Schwäbisch Hall, 07.-10. März 2017: Über 400 Teilnehmer aus mehr als 50 Ländern nahmen an dem Kongress zur Diskussion der weltweiten Kleinbäuer*innen Rechte teil. Anlass war die Vorbereitung der nächsten Verhandlungsrunde der UN-Declaration for Peasants‘ Rights im Mai 2017. Veranstalter waren die Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH), FIAN und La Via Campesina mit breiter Unterstützung von rund 40 Organisationen aus dem Bereich Landwirtschaft und Entwicklung - darunter auch Brot für die Welt.
Dreieinhalb Tage lang legten Bäuerinnen, Fischerinnen und Viehhirtinnen Zeugnis zu den akuten Problemen der kleinbäuerlichen Landwirtschaft ab. Mit dabei waren auch Sprecherinnen von indigenen Gemeinschaften - etwa der Standing Rock Sioux, die gegen leckende Ölpipelines und für den Gewässerschutz im Norden Amerikas kämpfen -, Menschenrechtsverteidiger*innen, die unter Lebensgefahr gegen Landvertreibungen und Umweltzerstörung durch Palmölinvestoren zum Beispiel in Indonesien oder Honduras eintreten und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, die sich für verbesserte Lebensbedingungen von Kleinberäuer*innen einsetzten.
Vertreter*innen von UN-Organisationen, Wissenschaftler*innen und Entscheidungsträger*innen verwiesen auf die sozialen und ökologischen Grenzen des agrarindustriellen Ernährungssystems und dessen Zukunftsfähigkeit. Sie kritisierten die mangelhafte Anerkennung des Förderpotentials der kleinbäuerlichen Landwirtschaf, die im Unterschied zur industriellen Landwirtschaft einen maßgeblichen Beitrag zum Erhalt natürlicher Kreisläufe, Kulturlandschaften, bäuerlichen Wissens, Biodiversität und Ernährungssicherheit leiste. „Selbst wenn Länder ihre Rahmengesetze entsprechend der Freiwilligen Leitlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern (VGGT) anpassten, wären weitere Schritte nötig, um die Rechte von Kleinbauern und Familienbetrieben vollständig anzuerkennen.“ erklärte auch Graziano da Silva, Generalsekretär der FAO in seiner Videobotschaft an den Kongress.
Die Diskussionen zeigten, dass existierende Menschenrechtsabkommen, Rahmengesetze und Mechanismen in der Praxis oftmals nicht ausreichen. Sie garantieren nicht, dass Interessen und Rechte ökonomisch schlechter gestellter ländlicher Bevölkerungsgruppen – darunter auch Landlose oder Saisonarbeiter – bei der Vergabe von Landnutzungsverträgen, in Investitionsabkommen und Rahmengesetzgebungen adäquat berücksichtigt werden. Viele kleinbäuerliche Gemeinschaften verlieren ihren Zugang zu ihren Ländereien, Wasserquellen und sogar das Recht, ihr eigenes Saatgut zu nutzen und zu vervielfältigen. In der Konsequenz müssen sie ihre Selbständigkeit aufgeben. Oftmals bleibt ihnen und ihren Familien nichts anderes übrig, als unter menschenunwürdigen Bedingungen auf Plantagen zu arbeiten oder abzuwandern.
Die neue Erklärung fordert neue Schutzmechanismen zur Gestaltung und Abwehr der negativen Triebkräfte der Globalisierung im ländlichen Raum: so etwa die staatliche Limitierung von Landkonzentrationsprozessen zum Erhalt der sozialen Funktion des Ackerlandes. Auch werden die traditionellen Nutzungsrechte von Bewässerungsquellen von Kleinbäuer*innen und Viehhirt*innen in der Erklärung explizit anerkannt, ebenso das Recht von Kleinbäuer*innen, ihr Saatgut zu nutzen und zu vervielfältigen. Auch ihr Recht auf Mitbestimmung bei der Verwaltung ihrer Produktionsressourcen, wird im Vergleich zum bestehenden internationalen Rechtekanon gestärkt. Über diese „neuen Rechte“ hinaus fordert die Peasants‘ Rights Declaration aber auch die gezielte Umsetzung bereits bestehender Menschenrechte, die Kleinbäuer*innen aufgrund systematischer Diskriminierungen vielerorts verwehrt bleiben.
Der Kongress verdeutlichte, wie wichtig es ist, die verschiedenen Probleme der besonders verwundbaren Menschen im ländlichen Raum holistisch in einer UN Erklärung zusammen zu fassen, um hier gezielte Aufmerksamkeit und Abhilfe zu schaffen. Über die gemeinsame Erklärung hinaus wird die Staatengemeinschaft auch ihre Zusammenarbeit intensivieren und verbindliche Überprüfungsmechanismen auf internationaler Ebene einsetzen müssen. Nur so werden lokale Entwicklungsräume, Kulturlandwirtschaften, Biodiversität und Ernährungssicherheit langfristig zum Nutzen aller erhalten bleiben.
Bei der Analyse des derzeitigen Entwurfstext der UN-Erklärung sprachen sich einige Kongressteilnehmer*innen u.a. dafür aus, Wechselwirkungen und Verpflichtungen der kleinbäuerlichen Landwirtschaft etwa auch mit Blick auf die nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung und Umweltschutz stärker mit aufzunehmen. Auch sei der Schutzbereich der Erklärung, also Kleinbauer*innen und andere Gruppen, die im ländlichen Raum arbeiten, nicht hinreichend definiert. Generell dürfe der Text von der Formulierung nicht hinter vorhandene Menschenrechtsstandards etwa zum Recht auf Nahrung, zu Frauenrechten oder zu Indigenen Rechten zurückfallen und die letzteren Abkommen schwächen. Die Diskussion um die Formulierung der Erklärung werden Staaten und Zivilgesellschaft bei der nächsten Verhandlungsrunde innerhalb der offenen Arbeitsgruppe im UN Menschenrechtsrat vom15.-17. Mai fortführen.
Im Vorfeld der nächsten Verhandlungsrunde steht eine mehrsprachige online Petition zur Verfügung. Fordern Sie Ihre Regierung auf, die UN-Declaration for Peasants‘ Rights aktiv zu unterstützen: https://peasantsrights.eu/de_index.html