Der Workshop brachte Fachleute aus der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik zusammen, die in der Bibliothek des Auswärtigen Amts über den Zusammenhang von Friedensförderung, Aufarbeitung und Aussöhnung diskutierten. Die Debatte konzentrierte sich zum einen auf die Reichweite unterschiedlicher Formen von Aufarbeitung. Schließlich sollte man darauf hinwirken, dass Initiativen der Aufarbeitung langfristig zur Konflikttransformation und Aussöhnung beitragen und sich gleichzeitig dessen bewusst sein, dass die Beschäftigung mit Vergangenheit auch neue Konflikte aufwerfen oder vorhandene Gräben vertiefen kann. Der zentrale Fokus des Workshops aber galt der Frage, wie internationale Organisationen, Regierungsinstitutionen und gesellschaftliche Akteure Prozesse der Aufarbeitung und Aussöhnung nach Gewaltkonflikten wirkungsvoll unterstützen können. Der Workshop wurde im Rahmen des "PeaceLab2016", dem Begleitprogramm der Erstellung neuer "Leitlinien der Bundesregierung für Krisenengagement und Friedensförderung", ausgerichtet. Daher wurde auch erörtert, welche Anforderungen sich für eine abgestimmte Politik zur Förderung von Transitional Justice Strategien in kriegszerstören Gesellschaften ergeben, was Deutschland beitragen und wie die Politik der Bundesregierung in diesem Themenfeld an Profil gewinnen kann.
Einleitende Vorträge und Impulse kamen von Pablo de Greiff, UN Special Rapporteur for the promotion of truth, justice and non-recurrence (der über skype zugeschaltet war), von Mo Bleeker (Schweizerisches Außenministerium) und Habib Nassar (The Global Network for Public Interest Law). Drei Arbeitsgruppen befassten sich mit (1) der Diskussion strategischer Ansätze, (2) der Rolle und Unterstützung von Zivilgesellschaft, und (3) dem Zusammenhang von Aufarbeitung, Entwicklung und Friedensförderung. Ein Bericht zum Workshop kann von den Webseiten www.peacelab2016.de und www.frient.de heruntergeladen werden.
Brot für die Welt arbeitet in der AG FriEnt mit; das Referat Menschenrechte und Frieden war an der Konzeption der Veranstaltung und durch Moderation einer Arbeitsgruppe (AG 2 zur Rolle und Unterstützung von Zivilgesellschaft) beteiligt. In diesem Teil des Workshops berichteten Nenad Vukosavljevic (Centre for Nonviolent Action, Belgrad) aus der Sicht lokaler Friedensfachkräfte und Marlies Stappers (Impunity Watch) aus der Perspektive internationaler Menschenrechtsaktivisten über ihre Erfahrungen mit internationaler Kooperation und Förderpolitik im Themenfeld Vergangenheitsarbeit. Die Ergebnisse der AG lassen sich so zusammenfassen:
- Prozesse der Aussöhnung benötigen Unterstützung für die Auseinandersetzung mit Vergangenheit auf unterschiedlichen Ebenen, Initiativen von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren;
- Strategien der Aufarbeitung benötigen Legitimität, die sich nur dann einstellt, wenn sie die lokalen kulturellen Besonderheiten berücksichtigen und von relevanten gesellschaftlichen Gruppen mitgetragen werden;
- externe Akteure können Prozesse der Aufarbeitung und Aussöhnung nicht von außen steuern, sie können aber wertvolle Impulse geben und Unterstützung leisten - vorausgesetzt, sie sind mit dem Konfliktkontext und seiner Geschichte vertraut.
Es wurden folgende Vorschläge und Empfehlungen für internationale Akteure und Geldgeber abgeleitet:
- es sollten verlässliche und langfristige Unterstützungsmaßnahmen und Partnerkonzepte entwickelt werden;
- externe Akteure sollten Transitional Justice-Prozesse auf unterschiedlichen Ebenen unterstützen; sie sollten dabei nicht nur auf standardisierte Verfahren (Gerichte, Wahrheitskommissionen, etc.) setzen, sondern auch nach innovativen Ansätzen Ausschau halten und auch kleinere und informelle Dialogformate, Bildungsinitiativen, oral history-Projekte etc. fördern; neben Ansätzen auf der nationalen Ebene sollten auch Initiativen in lokalen Gemeinschaften gefördert werden, die sich um inklusive Formen der Erinnerung bemühen
- Opfergruppen sollten ermutigt werden, sich zu organisieren und ihre Interessen öffentlich zu vertreten, um Anerkennung und Entschädigungen zu erwirken;
- Die Kategorien "Täter" und "Opfer" verschwimmen in vielen Gewaltkonflikten, oft werden Menschen zu Gewaltausübenden und haben zugleich selbst massive Gewalt erlitten; alle von Gewalt Betroffenen (Opfer wie Täter) müssen in die Gesellschaft integriert werden, damit eine gemeinsame Zukunft ermöglicht und ein Rückfall in gewaltsame Formen der Konfliktaustragung vermieden wird;
- um Zivilgesellschaft im Umgang mit Vergangenheit effektiv zu fördern, sollte man nicht nur die Aktivitäten von bekannten Organisationen in den Blick nehmen, sondern auch kleinere und unbekanntere Initiativen jenseits der urbanen Zentren, in Kleinstädten und im ländlichen Raum unbedingt mit berücksichtigen. Außerdem empfiehlt sich eine stärkere Kooperation mit informellen Netzwerken (z.B. Jugendgruppen), oder auch traditionellen Akteuren (religiösen Gemeinschaften und "faith based organisations"), die alle unterschiedliche Intepretationen der Vergangenheit mitbringen.