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EU-Mitglieder intensivieren Militärkooperation

Im Juli 2017 riefen Deutschland und Frankreich die EU-Mitgliedstaaten zu einer intensiveren militärischen Zusammenarbeit auf. 23 Staaten haben sich nun zur „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ verpflichtet. Der EKD-Friedensbeauftragte warnt vor schleichender Militarisierung der EU.

Von Dr. Martina Fischer am

Im Sommer 2017 hatten die deutsche und die französische Regierung sehr konkrete Pläne für eine Intensivierung der militärischen Zusammenarbeit und Streitkräfteplanung vorgelegt. Sie argumentierten, die EU solle in der Verteidigungspolitik „strategische Autonomie“ anstreben. Sie präsentierten einen Vorschlag zur „ständigen strukturierten Zusammenarbeit“ in Ergänzung zur NATO,  der sich auf Beratungen des deutsch-französischen Verteidigungsrates gründete und auch vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Demzufolge sollen die Mitgliedstaaten gemäß der NATO-Forderung ihre Rüstungsetats an 2% ihrer Wirtschaftsleistung annähern und sich einer jährlichen Prüfung ihrer Streitkräfteplanung durch die Europäische Verteidigungsagentur unterziehen. Zudem sollen sie Einheiten für gemeinsame Missionen bereithalten und schnellere politische Entscheidungen über die Verlegung von Truppen ermöglichen. Die Hohe Beauftragte der EU, Federica Mogherini, wurde gebeten, die Pläne zu konkretisieren, damit die Mitgliedstaaten anschließend über ihre Beteiligung entscheiden.

23 EU-Staaten vereinbaren „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (PESCO)

Nun haben die Ministerinnen und Minister von 23 EU-Mitgliedstaaten am 13. November 2017 eine „gemeinsame Mitteilung“ über die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (PESCO) in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik unterzeichnet und sie an die Hohe Vertreterin und den Rat übergeben. Österreich, Belgien, Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien, Zypern, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Polen, Rumänien, Slowenien, die Slowakei, Spanien und Schweden sind mit von der Partie. Die Möglichkeit der „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ wurde durch den Vertrag von Lissabon eröffnet. Die „gemeinsame Mitteilung“ bildet den ersten formellen Schritt dazu. Sie legt die Grundsätze der PESCO dar, weist darauf hin, dass es sich um einen verbindlichen europäischen Rechtsrahmen für Investitionen im Bereich der Sicherheit und Verteidigung handelt, umreißt die  gemeinsamen Verpflichtungen (u.a. zur regelmäßigen realen Aufstockung der Verteidigungshaushalte) und enthält Vorschläge für die Steuerung der Kooperation. Der Rat muss nun mit qualifizierter Mehrheit einen Beschluss über die Begründung der PESCO fassen, was am 11. Dezember 2017 erwartet wird. Anschließend sollen Listen mit gemeinsam durchzuführenden Projekten erstellt werden.

Die Hohe Repräsentantin und Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, kommentierte  den Zusammenschluss der EU-Staaten im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik als „historische Errungenschaft“. Damit sei der „Traum der Gründungsväter und –mütter aus den 1950er Jahren in Erfüllung gegangen“. Sie betrachte diese Entwicklung „with honour and a little bit of emotion“: „It is an example of how the European Union will serve Member States‘ priorities, can be efficient and how our integration is serving the citizens priorities (…)“. Nie zuvor habe die EU eine so starke Kooperation entwickelt und nie sei der Schulterschluss mit der NATO enger gewesen.

Tajani fordert Verdoppelung des EU-Haushalts

Ebenfalls am 13. November 2017 platzierte EU-Parlamentspräsident Tajani die Forderung nach einer massiven Erhöhung des EU-Haushalts in den Medien. Er fordert eine Verdoppelung des Gemeinschaftshaushalts von jetzt 140 Milliarden Euro auf 280 Milliarden Euro und begründet diesen Vorstoß mit den Kosten für die Bewältigung der Flüchtlingskrise und den Antiterrorkampf. Außerdem gebe es einen erhöhten Bedarf an Investitionen. Um das alles zu finanzieren solle die EU neue Steuern einführen (z.B. Finanztransaktionssteuern auf Börsengeschäfte). Die zentralen Aufgaben im nächsten EU-Haushalt ab 2021 seien die „Kontrolle der Einwanderung“, der „Kampf gegen den Terror“, „Maßnahmen zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums in Europa“ und die „Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich“. Auch Mogherini wies in ihrem Kommentar auf finanziellen Mehrbedarf hin. Insbesondere das Budget für die „Strategic Communication Task Forces“ müsse aufgestockt werden, vor allem mit Blick auf den westlichen Balkan und die arabische Welt.

Nicht nur die nationalen Budgets, sondern auch der EU-Gemeinschaftshaushalt sollen also massiv für sicherheitspolitische Ziele und Ausrüstungsmaßnahmen in Anspruch genommen werden. Die europäischen Rüstungsunternehmen können mit enormen Auftragssteigerungen rechnen. Es wäre zu wünschen, dass die Kapazitäten der EU für zivile Ansätze der Krisenprävention, Konflikttransformation und Friedenskonsolidierung mit annähernd gleicher Intensität betrieben werden, wie die Militärkooperation, die einerseits mit der Steigerung der „Kompatibilität“ der Streitkräfte und einer Verbilligung der Ausrüstung begründet wird, andererseits aber offenbar mit gigantischen Haushaltssteigerungen für Rüstungsanstrengungen einhergehen wird. Entwicklungspolitische Strategien und zivile Konzepte stehen ganz erheblich hinter der rasanten militärischen Dynamik zurück. Auch zentrale entwicklungspolitische Dokumente und Konzepte wie der neue European Consensus on Development der EU oder der Marshallplan mit Afrika, der vom deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erstellt wurde, messen inzwischen sogenannten „Sicherheitspartnerschaften“ und der „Ertüchtigung“ von Polizeiapparaten und Armeen in Drittstaaten zunehmende Bedeutung bei. 

 

EKD-Friedensbeauftragter kritisiert Militarisierung der EU

Der Friedensbeauftragte des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, kommentierte die Vereinbarungen zur verstärkten Kooperation der EU-Staaten im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik mit Besorgnis. Statt militärische Investitionen und den Aufbau von entsprechenden Kapazitäten in der EU zu bündeln, wie es mit PESCO geplant sei, solle die EU zivilen Ansätzen der Konfliktbearbeitung den klaren Vorrang einräumen und sich um Vorbeugung von  Gewalteskalation und Beseitigung von Konfliktursachen bemühen. Die aktuelle Entwicklung deute auf eine „schleichende Militarisierung“ der Union: „Die militärische Verwendung von EU-Entwicklungshilfemitteln, die Pläne für einen EU-Rüstungsfonds, die Vorschläge für eine finanzielle Unterstützung der europäischen Rüstungsindustrie, die Forderungen nach einer EU-Armee sowie die Überlegungen für einen EU-Verteidigungshaushalt, und nun die permanente Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik, das läuft auf eine deutliche Veränderung der EU hinaus“, warnt der Friedensbeauftragte. Er empfinde diese Entwicklung als sehr bedenklich, vor allem, weil dies alles geschehe, ohne dass diese Fragen öffentlich diskutiert würden. Dabei sei die EU doch eigentlich als Friedensmacht und Vorbild für andere Staaten oder Staatenorganisationen angetreten, meint Brahms: „Die EU hat sich dadurch ausgezeichnet, dass sie gerade nicht auf militärische Stärke, sondern auf zivile Mittel, eine zivile Konfliktverhütung und eine Friedens­konsolidierung durch die Unterstützung von Mediation, Dialog, Versöhnungsarbeit, zivilgesellschaftlicher Initiativen und die Stabilisierung demokratischer Staatsorgane sowie die Stärkung rechtsstaatlicher Ansätze in der Terror-Bekämpfung gesetzt hat. Es wäre besser, die EU würde diese zivilen Instrumente weiter ausbauen und nicht den Aufbau einer militärischen Komponente forcieren.“

 

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