Seit drei Jahrzehnten engagiert sich Wafaa William für die Menschen, die in der ägyptischen Gesellschaft am Rand stehen. Sie weiß, dass ihr Land nach der friedlichen Revolution 2011 und den darauf folgenden politischen Kämpfen in einer ökonomischen Krise steckt. William befürchtet, dass in dieser Situation viele Menschen unter die Räder kommen. „Deshalb müssen wir alle unsere Kräfte mobilisieren“, sagt sie.
Die ausgebildete Ingenieurin ist seit mehr als 30 Jahren für CEOSS tätig. Brot für die Welt unterstützt den Sozialdienst der evangelischen Kopten (Coptic Evangelical Organisation for Social Services), der sich um Wege aus Armut bemüht. „Das Einkommen der Familien muss besser werden, damit sie ihre Kinder in die Schule schicken können“, so William. Besonders Familien leiden, wenn die Preise auf den Märkten steigen.
Finanzen sind Williams Spezialgebiet. Seit 25 Jahren ist sie für Kleinkredite zuständig. Die Managerin ist stolz, dass ihr Mikrokreditprogramm unter die 100 besten weltweit gewählt worden ist. „Die Rückzahlungsrate liegt bei 99,8 Prozent“, erläutert sie. Der Grund sei, dass CEOSS im Unterschied zu anderen Organisationen in Ägypten ein umfangreiches Training anbietet, zu dem auch Management und Marketing gehören.
Die Arbeit von CEOSS erstreckt sich auf ganz Ägypten. Sie umfasst neben der Einkommenssicherung ein breites Spektrum. Es reicht von Bildung und Stärkung der Zivilgesellschaft über Gesundheitsversorgung und Landwirtschaft bis zu Frauenrechten, Kampf gegen Genitalverstümmelung und Integration Behinderter.
Für dieses ganzheitliche „Integrated Development Program“ erfährt CEOSS auch in Ägypten große Anerkennung. Mit ihrer Arbeit erreicht die Organisation immerhin rund 60.000 Menschen im ganzen Land. Der Direktor des sozialen Hilfswerks der koptischen Kirche, Andrea Zaki, ist zugleich Kirchenpräsident der koptisch-evangelischen Kirche und Generalsekretär des ägyptischen Kirchenrates. Darin sieht Brot für die Welt wichtige Anknüpfungspunkte für die Friedensarbeit.
Das evangelische Hilfswerk plädiert für eine stärkere Berücksichtigung der Religionen in der Entwicklungsarbeit. Der interreligiöse Dialog könne Friedensprozesse anstoßen und verstärken. Auch Zaki ist in Ägypten in diesen interreligiösen Dialog einbezogen. Der Ausgleich der Religionen ist für ihn ein entscheidender Beitrag für die Entwicklung des Landes.
Mehr als zwölf Jahre lang unterstützt Brot für die Welt schon das von CEOSS eingerichtete Forum für interkulturellen Dialog (FID). Auf den jährlich fast 50 Seminaren und Workshops kommen Christen und Muslime, Frauen und Männer, Junge und ältere Menschen zusammen, um sich über die aktuellen politischen und sozialen Herausforderungen auszutauschen.
Es geht dabei vor allem auch darum, gemeinsam Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Es ist eine der seltenen Möglichkeiten, bei denen Sheiks, Priester, Künstler oder Intellektuelle an einem neutralen Ort zusammen kommen können. Seit 2013 unterstützt Brot für die Welt auch einen Kleinprojektefonds, über den kleinere Initiativen und Gruppen gefördert werden, die sich für Demokratie, Menschenrechte und friedliches Miteinander einsetzen.
Ebenso setze sich CEOSS für die demokratische Entwicklung und die Menschenrechte ein, betont Zaki. Das sei nicht einfach in einem Land, „das einen Prozess der Veränderung durchläuft“. Er betont: „Wir wollen eine bessere Zukunft, aber es scheint, dass wir dafür Hilfe brauchen“.
Wegen der hohen Analphabetenquote, die bei Frauen deutlich höher ausfällt, ist Zaki besorgt. Deshalb bietet CEOSS Alphabetisierungs- und Ausbildungskurse an. So können Frauen als selbstständige Näherinnen Geld verdienen. Die Organisation arbeitet an Schulen mit Lehrerinnen und Lehrern sowie mit Eltern zusammen, damit Kinder nicht aus wirtschaftlichen Gründen oder wegen früher Heirat die Schule vorzeitig verlassen und so keine Zukunftsperspektiven mehr haben. Gerade Frauen spielen im sozialen und wirtschaftlichen Leben bisher oft nur eine untergeordnete Rolle. Durch Berufsausbildungen werden Jugendliche fit für den Arbeitsmarkt gemacht. Das ist schwierig bei einer Jugendarbeitslosigkeit, die bei rund 30 Prozent liegen soll.
Da die meisten Menschen in der Landwirtschaft arbeiten, kommt diesem Sektor besondere Aufmerksamkeit zu. CEOSS unterstützt Kleinbauern dabei, ihre Produktivität zu steigern, Kosten zu senken und das Land im Einklang mit der Natur zu bewirtschaften. Damit die Bauern ihre Erzeugnisse besser vermarkten und absetzen können, werden Kooperativen gefördert.
Ansprechpartner: Lutz Wollziefer
Kontakt: asien@brot-fuer-die-welt.de