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„Der G20 fehlt es an Legitimität“

Das Netzwerk zivilgesellschaftlicher Organisationen Brasiliens, Rebrip, bezweifelt die Legitimität der G20. Vor allem die Degradierung von Ländern im Süden zu Rohstofflieferanten müsse hinterfragt werden. Und Brasiliens umstrittene Regierung ist derzeit nicht einmal ein Dialogpartner für Rebrip.

Von Gastautoren am

Anders als in früheren Jahren ist der diesjährige G20-Gipfel in Brasilien kaum Thema. Das liegt weniger an der dramatischen Wirtschaftskrise im fünftgrößten Land der Welt, sondern an politischen Zerwürfnissen. Präsident Michel Temer und zahlreiche seiner Minister sind mit heftigen Korruptionsvorwürfen und Rücktrittsforderungen konfrontiert. Und die sozialen Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen haben den Dialog mit seiner Regierung eingestellt. Sie halten das Amtsenthebungsverfahren gegen die frühere Präsidentin Dilma Rousseff, durch das Mitte 2016 eine Rechtsregierung an die Macht kam, für einen parlamentarischen Putsch. Einige glauben, dass der angeschlagene wie unbeliebte Temer gar nicht nach Hamburg reisen werde.

Brasilien verlor internationales Gewicht

Unter Rousseff wie unter ihrem Vorgänger Luiz Inácio Lula da Silva war Brasilien ein wichtiger Global Player. Neben Indien spielte der größte lateinamerikanische Staat eine wichtige Rolle bei der Aufwertung der G20 im Jahr 2008 zu einem Präsidentengipfel zur Lösung weltweiter Krisen. „Unter Temer hat Brasilien jede internationale Relevanz eingebüßt“, sagt Adhemar Mineiro von der NGO-Plattform Rebrip, die bis zum Machtwechsel die brasilianische Regierungspolitik in den Bereichen Welthandel und Wirtschaftsentwicklung kritisch begleitete. Temer würde das G20-Treffen gerne als Forum nutzen, um den Ruf eines Parias zu überwinden. „Das wird nicht gelingen. Als Angela Merkel soeben die G20-Staaten in Lateinamerika besuchte, steuerte sie Argentinien und Mexiko an, doch machte um Brasilien einen großen Bogen“, argumentiert Mineiro.

Die Rebrip, der zahlreiche Partnerorganisationen von Brot für die Welt angehören, steht jedoch nicht nur mit der Regierung Temer auf Kriegsfuß. Auch die G20 selbst hält Mineiro für ein fragwürdiges Gremium: „Die Auswahl der beteiligten Länder muss hinterfragt werden. Generell mangelt es der G20 an Legitimität“, erklärt Mineiro. Das Netzwerk zivilgesellschaftlicher Organisationen nutzt deswegen nur den zuvor stattfindenden Alternativ-Gipfel als Plattform für politische Einflussnahme.

G20 fehlt Engagement für gerechte Wirtschaftsordnung

Ihr wichtigstes Ziel, das weltweite Wirtschaftswachstum zu fördern, hat das Gremium nach Meinung von Adhemar Mineiro nicht erreicht. Das liegt vor allem an falschen Prämissen für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung. „Die Integration nach G20-Decise zielt darauf ab, die Entwicklungs- und Schwellenländer als Lieferanten für Rohstoffe und billige Agrarprodukte für die reichen Staaten zu stärken. Das ist für die meisten armen Staaten eine Sackgasse“, erklärt Mineiro.

Zudem kritisiert der Wirtschaftswissenschaftler, dass G20-Entwicklungsinitiativen zumeist private Unternehmen oder Public Private Partnerships (PPP) fördern. Die derzeit debattierte Förderung von Infrastrukturmaßnahmen in Ländern des Südens ist für Mineiro ebenfalls ein Instrument, dass eher großen Konzernen als den betroffenen Ländern zugute kommt: „Niemand hat etwas gegen sinnvolle Investitionen wie neue Kindergärten, Schulen, Universitäten und Krankenhäuser. Doch nicht dies steht zur Debatte, sondern die Finanzierung neuer Verkehrswege und die Förderung des Welthandels. Es geht also eher um die Ausbeutung von Rohstoffen und nicht um das Wohl der dort lebenden Menschen“, kritisiert Mineiro.

Chancengleichheit statt Freihandel

Adhemar Mineiro ist ökonomischer Berater des Netzwerks Rebrip, das vor knapp 20 Jahren gegründet wurde. Ziel des Netzwerk ist es, angesichts fortschreitender Deregulierung im Finanzwesen und im Welthandel Vorschläge zur Garantie sozialer Absicherung zu entwerfen und zu verteidigen. Zu den über 50 Mitgliedsorganisationen gehören große NGOs wie Fase und Ibase, Forschungsinstitute wie Inesc sowie Aids-Vorbeugegruppen wie Abia und Gapa – allesamt Partner von Brot für die Welt.

Mineiro hinterfragt auch das Freihandelsdogma der G20: „Statt Freihandelsverträge abzuschließen und Investitionsschutzklauseln festzuzurren sollten die Industrieländer den ärmeren Staaten Zugang zu Technologien ermöglichen, ihre Märkte für Agrarprodukte aus dem Süden öffnen und Chancengleichheit in den Vordergrund rücken“, fordert der Rebrip-Ökonom. In diesem Kontext hält er auch die Afrika-Initiativen der deutschen G20-Präsidentschaft eher für ein Mittel, um das schlechte Gewissen zu beruhigen. Doch die Migration werde durch die geplante Förderung von Privatinvestitionen in Afrika bestimmt nicht eingeschränkt werden.

Mehr Regulierung zum Schutz der Schwächeren

Das Fragezeichen, dass der Diskurs von US-Präsident Donald Trump hinter das Freihandelsdogma setzt, sollte die Zivilgesellschaft laut Mineiro zum Anlass nehmen, Alternativen in dieser festgefahrenen Debatte zu entwickeln. „Statt der Fixierung auf die Interessen von transnationalen Konzernen müssen gerechte Handelsstrukturen erdacht werden.“ Notwendig sei mehr Regulierung der Märkte zum Schutz der Schwächeren statt weiterer Deregulierung, sagt Mineiro.

Die Haltung der brasilianischen Regierung wird nach Meinung von Adhemar Mineiro die G20-Debatte nicht voranbringen. Zwar hält sie in Sachen Klimapolitik am Pariser Abkommen fest, auch wenn zuhause im Amazonas die Naturschutzauflagen gelockert und weitere Abholzungen geradezu gefördert werden. Und in Wirtschaftsfragen bleibt die Regierung der liberalen Ausrichtung treu, die schon die Mitte-links-Regierungen zuvor befürwortet haben. Doch im Gegensatz zu früher werde aufgrund fehlenden Legitimität des Präsidenten kaum jemand den Stellungsnahmen aus Brasilien Gehör schenken, sagt Mineiro voraus.

 

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