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Faire Handelsbeziehungen statt EPAs und Compacts

Im Vorfeld der Afrikakonferenz der Bundesregierung zur G-20-Initiative „Compact mit Afrika“ in Berlin hatten Attac, Brot für die Welt, Germanwatch, MISEREOR und KASA HandelsexpertInnen aus afrikanischen und europäischen Ländern zu einer Alternativkonferenz eingeladen.

Von Francisco Marí am

Im Vorfeld der Afrikakonferenz der Bundesregierung zur G-20-Initiative „Compact mit Afrika“ in Berlin hatten Attac, Brot für die Welt, Germanwatch, MISEREOR und KASA HandelsexpertInnen aus afrikanischen und europäischen Ländern zu einer Alternativkonferenz "Die Chance ergreifen. EU-Afrika-Handelsbeziehungen neu gestalten" ebenfalls nach Berlin eingeladen. Die Ergebnisse und Diskussionen zeigen Gefahren für die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas auf, die beim Schaulaufen der afrikanischen Regierungschefs für deutsche Investoren auf der Afrikakonferenz der Gruppe der 20 (G 20) kaum Erwähnung finden.

Die Einladung zur Alternativkonferenz war mit mehr als 150 Teilnehmenden zum Schwerpunkt der EU-Afrika-Handelsbeziehungen nach dem Scheitern der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) auf große Resonanz gestoßen. Dies zeigt, dass nicht alle an die Versprechen der Bundesregierung glauben, dass es nun gerade die deutschen Konzerne schaffen werden, die afrikanischen Armutsverhältnisse zu verbessern. Dabei wurden die 15 Jahre andauernden erfolglosen EPA-Verhandlungen als Mahnung gesehen, mit der Compact-Initiative nicht wieder an den afrikanischen Zivilgesellschaften vorbei ein Programm zu starten, das die Türen für globale Investoren mit öffentlichen Mitteln öffnet, ohne den Konzernen jedoch Mindeststandards an Menschen- und Umweltrechten verbindlich vorzuschreiben.

Fast einmütig war man sich auf der alternativen Konferenz zur Neugestaltung der EU-Afrika-Handelsbeziehungen einig, dass Auslandsinvestitionen nur dann eine soziale und wirtschaftliche Entwicklung Afrikas fördern werden, wenn sie darauf ausgerichtet sind, Binnenmärkte und den regionalen Handel zu stärken. Allenfalls können noch Exportmärkte bedient werden, wenn Endprodukte mit hoher Wertschöpfung in Afrika ausgeführt werden.

Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) schaden Investitionen und Entwicklung

Dabei betonte die Mehrheit der afrikanischen ExpertInnen, dass solche Ziele verfehlt werden, wenn die ausgehandelten EPAs in Afrika Realität werden sollten. Besonders die Verpflichtungen zum Abbau fast aller Industriezölle und die Erschwernis, Exportzölle zu erheben, damit Investoren im Lande Rohstoffe weiter verarbeiten, wird Investoren abschrecken, für Afrikas Märkte zu produzieren. Eine Studie des South Centre in Genf und Brot für die Welt stellt hierzu fest, dass schon heute bei vielen Industrieprodukten Europa billiger produziert.

Wenn Afrika keine Schutzzölle für neue Produkte aus kleinindustrieller Produktion erheben kann, in welchen Sektoren sollen dann deutsche Firmen investieren?

Besonders in der Verarbeitung von Agrarprodukten und bei Konsumgütern könnten in Afrika viele Arbeitsplätze geschaffen, regionale Märkte und Nachfrage bedient werden. Käse, Säfte, Speiseöle, Fisch-, Tomaten-, Fleischkonserven, aber auch Produkte mit einfachen Technologien wie Kühlschränke, Haushaltswaren etc. könnten in Afrika hergestellt werden – anstatt aus der EU oder China importiert zu werden.

Warum nicht auch wieder Textilien und Bekleidung oder aus Halbfertigteilen gebaute Mopeds und Maschinen in Afrika produzieren?

Dies alles bedarf aber einer klugen und flexiblen Handels-, Agrar- und Industriepolitik. Entscheidungen müssen afrikanische Regierungen, Unternehmen und Gewerkschaften selber treffen können.

Die EPAs sprechen aber eine andere Sprache. Die Exportmöglichkeiten nach Europa werden zwar nicht angetastet, aber kluge Entscheidungen für einen Importschutz zugunsten von Kleinindustrien wären in Zukunft von der zustimmenden Gnade der EU abhängig. Zwar hat die EU bisher nur in wenigen Agrarsektoren wirklich offensive Interessen (Weizen, Fleisch, Milch), aber die wachsenden Mittelschichten machen Afrika auch für andere Waren, die in der EU produziert werden, immer interessanter.

Warum sollte die EU in Afrika produzieren lassen?

Darauf machte auf der Afrikakonferenz der G20 nur Bundesentwicklungsminister Gerd Müller aufmerksam, indem er faire Handelsbeziehungen anmahnte, die Afrika mehr Wertschöpfung mit ihren eigenen Rohstoffen ermöglichen. Da weder er noch sonst jemand einen Schlussstrich unter das entwicklungsschädliche Kapitel Wirtschaftspartnerschaftsabkommen setzen möchte, werden die Compacts aber nur Investoren anlocken, die an den Rohstoffen Afrikas interessiert sind und eben nicht an der Wertschöpfung in Afrika.

Nigeria lehnt EPAs kategorisch ab!  Positivbeispiel für Investoren?

 

Vielleicht wird Nigeria, das die EPAs gerade wegen des Zwangs zur Marktöffnung für Industrieprodukte kategorisch ablehnt, zum Modellfall für Afrika und Investoren. Schon heute machen es im Agrarbereich holländische Fleischunternehmen vor. Weil die Geflügelteile, die von europäischen Fleischkonzernen hergestellt werden, nicht nach Nigeria eingeführt werden dürfen, investieren die Konzerne in Nigeria in den Ausbau einer modernen Geflügelmast und in Schlachthöfe. Leider in eine Massentierhaltung, die auch bei uns Umwelt- und Tierrechte verletzt.

Dennoch, nur wer nicht unfair wegkonkurriert wird, investiert auch, erst Recht einheimische Investoren.

Darauf machten auch auf der Alternativkonferenz viele RednerInnen aufmerksam.

 

Ghana und Cote d'Ivoire:  Compactländer mit EPA-Hemmschuhen

 

 Es ist schon verwunderlich, dass Entwicklungsminister Müller, neben Tunesien, für Deutschland vor allem Compacts mit Ghana und Cote d’Ivoire fördern möchte. Diese beiden westafrikanischen Staaten sind genau diejenigen, denen die Europäische Kommission Übergangs-EPAs aufgezwungen hat - mit Handelsrestriktionen, die die schärfsten aller EPAs sind. Ghana und Cote d’Ivoire werden von der EU zur Abschaffung von bilateralen Zöllen gezwungen, die ihre Nachbarstaaten in der gemeinsamen westafrikanischen Zollunion aber noch erheben dürfen. Eine unsichere und konfliktbehaftete Situation für diese beiden Länder – und dorthin möchte Minister Müller deutsche Investoren locken?

Da sollte er schleunigst seine Federführung in Sachen EPAs im Bundeskabinett noch vor den Bundestagswahlen nutzen, um bei der EU für ein Einfrieren der Umsetzung dieser EPAs zu werben. Damit würde vielleicht erst einmal das Schlimmste für Westafrika verhindert werden. (siehe Blogbeitrag)

Auch der senegalesische Wissenschaftler Ndongo Sylla stellte auf der Konferenz fest, dass die im Rahmen von "Marschallplan" und „Compact with Africa“ angestrebten Investitionen in teure Infrastrukturen nicht nur die Gefahr mit sich bringen, eine neue Verschuldungsspirale auszulösen. Sie werden auch nicht in der Lage sein, Arbeitsplätze und Wertschöpfungsketten in den afrikanischen Ländern zu schaffen. Es bräuchte vor allem einheimische Investitionen in Kleinindustrien und Kleinbetriebe, damit sie nachhaltig sind.  

 

EU bricht Versprechen für EPA Alternativen und regionaler Intergation

 

Kenneth Ukaoha, Vorsitzender der Nigerianischen Händlervereinigung (NANTs), beschrieb in Berlin, dass die EU diese Unterstützung nicht geleistet habe, aber von seinem Land verlange, das EPA-Abkommen schleunigst zu unterzeichnen. Er beschwerte sich, dass den Mitteleinkommensländern, denen die EU immer wieder droht(e), den zollfreien Zugang für ihre Produkte zu nehmen, zu keinem Zeitpunkt eine Alternative zu den EPAs angeboten worden war.

Cheikh Tidiane  Dieye von der Nichtregierungsorganisation CACID/ ENDA in Dakar war Unterhändler für die Zivilgesellschaft bei den EPA-Verhandlungen mit der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. Er erklärte in Berlin, dass die wenigen Länder wie Kamerun, Namibia, Simbabwe, Kenia, Ghana u.a., die ein Wirtschaftsabkommen notgedrungen deswegen unterzeichnet haben, alle ein alternatives Handelspräferenzsystem hätten wählen können. Sie hätten dann weiterhin zollfrei exportieren können und wären nicht dazu gezwungen, ihre Märkte zu öffnen. Somit wären sie gleichgestellt geblieben mit den fast 40 anderen afrikanischen Staaten, die mit oder ohne EPAs als Niedrigeinkommensländer (LDCs) ohnehin zollfreien Zugang in die EU haben.

Die EU habe somit ihr Versprechen vom Beginn der Verhandlungen, so Cheikh Tidiane, gebrochen, dass kein Land durch die EPAs schlechter  dastehen dürfe als zur Zeit vor dem Cotonou Abkommen im Jahre 2000.

Kenneth Ukaoha ergänzte: „Die drei in der Präambel formulierten Ziele der EPAs - Regionalintegration, Wirtschaftswachstum und Armutsbekämpfung - sucht man vergeblich in den verbindlichen Textteilen der EPAs. Was aber verbindlich zementiert wird, ist die Kontrolle afrikanischer Märkte und Ressourcen durch europäische Konzerne. Dies steht im Widerspruch zu den Zielen, die wir uns in Nigeria selbst gesetzt haben. Wir wollen unser Land transformieren und dessen Ökonomie diversifizieren und selbst kontrollieren. Aus diesem Grund lehnen wir die EPAs ab.“

 

StoppEPA - Widerstand geht weiter!

Cheick Tidiane erklärte auch, warum der Widerstand der afrikanischen Zivilgesellschaft nach wie vor groß ist: „Unser Widerstand zu den EPAs war nie ideologischer Natur. Wir sind nicht gegen Handel per se noch sind wir gegen gute Beziehungen zwischen der EU und den afrikanischen EPA-Regionen. Eine minutiöse Analyse der Auswirkungen von Marktöffnung, Schutzmaßnahmen, Meistbegünstigungsklausel, Exportsteuern und weiterer Klauseln unter der Berücksichtigung neuer Dynamiken in der Welt, u.a. Brexit, kontinentale Freihandelszone (CFTA) und der Einfluss neuer Handelspartner, wie der VR China, Indien oder Brasilien zwingen uns zu dem Schluss, dass wir weiterhin Widerstand gegen ein in Kraft tretendes Wirtschaftspartnerschaftsabkommens leisten müssen.“

Als Fazit der Konferenz "Die Chance ergreifen: EU-Afrika-Handelsbeziehungen neu gestalten" gilt festzuhalten:

 

Für die VertreterInnen der Zivilgesellchaft aus Europa und Afrika, die sich in Berlin (wieder) getroffen haben, hat das alte Motto der EPA-Kampagne nach wie vor Gültigkeit: StoppEPA. Dieses „Anhalten“ bezieht sich nun auf die Implementierung der bereits abgeschlossenen Übergangsabkommen, auf den Zwang, neue Verhandlungen rund um Dienstleistungen, Wettbewerbs-, Investitionsregeln zu beginnen, auf noch laufende EPA-Verhandlungen und auf die Unterzeichnung von regionalen Güterabkommen.

Für Cheick Tidiane wäre ein solches umfassendes EPA-Moratorium bis mindestens 2020 eine Atempause, bis klar wird, in welchem Bezugsrahmen nach Cotonou die EU-Afrika-Beziehungen weiterentwickelt werden.

Nur so kann das durch die EPA-Verhandlungen verursachte Chaos und der zu erwartenden Schaden verhindert werden. Ohne dieses Innehalten drohen alle Initiativen, die im Rahmen der deutschen G20-Präsidentschaft ergriffen werden, zu scheitern. Die trotz Wirtschaftswachstums noch sehr fragilen Ökonomien in Afrika werden durch die EPAs massiv gestört. Die Compacts würden wieder, wie so oft in den letzten Jahrzehnten, nur neue Verschuldung, Abhängigkeit, Konflikte und damit neue Armut schaffen, anstatt endlich eine selbstbestimmte wirtschaftliche Zukunft Afrikas einzuleiten.

 

Eine ausführliche Dokumentation der Beiträge und Diskussionen auf der Konferenz ist in Arbeit und wird nach der Sommerpause 2017 erscheinen.

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