Das BMZ hat für das Afrika-Jahr 2017 schon einmal vorgelegt, und heute dem Bundestag und der Öffentlichkeit „Eckpunkte für einen Marshallplan mit Afrika“ präsentiert.
Das Afrika-Jahr 2017
Damit sollte klarer werden, was die Bundesregierung vorhat, wenn sie immer wieder betont, dass es eine Lehre aus der Flüchtlingskrise sei, die Zusammenarbeit mit Afrika neu und intensiver zu gestalten. So hat sie die Zusammenarbeit mit Afrika zu einem Kernthema für ihre Präsidentschaft der G20 bestimmt und will im Juni auf einer großen Afrikakonferenz einen „Compact with Africa“ schließen. Es ist aber auch zu befürchten, dass es zu weiteren problematischen Initiativen kommen könnte, Rücknahmeabkommen für Flüchtlinge mit Entwicklungspolitik zu verkoppeln. Zum Glück hält Bundesminister Müller tapfer die Stellung gegen solche Vorschläge!
Neustart der Beziehungen mit Afrika
Das BMZ macht nun den Aufschlag zum Afrika-Jahr und regt einen „Marshallplan mit Afrika“ an. Der Begriff des Marshallplans hat schon einigen Unmut bei afrikanischen Beobachtern hervorgerufen, wie dieser Artikel im Online Magazin Daily Maverick zeigt: "The simple point is that Africa does not need any new “Marshall Plan” be it from Germany or any other entity. Africa already has an extensive and detailed raft of plans. The crucial problem has always been the implementation of these plans."
Müller hat das Ende der Geber-Nehmer Beziehungen angekündigt. Da ist man neugierig, was das für die weitere Konkretisierung des Planes bedeutet. Bis jetzt wurden die afrikanischen Regierungen und ihre Bürger nicht gefragt, ob sie einen deutschen Plan wollen und wie ihre Vorstellungen aussehen. Positiv ist, dass sich der Marshallplan auf die Zukunftsvision der Afrikanischen Union, die Agenda 2063, bezieht. Zum weiteren Aushandlungsprozess ist im Marshallplan wenig zu lesen. Nicht die Abstimmung eines deutschen Marshallplans mit afrikanischen Akteuren ist gefragt, sondern umgekehrt: die Abstimmung des BMZ mit afrikanischen Plänen ist notwendig.
"Einen 'Big Push' - wie der Name 'Marshallplan' verheißt - wird es nur geben, wenn dieser Vorstoß eines einzelnen Ministeriums bei anderen Ministerien auf Resonanz stößt und zu einer kohärenten Gesamtkonzeption der Afrika-Politik der Bundesregierung führt. Entscheidend ist aber, dass die afrikanischen Staaten den Prozess anführen und es am Ende des Diskussionsprozesses einen deutschen Beitrag zu den von Afrika geführten Initiativen gibt."
Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt
Africa first!
Bei aller Kritik am Prozess und Begriff lohnt es sich aber, die Ideen hinter dem Marshallplan genauer anzusehen. Das Ziel, pro Jahr 20 Millionen Jobs für afrikanische Jugendliche zu schaffen, trifft ein Kernproblem für die Entwicklung Afrikas. Die soziale Entwicklung Afrikas braucht eine nachhaltige und inklusive wirtschaftliche Entwicklung, die auf den Stärken und Möglichkeiten der afrikanischen BäuerInnen und UnternehmerInnen aufbaut. Beschäftigung in Afrika ist zu 70% auf dem Land und zu 85% in informellen Jobs zu finden. Dort müssen Investitionen in eine nachhaltige Landwirtschaft und in die Weiterverarbeitung gefördert werden, denn dort können die notwendigen Millionen von Arbeitsplätzen geschaffen werden! Auch die Investition in einen Wasserkanal durch einen Kleinbauern ist eine Investition in die afrikanische Infrastruktur!
Die deutsche Wirtschaft kann dazu einen Beitrag leisten, der aber immer bescheiden sein wird. Sie stellt weniger als 1% aller Auslandsinvestitionen und weniger als ein Promille aller Arbeitsplätze in Afrika. So ist mehr Engagement der deutschen Wirtschaft willkommen. Es sollte deutschen und afrikanischen Firmen gleichermaßen Zugang zu Risikokapital gegeben werden, aber die großen Beschäftigungseffekte werden vorrangig durch afrikanische Bäuerinnen und Bauern sowie Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer kommen!
Regionale Ansätze und Kohärente Handelspolitik
Dafür müssen regionale Märkte entwickelt werden, dort liegen die Marktchancen. Das sagt auch das Beratungsunternehmen McKinsey in seinem Report „Lions on the Move“. Das fordert auch der Marshallplan. Leider ist es das Ergebnis der europäischen Handelspolitik, u.a. mit den gutgemeinten Handels- und Wirtschaftsabkommen mit den afrikanischen Ländern, dass sich regionale Märkte und Zollunionen eher aufzusplitten drohen, als dass sie gestärkt werden. Wenn nun in dem Marshallplan entwicklungsfreundliche Handels- und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen gefordert werden, dann fragt man sich, an wen die Forderung gehen soll. Hat nicht Minister Müller selbst als federführender Minister des größten EU-Mitgliedslands die Möglichkeit, genau dafür zu sorgen?
"Don't preach. First, bring your house in order!"
Minister Müller hat mit den „Eckpunkten für einen Marshallplan mit Afrika“ Großes vor. Auf dem EU-Afrika-Gipfel im Herbst sollen die Ergebnisse der Konsultationen als Vorschläge für die Beschlussfassung eingebracht werden und dort „einen historischen Wendepunkt in der Beziehung der beiden Kontinente“ bewirken. Ich frage mich, ob das in ein paar Wochen Konsultation erreicht werden kann. Ob die AU nun wirklich auf den Zug eines von einem deutschen Minister angedachten und bisher noch nicht besprochenen Marshall-Plans aufspringen will? Werden die afrikanischen Staaten die neuen Konditionen für die angekündigten „Reformpartnerschaften“ wirklich als Abschaffung des Geber-Nehmer-Verhältnisses begrüßen? Oder bedarf es eines anderen Herangehens? Um es mit den Worten von Paul Collier auf einer Veranstaltung der KfW zu der deutschen G20 Präsidentschaft zu sagen:“ Don’t preach. First, bring your house in order.“
Minister Müller hat in den letzten drei Jahren schon mit viel Aufwand und Beteiligung der Zivilgesellschaft eine Zukunftscharta entworfen und zwei Afrikakonzepte vorgelegt. Was ist aus diesen Dokumenten geworden? In den „Eckpunkten“ werden sie nicht mehr erwähnt. Nun sollte es darum gehen, die guten Ansätze in dem vorgelegten Plan anzugehen. Das BMZ hat dazu die Möglichkeiten. Eines neuen Marshallplans bedarf es dazu nicht.