Der Workshop wurde in den Räumen der Leibniz-Gemeinschaft in Berlin ausgerichtet und brachte Expert/innen aus Friedensforschungsinstituten (z.B. Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, Bonn International Centre for Conversion, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg), Universitäten und politiknahen Thinktanks (u.a. Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, GIGA-Institut, Stiftung Wissenschaft und Politik, Global Public Policy Institute) mit Repräsentanten von Bundesministerien (z.B. AA, BMZ und BMVG) zusammen. Nach der Begrüßung durch Prof. Ulrich Schneckener (Vorsitzender der Deutschen Stiftung Friedensforschung, DSF) und den Beiratsvorsitzenden Dr. Jörn Grävingholt wurde in einem ersten Block über das Spannungsverhältnis zwischen externen und lokalen Akteuren in Krisen- und Nachkriegsregionen diskutiert. Hier standen auch die Möglichkeiten und Grenzen externer Einmischung auf dem Prüfstand, und die Frage nach den normativen Konzepten. Schließlich haben internationale Versuche des "Statebuilding" mit dem Ziel der Durchsetzung eines "liberalen Friedens" in zahlreichen Forschungseinrichtungen nachhaltige Kritik erfahren. Externes Engagement müsse sich an den jeweiligen kulturellen Kontexten und lokalen Bedürfnissen orientieren und konfliktsensibel gestaltet werden.
Erkenntnisse zum Umgang mit fragiler Staatlichkeit im Fokus
Auf Wunsch der beteiligten Ressorts (AA, BMZ, BMVg) und des Leitlinienteams, von denen die Veranstalter Themenvorschläge für Beratungsbedarf eingeholt hatten, wurde das Thema "Umgang mit fragiler Staatlichkeit" in einem weiteren Veranstaltungsblock in den Blick genommen. Diskutiert wurde die Frage, welchen Mehrwert Typologien von fragilen Staaten für die Forschung und Praxis erbringen, und ob es allgemeingültige und/oder kontextspezifische Indikatoren gibt, die der Früherkennung von sich zuspitzenden Gewaltsituationen dienen können. Die anwesenden Experten waren sich einig, dass Indikatoren-Kataloge die Aufmerksamkeit von politisch Verantwortlichen schärfen und eine konfliktsensiblere Praxis im Umgang mit den betreffenden Ländern unterstützen können. Ein Problem besteht jedoch darin, dass die meisten Typologisierungen einen verengten Blickwinkel haben und sich ausschließlich auf staatliche Strukturen richten. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Faktoren werden nur unzureichend erfasst. Die zugrundeliegenden Annahmen über funktionsfähige Staatlichkeit orientieren sich an westlich geprägten Vorstellungen von Nationalstaaten und erfassen Abweichungen von dieser Norm als Deformation. Indikatoren-Kataloge bieten zudem wenig Aufschluss über die Ursachen von Gewaltkonflikten und gesellschaftlichen Veränderungen. Hierfür bleibt die Politik in jedem Fall auf eine systematische Konfliktanalyse und fundierte Regionalforschung angewiesen, so lautete ein Fazit.
Austausch zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik intensivieren
Der letzte Teil des Workshops widmete sich der Frage, wie der Austausch zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik optimiert werden kann, konkret: wie kann die Friedens- Konfliktforschung dazu beitragen, dass ihre Erkenntnisse stärker in der Politik Berücksichtigung finden, und in welchen Formaten kann der Austausch sinnvoll organisiert werden? Einigkeit bestand darin, dass Wissenschaft grundsätzlich autonom sein muss und sich nicht auf kurzfristig in der Politik formulierte Bedarfe einschränken kann. Grundlagenforschung ist ebenso erforderlich wie anwendungsorientierte Forschung, die politischen und gesellschaftlichen Akteuren zur Reflexion ihrer Praxis verhelfen kann. Kontrovers diskutiert wurde die Frage, ob wieviel Komplexität Wissenschaft aufbauen muss, um die Falle einfacher Antworten zu umgehen, und inwieweit sie Komplexität unbedingt reduzieren sollte, um in der Politik Gehör zu finden. Ein Dilemma ergibt sich daraus, dass Vertreter der Ministerien von der Wissenschaft kurze Papiere mit konkreten Empfehlungen im Sinne von "briefings" wünschen, dass sich die Ursachen und Dynamiken von Konfliktlagen aber oft nicht in solch reduzierten Formaten darstellen lassen. Einige Ministeriumsvertreter betonten aber auch, dass sie wesentlich mehr vom direkten, auf konkrete Probleme bezogenen Austausch mit wissenschaftlichen Expert/innen mitnähmen als aus schriftlichen Unterrichtungen. Um die wechselseitige Kommunikation und Interaktion zu intensivieren, erwägt die DSF neue Veranstaltungsformate. Zudem prüft sie die Möglichkeit der Ausschreibung von thematischen Förderschwerpunkten, die stärker auf den Transfer ausgerichtet sind.
Koalitionsfraktionen im Bundestag wollen Friedens- und Konfliktforschung stärken
Die Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland soll gestärkt werden, so forderten es die Fraktionen der CDU/CSU und SPD im deutschen Bundestag in einem Antrag (18/10239) am 8.11.2016. Aufgrund der gestiegenen sicherheits- und friedenspolitischen Herausforderungen, der enormen Zerstörungswirkung von Konflikten und des damit verbundenen Leids sei eine Unterstützung dringend notwendig. Der Antrag benennt weiterhin als Ziel, dass die unterschiedlichen disziplinären Ansätze besser miteinander verknüpft und auch die Vernetzung mit anderen Forschungsfeldern vorangetrieben werden sollen. Um grenzüberschreitende Konflikte zu analysieren, müsse die Friedens- und Konfliktforschung in die Lage versetzt werden, international und über Fächergrenzen hinweg noch enger zusammenarbeiten. Die Bundesregierung solle sich auch dafür einsetzen, Friedens- und Konfliktforschung in der europäischen Forschungsförderung aufzuwerten. Sie leiste wesentliche Beiträge zur Friedenssicherung und Konfliktlösung, Gewalt- und Krisenprävention, indem sie Konfliktursachen und Gewaltdynamiken analysiere und Bedingungen für Frieden und Sicherheit definiere. Ihre Expertise sei für Regierung, Parlament und Gesellschaft unverzichtbar, um zu verantwortungsvollen Entscheidungen zu kommen.
Interdisziplinäre Ansätze fördern
Tatsächlich ist für die Erforschung der internationalen Problemlagen und Friedensgefährdungen und auch für die Analyse von innergesellschaftlichen Konflikten ein fächerübergreifendes Vorgehen erforderlich. Um den strukturellen Ursachen von Konflikten, Motiven von Konfliktakteuren und Möglichkeiten der Friedensförderung auf den Grund zu gehen, bedarf es der Zusammenarbeit von Politikwissenschaft, Soziologie, Geschichtswissenschaft, Psychologie, Anthropologie, Ethnologie, Völkerrecht bis hin zu den Naturwissenschaften. Allerdings erfordern multi- und interdisziplinäre Ansätze umfangreiche, mehrjährige Forschungszusammenhänge, an denen sich größere Teams beteiligen. Für derart ambitionierte Vorhaben müsste die Friedens- und Konfliktforschung also auch mit entsprechenden Fördermitteln ausgestattet werden. Bislang fristet sie im Vergleich mit anderen Forschungsfeldern noch immer ein eher randständiges Dasein, obgleich mit der Deutschen Stiftung Friedensforschung eine wichtige Fördereinrichtung geschaffen wurde. Die DSF wurde im Jahr 2000 mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gegründet und hat ihren Sitz in der Friedensstadt Osnabrück. Sie hat in der Nachwuchsförderung und Strukturbildung (etwa durch Förderung diverser friedenswissenschaftlicher Studiengänge an deutschen Universitäten) wichtige Akzente gesetzt und zahlreiche Projekte gefördert. Gleichzeitig sind ihr aufgrund einer chronischen Unterfinanzierung aber enge Grenzen gesetzt. Ursprünglich sollte sie mit insgesamt 50 Millionen Euro Stiftungskapital ausgestattet werden, doch dann reichte es in den Haushaltsentscheidungen leider nur für die Hälfte (25,56 Millionen Euro). Mit diesem Betrag kann, verstärkt durch die aktuelle Niedrigzinsphase, keine Wissenschaftsförderung im eigentlich erforderlichen Umfang geleistet werden. Von daher wäre zu hoffen, dass der Willensbekundung aus dem Parlament tatkräftige Entscheidungen der Haushälter/innen und Ministerien nachfolgen, damit die Förderung für die Friedensforschung endlich substanziell und nachhaltig aufgestockt werden kann.
(Dr. Martina Fischer war von 2001-2011 im Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Friedensforschung tätig und von 2006-2011 stellv. Vorsitzende; seit 2011 ist sie Mitglied im wissenschaftlichen Beirat.)