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"BaySanto" Die Spitze des Fusionseisberges

Konzentrationsprozesse im globalen Saatgut- und Pestizidbereich: Als im Herbst 2016 offiziell verkündet wurde, dass die Bayer AG Monsanto für 66 Milliarden Dollar kaufen möchte, traf dies die Agrarwelt wie ein Schock.

Von Stig Tanzmann am

 

Die Spitze des Fusionseisberges -

Konzentrationsprozesse im globalen Saatgut- und Pestizidbereich

Als im Herbst 2016 offiziell verkündet wurde, dass die Bayer AG Monsanto für 66 Milliarden Dollar kaufen möchte, traf dies die Agrarwelt wie ein Schock. Schnell wurde klar: Wenn die Fusion tatsächlich durchgeht, wird ein neuer Konzerngigant entstehen, der circa 30 Prozent des kommerziellen Weltsaatgutmarktes und knapp 25 Prozent des Pestizidmarktes kontrollieren wird. Die Folgen für die Welternährung und die Landwirtschaft werden angesichts dieser Marktmacht bedeutend sein. Verschärft wird die Situation dadurch, dass bereits in den vorhergehenden Monaten die Übernahme von Syngenta durch ChemChina und die Fusion von DuPont und Dow Chemicals in die Wege geleitet wurden. Sollten alle Zusammenschlüsse wie geplant stattfinden, würden nur drei Konzerne rund 60 Prozent des kommerziellen Weltsaatgut- und rund 65 Prozent des Weltpestizidmarkts dominieren – ein Oligopol mit enormer wirtschaftlicher Macht und großem  Einfluss.

Das Bayer-Kreuz auf der Spitze des Fusionseisbergs führt uns vor Augen, wie dramatisch die Konzentrationsprozesse im Saatgut- und Pestizidbereich in den letzten 30 Jahren voran geschritten sind. Zu Beginn der 1980er Jahre hatte kein Saatgut- oder Pestizidunternehmen einen Weltmarktanteil von mehr als 5 Prozent. Dann kauften Unternehmen aus der Chemiebranche (Pestizidhersteller) Saatgutunternehmen und begannen, Saatgut und Pestizide im Paket zu vermarkten. In der Folge setzte ein bis heute anhaltender Konzentrationsprozess ein. Es waren vornehmlich Nichtregierungsorganisationen (NRO), die auf die problematische Markt- und Machtkonzentration aufmerksam machten. Von der Politik wurden diese Warnungen bislang kaum gehört.

Mögliche Konsequenzen für den globalen Süden

Klar ist, dass sich weltweit die Saatgutzüchtung noch stärker an den Markt- und Profitinteressen der dominanten Konzerne orientieren wird. Dies bedeutet auch, dass vor allem Pflanzen gezüchtet werden, die von den Wertschöpfungsketten der Nahrungsmittelkonzerne und Supermarktketten nachgefragt werden. Dabei wäre mit Blick auf die Verwirklichung des Rechts auf angemessene Nahrung und die Überwindung des Hungers eine stärkere Ausrichtung der Saatgutzüchtung und Saatgutbereitstellung am Bedarf von in Armut lebenden Bauern und Bäuerinnen notwendig. Die Bedürfnisse dieser Milliarden von Menschen liegen vor allem bei sehr günstigem, wenn nicht kostenlosem, oder über eigenen Nachbau und Tausch zu erlangendem Saatgut. Zusätzlich haben sie ein Interesse an einer großen Vielfallt an Pflanzen,  was in Widerspruch zur Einheitlichkeit in den großen Wertschöpfungsketten steht. Doch wenn diese Bedürfnisse erfüllt werden, lassen sich für Bayer nicht die riesigen Übernahmekosten refinanzieren.

Immense Übernahmekosten müssen refinanziert werden

Auf den Saatgut- und Pestizidmärkten in Nordamerika und Europa ist kaum noch Wachstum möglich und es lassen sich nur noch wenige zusätzliche Gewinne abschöpfen. Denn diese Märkte sind von den bestehenden Konzernen bereits gut erschlossen. Der Markt in Europa könnte sich, sollte die EU-Agrarpolitik stärker ökologisch ausgestaltet werden, potenziell negativ für einen neuen Megakonzern wie „BaySanto“ entwickeln. Deshalb gibt es in Nordamerika und Europa wenig Aussicht auf eine Refinanzierung der Übernahme.

Folgerichtig sind schon vor den Fusionen die Saatgutmärkte im globalen Süden immer stärker in den Fokus der Konzerne gerückt. Dort wird noch immer ein Großteil des Saatguts über bäuerliche Saatgutsysteme, inklusive Nachbau, aber auch über staatliche Züchtung erzeugt. Hier können die Konzerne neue Märkte erschließen. Für die teils über Jahrhunderte entstandenen bäuerlichen Saatgutstrukturen ist zu befürchten, dass sie im Prozess der Markterschließung in noch schärfere Auseinandersetzungen mit Konzernen wie Bayer-Monsanto kommen werden als bisher.

In Afrika, Asien und Südamerika ließen sich die Vorläufer dieser Entwicklung in den letzten Jahren beobachten. Dort wurde auf nationaler und regionaler Ebene eine Reihe von Gesetzen auf den Weg gebracht oder erlassen, welche die Rechte der pflanzenzüchtenden Konzerne bei Saatgutzulassung und geistigen Eigentumsrechten über die der Bauern und Bäuerinnen stellen. Diese Entwicklung kann den Verlust der eigenen bäuerlichen Saatgutarbeit, wie schon in den USA und Europa, bedeuten. Damit würden eine unglaubliche Diversität sowie eine alternative Basis für die Anpassung an den Klimawandel verloren gehen. Die Abhängigkeit beim Zugang zu Saatgut von den drei verbleibenden Mega-Konzernen würde drastisch zunehmen. Daher wird die Ankündigung von Bayer-Monsanto, einen wichtigen Beitrag zur Welternährung liefern zu wollen, von vielen Bauern und Bäuerinnen sowie sozialen Bewegungen als Angriff und Bedrohung anstatt als positives Versprechen gesehen.

Alle Macht den Konzernen?

Es muss mit großer Sorge verfolgt werden, wie die Saatgutkonzerne versuchen, ihre Macht und Kontrolle über das Saatgut auszuweiten. Immer aggressiver versuchen sie, geistige Eigentumsrechte über das Sortenschutzabkommen des Internationalen Verbands zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV91) auch in Ländern des globalen Südens durchzusetzen und die Regeln von UPOV91 selbst weiter zu verschärfen. Einige neu vorgelegte und offensichtlich von den Konzernen beeinflusste Gesetzesinitiativen im globalen Süden gehen deutlich über die von bäuerlicher Seite immer wieder kritisierten Bestimmungen von UPOV91 hinaus. Die Einführung von UPOV91, mit seinen strengen Regeln zu Saatgutverkauf, -lagerung, -nachbau, -züchtung und -zulassung, würde bäuerliche Saatgutsorten noch weiter an den Rand drängen und Bauern und Bäuerinnen dabei behindern, wie bisher Saatgut frei auszutauschen oder zu verkaufen. Bei einseitiger Auslegung von UPOV91 droht sogar eine Kriminalisierung dieser Tätigkeiten.

Zusätzlich treiben die Konzerne die Patentierung von Saatgut, aber auch von einzelnen genetischen Teilinformationen stark voran. Über Patente haben sie exklusiven Zugriff auf das Saatgut und die Genetik und können so züchterische Aktivitäten konkurrierender Konzerne und mittelständischer Unternehmen je nach Interesse verhindern, behindern oder zahlungspflichtig machen.

Nicht zu unterschätzen ist der durch die Marktkonzentration weiter zunehmende Einfluss der Konzerne auf Beschlüsse in Gremien der Vereinten Nationen (VN), wie den Saatgutvertrag der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) oder die Biodiversitätskonvention (CBD). Die Interessensverbände der Industrie wie ,Croplife International’ oder der Internationale Saatgutverband (ISF) haben dort ebenso wie die Zivilgesellschaft nur beobachtende Funktionen. Aber wenn sich diese Verbände am Rande von Verhandlungen äußern, kommt keine Regierung oder VN-Institution mehr so schnell an dieser Äußerung vorbei. Wenn in Zukunft nur drei Konzerne den Mammutanteil des kommerziellen Weltsaatgutmarktes abdecken, wird ihr politischer Einfluss noch zunehmen.

Werden die Mega-Fusionen nicht verhindert, bedeutet dies, dass sich das „business as usual“ bei globalen Agrarfragen, für das insbesondere die großen Saatgut- und Pestizidkonzerne stehen, noch über Jahrzehnte fortsetzen und sogar verfestigen wird. Dabei ist mittlerweile bekannt, so auch der Weltagrarbericht, dass „Business as usual“ keine Option ist.

 

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