiben für gewaltsame Gegenreaktionen in den Kampfzonen werden.

Eine Kurzfassung dieses Beitrags wurde im Magazin „WELT-SICHTEN“ auf der Debattenseite „Pro & Kontra“ veröffentlicht: Martina Fischer, Entwicklungsgeld für das Militär? Friedenspolitisch das falsche Signal, in: Welt-Sichten, Pro & Contra, 14.9.2016, http://www.welt-sichten.org/artikel/32481/entwicklungshilfe-fuer-militaereinaetze-debatte

Quellen und Dokumente

 

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