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HIV in Russland auf Vormarsch

In Osteuropa droht eine Epidemie, die in der Öffentlichkeit kaum Beachtung findet. Susanne Müller, Referentin für Osteuropa, sprach mit der Ärztin und Psychotherapeutin Marina Chalidowa, die in Jekaterinburg die Organisation „Nowoje Wremja“ gegründet hat.

Von Online-Redaktion am

Während im weltweiten Trend die Zahl der HIV-Infektionen zurückgeht, ist das Virus vor allem in Russland auf dem Vormarsch. 2016 wurde hier erstmals die Marke von 100.000 Neuinfektionen pro Jahr überschritten. Am Rande einer internationalen Konferenz über HIV/ Aids in Osteuropa sprach Susanne Müller, Referentin für Osteuropa bei Brot für die Welt, mit der Ärztin und Psychotherapeutin Marina Chalidowa, die in Jekaterinburg „Nowoje Wremja“ gegründet hat. Die Organisation unterstützt vor allem Frauen und Kinder, die HIV-positiv sind. Brot für die Welt fördert das Projekt.

Welche Erwartungen hatten Sie an die Konferenz?

Ich begrüße die Möglichkeit, die Meinungen und Sichtweisen der Kolleginnen und Kollegen  aus verschiedenen Ländern zu hören und deren Situation mit der in Russland vergleichen zu können. So habe ich erfahren, dass in der Ukraine und in  Belarus schon größere Erfolge erzielt wurden bei der Prävention und der Unterstützung HIV-positiver Menschen. Mein Eindruck ist, dass Russland stehen geblieben ist. Bei uns hat nur etwa jeder vierte bis fünfte Betroffene Zugang zu einer Therapie. Zudem wird in Russland die Situation der am stärksten betroffenen Gruppen, das sind Drogenabhängige und homosexuelle Männer, nicht offen angesprochen.  In anderen Ländern bezieht man die Hauptbetroffenengruppen und die Zivilgesellschaft zur Bekämpfung von HIV ein und erzielt damit große Erfolge.

Haben Sie sich mehr Unterstützung erhofft?

Die deutsche Bundesregierung erwartet, dass unsere eigene Regierung in Russland mehr macht, aber wir sind weiterhin auf externe Unterstützung angewiesen. Dass Organisationen wie Brot für die Welt uns in einer Situation, in der immer mehr Geber das Land verlassen, weiter unterstützen, gibt uns die Hoffnung, dass die Zivilgesellschaft, die im HIV-Bereich arbeitet, nicht im Stich gelassen wird.

Ich habe gelernt,  dass Deutschland allein nicht helfen kann, sondern nur durch  globale Organisationen in Russland tätig werden kann. Deshalb ist es wichtig, dass  die internationale Gemeinschaft erfährt, wie die Situation in Russland wirklich ist. Sie muss es von Menschen erfahren, die an der Basis arbeiten, die wissen, wie es den Menschen ganz unten geht. Für mich ist es ermutigend,  dass Interesse an  unserer Sichtweise besteht.

Was nehmen Sie mit nach Hause?

Ich nehme  wichtige Anregungen mit nach Hause. Zum Beispiel die Diskussionen  zum Thema Migration und HIV. Es war gut, die Menschen kennenzulernen, die dazu arbeiten, weil Migrantinnen und Migranten auch für uns eine zunehmend wichtige Zielgruppe sind.

Besonders  interessiert bin ich daran, wie in Deutschland mit HIV-positiven schwangeren Frauen gearbeitet wird. Mit 7 Prozent ist die Übertragungsrate des Virus von der Mutter auf das Kind in Russland immer noch zu hoch. Daher ist der Besuch in der Charité im Rahmen des Konferenzbegleitprogramms sehr wichtig, wo wir die Klinik für Geburtsmedizin und die „Ambulanz für Suchterkrankungen und Infektionen in der Schwangerschaft“ besuchen.

Auch wenn es im Moment nicht danach aussieht, dass wir große staatliche Unterstützung für unsere HIV-Arbeit bekommen können, war es wichtig,  die Solidarität der HIV-Community zu erfahren. Heute wissen wir noch nicht, welche konkreten Folgen diese Konferenz haben wird, aber die Hoffnung besteht, dass die diskutierten Themen zu neuen Ansätzen auch bei uns führen.

 

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