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Ein Ende von Aids kommt nicht von allein

Weltaidstag 2017: Wo stehen wir im Hinblick auf ein Ende von Aids? Das Aktionsbündnis zieht Bilanz und begeht sein 15-jähriges Bestehen.

Von Ehemalige Mitarbeitende am

30 Jahre nachdem das erste HIV-Medikament (AZT) auf den Markt kam, sind über 20 Millionen Menschen weltweit in Behandlung - ein Erfolg, der noch vor 10 Jahren unvorstellbar gewesen wäre. Die Zielvorgaben für ein Ende von Aids sind dennoch nicht leicht zu erreichen. Das Aktionsbündnis gegen AIDS zog im Rahmen einer Fachkonferenz gestern Bilanz.

Lebenslange Behandlung für alle

Laut neustem UNAIDS Bericht (Nov. 2017) wissen 70% aller Menschen, die mit HIV leben, von ihrem HIV-Status, 53% sind in Behandlung und 44% sind unterhalb der Viruslastnachweisgrenze, das heißt, dass sie in effektiver Behandlung sind. Das sind große Fortschritte, aber es muss noch viel passieren, bis alle die lebensrettende Behandlung erhalten. Besonders in Osteuropa und in West- und Zentralafrika ist der Zugang zu Behandlung schlecht.

Es profitieren auch noch nicht alle gleichermaßen von der HIV-Therapie. Bei der Behandlung sind es vor allem Männer und Kinder und Jugendliche, die bisher nicht ausreichend durch Testen und Behandlung erreicht werden. In Sub-Sahara Afrika liegt der Zugang von Männern zur Behandlung 18% unter dem der Frauen und ihr Risiko an Aids zu sterben ist 8% höher. (UNAIDS 2017)

Aufgrund der starken Infektionsgefahr von Frauen haben sich viele Regierungen und Organisationen in Afrika fast ausschließlich auf Frauen fokussiert, wenn es um HIV ging. Die Männer blieben weitgehend außen vor. Sie wurden von Test- und Behandlungsmaßnahmen kaum erreicht. Wir benötigen jedoch Maßnahmen, die sich an Frauen und Männer richten. Projektansätze, bei denen mit Männern zu ihrem Rollenverständnis gearbeitet wird, haben hier schon Bewusstseins -und Verhaltensänderungen erzielt. Einzelne Gesundheitseinrichtungen haben ihre Öffnungszeiten geändert und auch männliches Gesundheitspersonal eingestellt, um auch Männer mit den Test- und Behandlungsangeboten zu erreichen – aber dies sind bisher noch Einzelfälle.

Für Kinder gibt es seit 2016 ein Super Fast Track Programm, da sie, bei einer HIV-Infektion ohne Behandlung einem hohen Risiko ausgesetzt sind, in den ersten beiden Lebensjahren zu versterben. Ziel ist es, bis 2018 1,6 Millionen Kinder in Behandlung zu bekommen. 2016 waren es etwas über 900 000. Durch frühere HIV-Tests (kurz nach der Geburt) und sofortige Behandlung müssen hier Anstrengungen verdoppelt werden. Aus Simbabwe wurde auf der Konferenz berichtet, dass es oft Wochen dauere, bis das Ergebnis eines Viruslast-Tests  aus der Hauptstadt zurückgemeldet wird. Bei Kindern kann dies eine Frage von Leben und Tod sein.

Nur 50% der Jugendlichen, die mit HIV leben, kennen ihren Status und auch beim Zugang zu Behandlung hinken sie hinter den Erwachsenen her. Es müssen mehr jugendfreundliche Gesundheitsdienste eingerichtet werden und Informationen sollten nicht nur geeignete evidenzbasierte Präventionsmethoden sondern auch fundierte Informationen zu Behandlung mit einschließen.

Für sogenannte Schlüsselgruppen wie Sexarbeitende, Drogennutzende und Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben, ist der Zugang oft sehr schwierig. Wir hörten bei der Konferenz von Betroffenen über die Situation in Russland und Ägypten, wo MSM und Drogennutzende oft wenig Vertrauen zu Ärzten haben, da diese oftmals mit der Polizei zusammenarbeiten. Statt von den Ärzten behandelt zu werden, erfolgt nach dem Arztbesuch oft die Verhaftung. Bei Verdacht auf MSM werden in Ländern wie Ägypten Analuntersuchungen vorgenommen – da wundert es nicht, dass Menschen sowohl ihren HIV-Status wie auch ihre sexuelle Orientierung lieber für sich behalten.

Stigma und Selbststigma wurde in vielen Ländern (Deutschland inklusive) als großes Hindernis benannt, um von HIV-Programmen und Gesundheitsdienstleistungen zu profitieren. Auch wenn Kirchen anfangs sehr stigmatisierend gegenüber Menschen, die mit HIV leben, waren, so hat sich hier in den letzten Jahrzehnten Einiges getan – allerdings tun sich viele religiöse Gemeinschaften weltweit schwer, alle Menschen, egal welcher sexueller Orientierung, willkommen zu heißen. Dies ist jedoch nicht nur ein Problem religiöser Gemeinschaften  - selbst in den Gesundheitsministerien einiger Länder wird Homosexualität als Import des Westens gesehen und 76 Länder kriminalisieren weiterhin gleichgeschlechtliche Beziehungen; in Russland sind ‚Gesetze gegen die homosexuelle Propaganda‘ verbreitet – Rahmenbedingungen, die es MSM sehr schwer machen, sich zu informieren und Test- und Behandlungsangebote wahrzunehmen.

Medikamentenpreise sind und bleiben ein Thema. Bisher sind ca. 95% aller Menschen, die mit HIV leben und behandelt werden, auf der ersten Therapielinie. Die zweite Therapielinie kostet im Durchschnitt das Dreifache, die 3. Therapielinie das 18-fache, wobei viele Länder vor allem Osteuropas schon für die erste Therapielinie Tausende von Dollar pro Person und Jahr ausgeben müssen. Das hängt damit zusammen, dass in vielen dieser Länder Patentschutz auf die Medikamente besteht und sie somit keine Generika einsetzen können. Der Medicines Patent Pool, der durch seine Lizenzen von Originalherstellern dafür sorgt, dass benötigte Präparate im HIV-, Hepatitis C- und im TB-Bereich  in geeigneter Form generisch zur Verfügung stehen, hat es oft schwer, Länder Osteuropas mit in die Lizenzen aufzunehmen, da viele Originalhersteller in Ländern wie Russland Profite machen möchten und daher wichtige Länder aus den Lizenzen ausschließen.  Viele Länder bieten bisher aufgrund der hohen Kosten die 2. und 3. Therapielinie nur sehr eingeschränkt an. Man geht davon aus, dass bis 2020 13,5% der Menschen, die momentan die HIV-Therapie erhalten, auf der 2. Therapielinie sein sollten – davon sind wir momentan noch weit entfernt.

Aber es geht auch darum, dass nicht nur die Medikamente im HIV-Bereich, sondern auch für die Ko-infektionen kostenlos sind und ausreichend zur Verfügung stehen, so dass Menschen optimal behandelt werden können. Podiumsteilnehmende aus Simbabwe und Russland wiesen darauf hin, dass die Medikamente oft nicht verfügbar oder zu teuer sind.

Alleine mit Behandlung werden wir es nicht schaffen

 Im Jahr 2016 infizierten sich weltweit 1,8 Millionen Menschen mit HIV. Bis 2030 müssen sich die Neuinfektionen auf 200 000 reduzieren, um ein Ende von Aids zu erreichen. Allein mit Behandlung wird bei knapp 2 Mio. Neuinfektionen pro Jahr  kaum ein Ende von Aids zu erreichen sein. Eine effektive Prävention muss Hand-in-Hand gehen mit der Ausweitung der Behandlung.

Vor allem Frauen haben ein hohes Infektionsrisiko aufgrund biologischer Faktoren aber auch aufgrund gesellschaftlicher Faktoren, da sie sich in vielen Gesellschaften kaum selbst schützen können und auch oft sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Frau Heidemarie Wiesczorek-Zeul, die den Hauptvortrag hielt, verwies in diesem Zusammenhang auch auf ihre Unterstützung der International Partnership for Microbicides, um Frauen selbst zu steuernde und einsetzbare Präventionsmethoden an die Hand zu geben, die nicht der Zustimmung des Partners benötigen.

Money, money, money

Ohne ausreichende Finanzierung werden wir ebenfalls kein Ende von Aids erreichen. 60% der internationalen Finanzierung für Gesundheit und 75% der internationalen Finanzierung von geeigneten HIV-Maßnahmen kommen von den USA und dem Vereinigten Königreich. Wenn diese zentralen Länder beschließen, ihre Beiträge zu senken, sieht es um die weltweite Gesundheit und um ein Ende von Aids schlecht aus. Deshalb ist es wichtig, dass Deutschland weiterhin und mit steigenden Mitteln den Globalen Fonds unterstützt. Dass der Fonds auch möglichst Länder mittleren Einkommens mit einschließen sollte, die eine hohe Krankheitslast aufweisen, war weitgehend unstrittig wie auch dass die Länder selbst auch einen adäquaten Beitrag für Gesundheit und HIV aufbringen müssen. Auch dass der Fonds Maßnahmen über HIV, TB und Malaria hinaus unterstützen sollte, die zur Stärkung der Gesundheitssysteme beitragen, war allgemeiner Konsens. Das bedeutet jedoch, dass der Globale Fonds mehr Mittel benötigt als ihm momentan zur Verfügung stehen und deshalb auch die Beiträge von Ländern wie Deutschland gesteigert werden müssen. Das Aktionsbündnis hat sich jedoch nicht nur für die Finanzierung des Globalen Fonds stark gemacht, sondern sich auch in viele inhaltliche Debatten wie den Umgang mit Ländern mittleren Einkommens eingebracht.

Fazit

Ein Ende von Aids bis 2030 ist möglich - aber nur, wenn alle Gruppen von Prävention-, Test- und Behandlungsangeboten profitieren können, die Preise für alle Therapielinien auf 100$ pro Person und Jahr fallen, Diagnostika vor Ort zur Verfügung stehen und Gesundheitssysteme so ausgestattet sind, dass sie nicht stigmatisieren und ihre Dienste so anbieten, dass alle - Frauen, Männer, Jugendliche, Kinder, Schlüsselgruppen – davon Gebrauch  machen können . Ziel muss es sein, inklusiver zu arbeiten, als das bisher der Fall war und dafür zu sorgen, dass HIV zusammen mit anderen Infektionen und Krankheiten behandelt wird, aber auch dass die Sichtbarkeit von HIV erhalten bleibt – ein Ende von Aids wird nur mit großen internationalen Anstrengungen zu erreichen sein.

Das Aktionsbündnis, das gestern auch sein 15-jähriges Bestehen feierte, hat bei vielen Prozessen wie der Einrichtung des Patentpools und Lizenzierung von HIV-Medikamenten an den Patentpool, der Erhöhung des deutschen Beitrags für den Globalen Fonds, geeignete Maßnahmen im HIV-Bereich in Gesundheits- und HIV-Policies der Bundesregierung und in UN-Deklarationen, durch seine Schattenberichte, durch das Einbringen des HIV-Themas und der Finanzierung des Globalen Fonds in G7 Abschlusskommuniqués eine wichtige Rolle gespielt. Die kritische Begleitung und die Advocacyarbeit werden auch in den nächsten Jahren wichtig bleiben. Auf weitere Geburtstage bis ein Ende von Aids erreicht ist!

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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