Der stellvertretende Vorsitzende des EWDE, Ulrich Lilie, wirkte mit an der schlichten und bewegenden Lesung auf der Bühne. Sie bestand aus der faktischen Aufzählung, was allein seit Anfang des Jahres passierte. Der Part von Ulrich Lilie: die Ereignisse am 10. Mai 2017: „Es sind laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mehr als 200 Flüchtlinge auf dem Mittelmeer gestorben. Sie waren von Schleppern auf Schlauchboote gepfercht worden, die offenbar schadhaft waren und gesunken sind. Sieben Überlebende wurden von der libyschen Küstenwache aufgelesen. Sie berichteten, sie seien die einzigen Überlebenden aus einem Boot mit 170 Menschen an Bord. Weitere 60 Flüchtlinge sind vermutlich am Samstag beim Untergang eines zweiten Boots mit 120 Passagieren ertrunken. Elf Leichen wurden westlich der libyschen Hauptstadt Tripolis an den Strand gespült. Alle Leichen waren Frauen, auch ein nicht einmal einjähriges Mädchen war dabei.“
Scharfe Kritik an der Abschottungs- und Kriminalisierungspolitik
Die Schirmherrin, Gesine Schwan, rief dazu auf, aus der Flüchtlingskrise heraus eine Entwicklungsinitiative zu starten. Sie bezog sich auf Matthäus 25,40 „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Die Politik und unsere Demokratie müssten sich genau daran messen lassen.
Seawatch e.V. als zivile Seenotrettungsorganisation berichtete von der Brutalität an der europäischen Außengrenze und den Verstößen der libyschen Küstenwache gegenüber ihrer Organisation und vor allem gegenüber den Schutzsuchenden. Von der Bundesregierung wurde eine klare Position gegen die Rückführung von Flüchtlingen durch die libysche Küstenwache gefordert. Die Organisation „borderline europe“ analysierte und verurteilte die Kriminalisierungskampagne gegenüber den zivilen Seenotrettungsorganisationen durch die EU-Grenzschutzagentur Frontex und durch italienische Politiker. Das European Center for Constitutional and Human Rights, das von Brot für die Welt unterstützt wird, berichtete über seine Arbeit, rechtlich gegen die Abschiebepraktiken in der EU vorzugehen und Opfer von Push Backs bei der juristischen Aufarbeitung einzelner Aktionen zu unterstützen. Gerade sei eine Klage gegenüber der spanischen Regierung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig, bei der über die Politik der "Push-Back" gegenüber Flüchtlingen an der spanisch-marrokanischen Grenze verhandelt wird.
Schweigeminute lässt alles still stehen
Das Programm des Kirchentags wurde in ganz Berlin um 12.00 Uhr für eine Schweigeminute unterbrochen. Damit wurde den mehr als 10 000 Menschen gedacht , die in den vergangenen drei Jahren auf ihrer Flucht nach Europa ums Leben gekommen sind. Nach der Schweigeminute endete die Gedenkveranstaltung mit einem Gebet.
Einsichten und Gebete
"Wir beten für die Toten an Europas Grenzen. Lass all die Männer, Frauen und Kinder, die auf dem Weg in ein freies, besseres Leben ihr Leben verloren haben, Frieden finden in deinem Frieden. Lass uns nie vergessen, dass mit jedem Toten so viel verloren ging auch seine Hoffnung, ihre Begabung, seine Schönheit und ihr Glauben an ein gerechtes Leben dahin ist." (Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland)
„Gott, wir bitten dich für alle Helfenden, die sich auf den Weg machen, um das zu tun, was die Politik Europas verhindert. Die ihre Zeit, ihre Kraft, ihren Mut und viel Geld in die notwendige Hilfe stecken. Die die Würde Geflüchteter nicht aus den Augen verlieren auch wenn sie gestorben sind, und den Lebenden Schutz und Sicherheit auf den Fluchtwegen gewähren, die den Treibern der Schleuserbanden das Handwerk zu legen versuchen.“ (EWDE-Vorsitzender und Präsident der Diakonie Deutschland Ulrich Lilie)
"Aus Angst vor Verzicht und Veränderung, verschließen wir unsere Augen. Du siehst, wie es um uns steht!. Lass uns beherzt auf die gescheiterte Flüchtlingspolitik Europas schauen, Unrecht benennen und die Finger in die Wunden legen und nicht aufhören um Humanität und Menschrechte zu kämpfen." (Christel Neudeck)
"...Wir sehen, dass Waffenhandel und Unterstützung diktatorischer Regime Irrwege sind. Wir leben in unserer zerrissenen Welt: die Einen sichern ihre Privilegien, die anderen kämpfen ums nackte Überleben. Die Gerechtigkeit, nach der wir uns alle sehnen, kann nur auf friedlichen Wegen für Menschenrechte und Humanität gefunden werden." (Doris Peschke, Generalsekretärin der Kirchlichen Kommission für Migranten in Europa)
Mitwirkende an der Gedenkveranstaltung
An der Veranstaltung wirkten mit: Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Dietmar Arends, Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche, Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen, Doris Peschke, Generalsekretärin der Kirchlichen Kommission für Migranten in Europa, der eritreische Priester und Flüchtlingshelfer Father Mussie Zerai, Christel Neudeck, die Organisationen Seawatch, borderline europe, pro asyl und das European Center for Constitutional and Human Rights. Die Musik gestalteten Judy Bailey und Eddi Hünecke.