Wirtschaftswachstum und Entwicklung für Afrika ist ein Schwerpunkt der deutschen G20-Präsidentschaft. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat ein weiteres Afrikakonzept vorgelegt, um Afrikas durch inklusives und nachhaltiges Wachstum zu stärken. Der „Marshall-Plan mit Afrika“ soll die entwicklungspolitischen Beziehungen zwischen Deutschland und Afrika neu ordnen. Die Bundesregierung hofft, dass die Zukunft Afrikas beim Gipfeltreffen im Juli ein zentrales Thema werden wird. Dazu hat das Bundesfinanzministerium bereits den „Compact with Africa“ vorgeschlagen - eine internationale Initiative, mit der durch die Förderung ausländischer Privatinvestitionen die Infrastruktur und die Beschäftigungslage in Afrika verbessert werden soll.
„Jede Agenda zur Förderung der Entwicklung Afrikas sollte von Menschen und Organisation unseres Kontinents ausgehen und nicht von außen aufgedrückt werden“, ist der erste Gedanke, der Fanwell Kenala Bokosi angesichts der G20-Afrikapolitik durch den Kopf geht. Er ist Direktor von Afrodad, einer Organisation in Zimbabwe, die sich für Entschuldung und gerechte Entwicklung in den Ländern Afrikas einsetzt.
Trotz dieses Vorbehalts glaubt Kenala Bokosi, dass die Initiativen neuen Schwung in die entwicklungspolitische Debatte bringen kann. Bestehende Widerstände gegen die G20-Vorschläge könnten ausgeräumt werden, sofern sie mit bereits bestehenden Initiativen der Afrikanischen Union wie der Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD) oder dem African Peer Review Mechanism (APRM) in Einklang gebracht würden. „Der Marshall-Plan und der Compact with Africa werden neue Stützen für die Entwicklung des Kontinents sein, deren Richtlinien derzeit die von der Afrikanischen Union ausgerufene Agenda 2063 und die von der UN beschlossenen Nachhaltigkeitsziele sind“, sagt der Ökonom voraus.
Fanwell Kenala Bokosi begrüßt, dass der Marshall-Plan anerkennt, dass die Realität Afrika ausgesprochen vielfältig ist und es niemals nur eine Lösung, nur eine Strategie geben kann. Doch er ist überzeugt, dass die Menschen in Afrika genau wissen, warum es notwendig ist, dass die Entwicklungsstrategien für den Kontinent und die politischen Instrumente zu ihrer Umsetzung nicht von außen kommen. „Deswegen sollte das Verhältnis zwischen der G20 und den afrikanischen Staaten grundsätzlich durch die Agenda 2063 und die Agenda der Nachhaltigkeitsziele definiert werden“, fordert Fanwell. In Bezug auf die Umsetzung des von Deutschland entwickelten Marshall-Plans geht der Wirtschaftswissenschaftler noch einen Schritt weiter. Alle Maßnahmen dieses Instruments sollten von einer Kommission der Afrikanischen Union mitgestaltet werden und sich an den Vorgaben der Agenda 2063 orientieren. „Die einzelnen Schritte des Marshall-Plans sollten nur auf Anfrage der betroffenen afrikanischen Staaten umgesetzt, nicht aber von außen übergestülpt werden“, sagt Fanwell.
Afrodad versteht sich als regionale Plattform von zivilgesellschaftlichen Organisationen zur Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas. Schwerpunkt des 1996 gegründeten Zusammenschlusses ist die Frage der Auslandsverschuldung, ihre negativen Auswirkungen und die Debatte über Entschuldung. Nach Ansicht von Afrodad ist effektive Armutsbekämpfung und auch der Schutz von Menschenrechten nur realisierbar, wenn die Schulden der afrikanischen Staaten drastisch reduziert werden. Die Organisation, die von Brot für die Welt gefördert wird, tritt für ein gleichberechtigtes Verhältnis zwischen reichen und armen Staaten ein. In diesem Sinne stellt sie die Interessen der Bevölkerung auf dem afrikanischen Kontinent eindeutig über die Profitinteressen von Unternehmen und den Dogmen internationaler Finanzorganisationen.
„Afrodad nimmt unermüdlich Einfluss auf afrikanische Länder und auf die Geberstaaten, damit die vereinbarten entwicklungspolitischen Maßnahmen sowohl gerecht wie auch effektiv sind“, beteuert Fanwell Kenala Bokosi. In diesem Zusammenhang lobt er die deutsche G20-Präsidentschaft für ihren Einsatz, die Entwicklungszusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent auszubauen. Auch vom deutschen Marshall-Plan erwartet der Ökonom positive Auswirkungen, obwohl diese Initiative laut Fanwell in erster Linie eine politische Antwort auf die Zunahme afrikanischer Migration Richtung Norden war.
So wie Afrodad fordert auch Brot für die Welt faire und nachhaltige Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Afrika. In diesem Kontext begrüßt Francisco Mari, Referent für Ernährungssicherheit bei Brot für die Welt, dass der Marshallplan ein Ende unfairer Dumpingexporte der EU Richtung Afrika und mehr Schutzinstrumente für die dortige Wirtschaft fordert. Dennoch müsse der Handelsrahmen zwischen beiden Kontinenten dringend verändert werden: „Es besteht die Gefahr, dass deutsche Exporte weiter die afrikanische Landwirtschaft schädigen. Schon heute bedrohen billige EU-Agrarexporte beispielsweise in der Milch- und Fleischwirtschaft die Existenzgrundlage von Kleinbauern und verhindern die Schaffung von Arbeitsplätzen bei der Verarbeitung lokaler Rohstoffe“, mahnt Agrarexperte Mari. Statt Freihandel brauche Afrika leicht anwendbare Schutzmechanismen vor unfairen Exporten. Nur so könne erreicht werden, dass Handel auch zum Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele beiträgt, erklärt Mari.