Ungeachtet der konkreten Ergebnisse der Konferenz im Abschlussdokument, bestimmte das Verhandlungsklima der beiden Verhandlungswochen die Wahl des US-Präsidenten – eine Klimawelt rückt zusammen. Die Klimaverhandlungen in Marokko gehörten sicherlich zu den ungewöhnlichsten Verhandlungen in den letzten 22 Jahren. Zunächst wurde angenommen, dass es nur technische und damit auch eher mal unspektakuläre Verhandlungen sein werden – man hatte überhaupt nicht mit der Wahl von Trump, dem ausgewiesenen Klimaleugner – zum Präsidenten der USA gerechnet. Viele TeilnehmerInnen der COP22 katapultierte die Nachricht in eine regelrechte Schockstarre.
„Jetzt erst recht“-Stimmung
Diverse Meinungen zirkulierten von "Trump zum Trotz", "jetzt erst recht packen wir die globale Energiewende an", "ein Land kann die Welt nicht aufhalten" bis hin zur Aufforderung, die USA solle nicht drohen, sondern bitte das Pariser Abkommen oder sogar gleich die Klimarahmenkonvention verlassen. Es sei besser, die USA sitze nicht mehr am Verhandlungstisch, da sie sowieso nur alle Staaten ausbremsen werde bei der ambitionierten Umsetzung des Pariser Abkommens- so auch Stimmen von indischen NGOs! Dagegen feixten die chinesischen NGOs, dass China jetzt die Führungsrolle alleine übernehmen werde – vor Paris haben USA und China gemeinsam die Führungsrolle inne.
Der US-Verhandlungsführer Jonathan Pershing dagegen rief die NGOs auf, die neue Regierung nicht aus der Verantwortung zu lassen, zumal 70% der Amerikaner sich für Klimaschutz aussprechen. Trump hatte gedroht aus dem Klimavertrag auszusteigen. Formal ist es so, dass der Ausstieg aus dem Pariser Abkommen erst in drei Jahren möglich sei, erklärte Pershing. Der Ausstieg aus der Klimarahmenkonvention schon in einem Jahr, aber mit nichts Tun könne Trump leider auch sofort anfangen.
Derweilen wurde auf technischer Ebene weiterverhandelt zur Ausgestaltung des Abkommens, zB wie an der Bedienungsanleitung des Pariser Abkommens: das Regelbuch wurde fortgeschrieben und scheint auch bis zur Deadline 2018 fertig zu werden.
Das Brot für die Welt Spezialthema: Loss and Damage
Vor allem gut sind die Verhandlungen im Thema „Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten“ vorangekommen – kurz Loss and Damage. Brot für die Welt hat sich in den letzten Jahren stark dafür eingesetzt, dass dieses Thema auch im Parisabkommen verankert wird, was auch gelungen ist.
Eine Überprüfung der Arbeit des Warschau Mechanism on Loss and Damage (WIM) wurde während der COP22 durchgeführt, wenn auch mit wenig Substanz. Dafür konnte vereinbart werden, das im Jahr 2019 eine umfangreichere Überprüfung stattfinden soll, und dann im Turnus von allerspätestens alle fünf Jahre eine Überprüfungen durchgeführt werden muss. Mindestens sechs Monate vorher muss die Aufgabenbeschreibung zur Überprüfung vorliegen, damit man sich auch einig ist, was überprüft werden muss an der Arbeit des WIM.
Klimafinanzierung
Die Überprüfung des WIM im Jahr 2019 bezieht auch einen Finanzbericht für Loss and Damage ein. Es soll ermittelt werden, wie viele Mittel für Loss and Damage bereitgestellt werden. Diese Forderung nach Finanzmitteln - nicht nur für Minderung und Anpassung an den Klimawandel, sondern auch für die Bewältigung von Klimaschäden - werden immer lauter in den Verhandlungen. Besonders die ärmsten und verletzlichsten Staaten sind auf Unterstützung angewiesen, damit sie nach klimabedingten Katastrophen schnell wieder auf die Beine kommen.
Es ist zudem schwer nachzuvollziehen, wie die Klimafinanzzusagen der Industriestaaten von 100 Mrd. USD bis 2020 realisiert werden sollen. Es ist jedoch erkennbar, dass weniger als 20% für Anpassung vorgesehen ist, und davon können nicht auch noch Mittel für die Bewältigung von Klimaschäden eingesetzt werden. Die Klimafinanzierungsfrage ist also noch lange nicht gelöst – auch wenn bereits Mittel bereitstehen, es werden zukünftig noch mehr gebraucht, um die ärmsten Menschen in der Klimakrise zu unterstützen.
Ein Fünfjahresplan zu den Aufgaben des Warschau Mechanismus konnte nicht verabschiedet werden. Es ist nun geplant, dass der Arbeitsplan spätestens bei der COP23 im nächsten Jahr angenommen wird und ab 2019 dann effektiv die Arbeit anfangen kann.
Große Ansagen und Ambitionen
Neben den technischen Verhandlungen wurde die COP22 dazu genutzt, konkrete Initiativen zur Umsetzung des Pariser Abkommens bekannt zu geben. Die Vielzahl an Initiativen, Partnerschaften und Ambitionssteigerungen stärken die Langfristziele des Pariser Abkommens und hauchen dem Abkommen konkret Leben ein: Die Klimarisikoversicherungsinitiative InsuResilience für arme Länder und die Initiative zum Ausbau von Erneuerbaren Energien in Afrika wurden gestärkt, wie auch die Klimaschutzinitiative der NDC-Partnerschaften. Dabei unterstützt Deutschland eine Vielzahl von Entwicklungsländern bei der Erreichung der eigenen Klimaziele.
Deutschland gehört zu den ersten vier Ländern, die auf der 2050-Plattform unter dem Dach der Rahmenkonvention ihren Klimaschutzplan bis 2050 veröffentlicht haben, neben USA, Kanada und Mexiko. Weitere Staaten wollen unverzüglich folgen, ebenso haben sich 15 Städte, 17 Staaten und Regionen und 196 Unternehmen der Initiative angeschlossen.
Besonders hervorzuheben ist die Initiative, die am letzten Tag der COP22 die Mitgliedsstaaten des „Climate Vulnerable Forums“ bekanntgegeben haben. Das CVF mit seinen 43 Mitgliedsstaaten und weitere fünf Staaten haben angekündigt, dass sie 100% erneuerbare Energien einsetzen möchten und selbst ihre Klimaschutzpläne so umschreiben werden, dass auch sie einen fairen Beitrag zur Einhaltung des 1.5°C-Limits leisten. Damit signalisieren die Ärmsten, dass sie kein Vertrauen in die fossilen Energien haben und ihre eigene Entwicklung zu 100% nachhaltig durchführen möchten.
Die Ankündigung kann auch als Ansage gegen viele Industrieländer und vor allem die USA verstanden werden. Die Ärmsten warten nicht mehr auf eine globale Energiewende, sondern packen sie selbst an.
COP23 unter der Präsidentschaft von Fiji
Die nächste Weltklimaverhandlung wird 2017 unter der Präsidentschaft von Fidschi ausgetragen, der Verhandlungsort ist Bonn. Gastgeber ist das Klimasekretariat der Vereinten Nationen. Damit wird zum ersten Mal ein kleiner Inselstaat die COP-Präsidentschaft übernehmen, der nicht die Kapazitäten hat, eine Weltkonferenz mit 50.000 Teilnehmern im eigenen Land durchzuführen. Diese Maßnahme bewertet Brot für die Welt als sehr gerecht, denn die vom Klimawandel am meisten betroffenen Staaten müssen auch die Chance bekommen, selbst einmal den Prozess zu lenken.