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Last Exit Afrika

Über die Auseinandersetzung um Gentechnik und freies Saatgut in Afrika. Ein Beitrag aus dem kritischen Agrarbericht 2017.

Von Stig Tanzmann am

Über die Auseinandersetzung um Gentechnik und freies Saatgut in Afrika

 

Seit nunmehr über 20 Jahren versucht die Gentechnikindustrie erfolglos, den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf den Äckern und Feldern innerhalb der EU zu etablieren. Während die EU für die Konzerne ein „verlorener Markt“ zu sein scheint, winken in Afrika die großen Gewinne. Afrika gilt als wichtiger Zukunftsmarkt.

 

 

 

Freier Zugang zu Saatgut immer stärker gefährdet

Nur noch dort ist mittel- und langfristig das Umsatzwachstum zu erzielen, auf das die großen Firmenfusionen wie die zwischen Bayer und Monsanto spekulieren. So haben in den letzten fünf Jahren – kaum beachtet in der deutschen und europäischen Öffentlichkeit – die Auseinandersetzungen um die Einführung der Agro-Gentechnik in Afrika stark zugenommen. In afrikanischen Staaten wie Nigeria, Malawi oder Südafrika wird heute die Einführung des kommerziellen Anbaus von gentechnisch veränderten Organismen forciert. Gleichzeitig finden starke Konflikte über Gesetze zu geistigem Eigentum an Saatgut und Saatguthandel auf regional politischer Ebene statt. Der freie Zugang zu Saatgut für Bäuerinnen und Bauern, ihre Saatgutsysteme und die Umsetzung der farmers‘ rights sind zunehmend in Gefahr.

Im deutschen Kontext rückte die Frage von Saatgut und Gentechnik in Afrika erstmals 2012 nach der Bekanntmachung der G8 New Alliance for Food Security and Nutrition (Neue Allianz) in Camp David, USA, in den Fokus der Öffentlichkeit. In den Jahren 2012 bis 2013 verpflichteten sich die Staaten Äthiopien, Benin, Burkina Faso, die Elfenbeinküste, Ghana, Nigeria, Malawi, Mosambik, Senegal und Tansania gegenüber den Gebernationen der G8 bzw. G7 zu umfangreichen Politikreformen und zur massiven Öffnung und Kooperation mit den internationalen Agrarkonzernen, unter anderem mit Monsanto. Als Gegenleistung erhielten die zehn afrikanischen Staaten vage Investitionszusagen der Konzerne; eine Aufstockung der Entwicklungshilfegelder der Gebernationen erfolgte jedoch nicht: eine eher einseitig ausgerichtete Allianz.

Zertifiziertes Saatgut als einzige Saatgutquelle

Eines der Hauptziele der Neuen Allianz war und ist es, in Zukunft zertifiziertes Saatgut als einzige Saatgutquelle durchzusetzen. Diesbezügliche Maßnahmen im Rahmen der Neuen Allianz sind Gesetzesreformen (besser: Gesetzesverschärfungen) und die Förderung konzernbasierter Saatgutstrukturen. Dies in Staaten, in denen meist noch über 80 Prozent des Saatgutes informell gehandelt und getauscht wird sowie zu weiten Teilen aus bäuerlicher Züchtung und Vermehrung stammt, also eine Situation vorherrscht, in der es viel logischer und einfacher wäre, bäuerliche Saatgutsysteme systematisch zu fördern und auszubauen, anstatt ein völlig neues System einzuführen und zu forcieren. Aber genau dieses beabsichtigt die Neue Allianz.(1) Deutlichstes Zeichen hierfür ist, dass auch das Sortenschutzabkommen UPOV1991, das die Rechte von kommerziellen Pflanzenzüchtern und Saatgutkonzernen über die der Bäuerinnen und Bauern stellt, in vielen Staaten eingeführt werden soll.(2)

UPOV ist nicht mit den im FAO-Saatgutvertrag verankerten farmers‘ rights kompatibel. Diese sehen vor, dass die Bäuerinnen und Bauern das Recht haben, Saatgut zu behalten, zu nutzen sowie eigenes Saatgut zu tauschen und zu verkaufen („to save, use, exchange and sell farm-saved seed“). Gentechnik spielt im Rahmen der Neuen Allianz bislang zwar nur in Malawi eine Rolle; dort soll Bt-Baumwolle eingeführt werden.(3) Andere Länder sollen aber folgen. Malawi steht exemplarisch für einen Pro-Gentechnikansatz, dem sich die Neue Allianz verschrieben hat.

Widerstand in Deutschland und Europa

Von der deutschen Zivilgesellschaft wurde die Neue Allianz bereits im Herbst 2012 sehr kritisch gesehen. Hauptkritikpunkte, die auch gegenüber dem Entwicklungsministerium (BMZ) geäußert wurden, waren, dass die Neue Allianz mit ihren Aktivitäten Landgrabbing verursacht, unpassende und diskriminierende Saatgutgesetzgebungen forciert, die afrikanischen Staaten dem Willen der Konzerne ausliefert und betroffene Gruppen wie Kleinbauern übergeht.(4) Offensichtlich als Reaktion auf diese Kritik sparte das 2013 unter der Federführung des BMZ erstellte Abkommen der Neuen Allianz mit Benin genau diese Punkte aus und war in Folge auch wesentlich weniger schädlich, verblieb aber im gleichen problematischen Setting.

Auch die Europäische Union war und ist involviert: die EU nimmt an den G7-Gipfeln teil und die EU hat auch die Verantwortung für verschiedene Abkommen der Neuen Allianz übernommen, so z. B. für das Abkommen mit Malawi, in dessen Rahmen Monsanto seine Bt-Baumwolle kommerzialisieren will. Im Jahr 2015 startete ein von der grünen Europaabgeordneten Maria Heubuch initiierter Parlamentsprozess, der sich kritisch und umfangreich mit der Neuen Allianz auseinandersetzte und diese drastisch gerade auch mit Blick auf Gentechnik und Saatgut kritisierte.(5) Monsanto sah sich bemüßigt, auf diese Kritik des europäischen Parlaments zu reagieren – ausgerechnet mit dem empörten Vorwurf des „Neokolonialismus“ an die Adresse des EU-Parlaments.(6)

Diese Argumentationslinie von Monsanto, mit der sich der Konzern vermeintlich auf die Seite der Afrikaner stellt, passt gut zur Veränderung der Struktur in der Neuen Allianz. Als Reaktion auf die zunehmende Kritik an der Allianz wurde versucht, die politische Bedeutung zumindest für die Gebernationen immer weiter zu reduzieren. Auf dem G7-Gipfel 2015 in Deutschland wurde die Neue Allianz nahezu versteckt. Zusätzlich wurde die Neue Allianz verstärkt an die Afrikanische Union angedockt. Dadurch soll der Eindruck entstehen, als käme die Initiative für die Neue Allianz aus Afrika.

Kein neues Konzept

Bei näherer Betrachtung war und ist die Allianz kein genuin neues Projekt. Mit ihr sollen vor allem viele bereits bestehende problematische Entwicklungskonzepte und laufende Projekte gebündelt und für zehn Länder Afrikas konkret ausbuchstabiert werden. Die Neue Allianz greift auf und setzt fort, was von Grow Africa, dem Weltwirtschaftsforum in Davos, aber vor allem von AGRA (Alliance for a Green Revolution in Africa) und der Bill & Melinda Gates Foundation seit über zehn Jahren an Entwicklungskonzepten entwickelt und finanziert wird. Mit USAID aus den USA und DIFID aus Großbritannien sind tatkräftige staatliche Unterstützer aus der Entwicklungszusammenarbeit mit dabei. Das deutsche BMZ hatte in den letzten Jahrzehnten bis zu Beginn der letzten Legislaturperiode keinen starken Fokus auf Landwirtschafts- und Ernährungsthemen, daher stand es bei diesen Entwicklungen abseits. Mit der Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ hat das BMZ nun vorerst seinen neuen Schwerpunkt in eine andere Richtung gesetzt (Verbesserung der Ernährungssituation vor allem von Frauen und Kindern).

Philanthropischer Kapitalismus

Insbesondere der Einstieg der Bill & Melinda Gates Foundation in die Finanzierung von Landwirtschafts- und Ernährungsprojekten seit 2006 hat auf dem afrikanischen Kontinent das Entwicklungsparadigma verändert.(7) Aus dem Norden gesteuerte Prozesse, mit denen versucht wurde, Gesetzgebungen zum Schutz geistigen Eigentums im Sinne von UPOV1991 durchzusetzen oder aber gentechnisch veränderte Pflanzen in den Anbau zu bringen, hat es schon vorher gegeben; insbesondere USAID war in diesem Sinne tätig. Doch fehlten die Kontinuität, vielleicht finanzielle Mittel und ein prominenter Fürsprecher. Dies haben Bill und Melinda Gates geändert. Beide sind prominente Fürsprecher und Treiber der Gentechnik als technologischer Beitrag zur Hungerbekämpfung.

AGRA will Weg für künftigen Erfolg ebnen

Zunächst wurden von der Stiftung konkrete Analysen durchgeführt, wieso außerhalb Südafrikas gentechnisch veränderte Pflanzen in Afrika nicht Fuß fassen konnten. Auf Basis dieser Erkenntnisse wurde 2006 zusammen mit der Rockefeller Foundation die Organisation AGRA gegründet und mit umfangreichen Finanzmitteln ausgestattet. Zwischen 2006 und 2014 erhielt AGRA allein von der Gates Foundation 414 Millionen US Dollar.(8) AGRA verfolgt nicht das Ziel, sofort Gentechnik in Afrika einzuführen, will aber den Weg für einen zukünftigen Erfolg dieser Technologie bereiten. In diesem Kontext sollen die notwendigen Rahmenbedingungen aufgebaut werden, damit die Gentechnik im nächsten Anlauf zum Erfolg gebracht werden kann. 

In diesem Sinne ist der Aufbau von Agrarhändlernetzwerken in Afrika durch AGRA in Zusammenhang mit der möglichen zukünftigen Verbreitung von Gentechnik zu sehen. Erst einmal sollen diese Händlernetzwerke die Verfügbarkeit von Düngemitteln, Pestiziden und zertifiziertem Saatgut im ländlichen Raum erhöhen sowie den Verkauf des geernteten Getreides erleichtern. Hier setzt AGRA durchaus bei der Beseitigung eklatanter infrastruktureller Mängel im ländlichen Raum in Afrika an. Leider liegt der Fokus dieser Netzwerke aber auf einem Landwirtschaftsmodell, das stark auf künstliche und externe Betriebsmittel setzt. Ein Fokus auf agrarökologischer Beratung oder Vermarktung läge angesichts der Ausgangsbedingungen in Afrika viel näher.

Zukünftig können diese Netzwerke potenziell auch für die Verbreitung und Vermarktung von gentechnisch veränderten Pflanzen genutzt werden. Auch ist der Zugang zu Düngemitteln und den entsprechenden Pestiziden eine unabdingbare Voraussetzung für den kommerziell erfolgreichen Anbau von Gentech-Pflanzen. Nur wenn der Zugang zu diesen Inputs gesichert ist, hält AGRA die „erfolgreiche“ Einführung der Agro-Gentechnik für möglich.

Verschärfung der Saatgutgesetze

Ein weiteres wichtiges Element in der Arbeit von AGRA und der Gates Foundation ist die Unterstützung der Prozesse zur Verschärfung der Saatgutgesetze in Afrika, dies auf nationaler und regionaler Ebene. Einerseits werden die Gesetze zu Saatguthandel und Saatgutzulassung so verschärft, das traditionelles Saatgut, welches in vielen Fällen noch über 80 Prozent Marktanteil hat, nicht mehr offiziell gehandelt werden kann; andererseits werden Gesetzesvorhaben unterstützt, die zum Ziel haben, Sortenschutzgesetze in Linie mit UPOV1991 zu etablieren. Bekanntes Beispiel ist hier der Prozess um das ARIPO-Regionalabkommen zum Sortenschutz.(9) Insgesamt dürfte hier ein Teil des Kalküls sein, durch stärkere juristische Diskriminierung der bisher dominierenden informellen Saatgutzugangssysteme, bei gleichzeitiger starker finanzieller Unterstützung formaler Vermarktungswege (Agrarhändlernetzwerke), den Marktanteil des von Konzernen stammenden Saatguts zu erhöhen. Klar ist, es geht um die Verdrängung anderer nicht kommerziell ausgerichteter Ansätze.

Oligopolstruktur in Südafrika Realität

Für AGRA ist das ideale Beispiel für einen „erfolgreich funktionierenden“ Saatgutmarkt in Afrika der südafrikanische.(10) Der südafrikanische Saatgutmarkt zeichnet sich durch eine Oligopolstruktur aus und ist in der Hand von wenigen multinationalen Konzernen. Noch dazu wird bei der Haupternährungspflanze Mais auf Gentechnik gesetzt. AGRAs mittelfristige Ziele für Afrika, Gentech-Pflanzen für die „Hungerbekämpfung“ einsetzbar zu machen und einen kommerziellen konzernbasierten Saatgutmarkt zu etablieren, sind in Südafrika schon lange Realität. Genau aus diesem Grund muss die südafrikanische Situation noch einmal gesondert betrachtet werden (siehe unten).

Zusammengefasst zeigt sich in der Betrachtung der Arbeit von AGRA und der Bill und Melinda Gates Foundation, wie strategisch sie die Förderung der Kommerzialisierung der Saatgutzucht und -vermarktung und die Veränderung von Saatgutgesetzen nutzen, um gentechnisch veränderten Pflanzen in Afrika den Weg zu ebnen.

Schlüsselland Malawi

Malawi ist ein Schlüsselland in der Auseinandersetzung um Saatgut und Gentechnik in Afrika. Dies zeigt schon die Ankündigung von Monsanto, im Rahmen der Neuen Allianz in Malawi Bt-Baumwolle auf den Markt bringen zu wollen. Zusätzlich soll Malawi im Rahmen den Neuen Allianz zwei Regionalgesetzgebungen zu Saatgut umsetzen, da es sowohl Mitglied von COMESA (Gesetzgebung zu Saatguthandel) als auch von SADC (Gesetzgebung zu Sortenschutz, UPOV1991) ist. Die Erwartungen an Malawi sind also hoch, dies trotz oder gerade weil Malawi ein „Least Developed Country“ ist. (11)

Die Ernährungssituation in Malawi war in den letzten 15 Jahren wiederholt katastrophal. Insbesondere die Hungersnot von 2002 hat tiefe Wunden in der malawischen Gesellschaft hinterlassen und dazu geführt, dass es eine politische und gesellschaftliche Bereitschaft gibt, Lösungen abseits des Mainstreams zu suchen. Als Reaktion auf die Hungerkrise von 2002 war Malawi der erste afrikanische Staat, der entgegen internationalem Rat wieder in großem Stil Produktionsmittel wie Maissaatgut und Dünger subventionierte.

So konnten zwar kurzfristige Erfolge bei der Hungerbekämpfung erzielt werden, aber das Subventionssystem kam schnell an seine Grenzen und ernährungsphysiologisch bleibt die Fixierung auf Mais sehr problematisch. Für die Konzerne wurde Malawi so aber zu einem interessanten Land, da Subventionen für ihre Produkte gezahlt wurden. Zusätzlich ist die finanzielle Situation in Malawi so prekär, dass selbst Direktoren aus Ministerien offen Nichtregierungsorganisationen fragen, ob sie nicht eine Stelle für sie schaffen könnten, weil der Lohn dort immer noch besser sei als der im öffentlichen Dienst. Welche Angebote in solch einer Situation an die Konzerne gehen, sei der Fantasie überlassen.

Kommerzieller Anbau von Bt-Baumbolle blockiert

In diesem Sinne hätte es sich Monsanto sicher nicht träumen lassen, dass 2016 der kommerzielle Anbau von Bt-Baumwolle noch immer blockiert ist. Die Zivilgesellschaft und kritische Bäuerinnen und Bauern, denen diese Blockade zu verdanken ist, sind aber zunehmend überfordert von den immer neuen Zulassungs- und Feldversuchsanträgen für immer neue Gentech-Pflanzen; von Bananen bis Mais reicht inzwischen die Palette.

Wegen seiner zentralen Lage in Ostafrika, seiner schwachen, auf Zuwendungen von außen angewiesenen Regierung und der Mitgliedschaft in vielen Regionalgemeinschaften wie ARIPO, COMESA und SADC ist das Land für Saatgutkonzerne und ihren Geschäftsmodellen wohlgesinnten Förderern wie der Gates Foundation, AGRA, USAID, DIFID und der EU attraktiv. Hier könnte potenziell ein erfolgreiches Zentrum für die regionale Vermehrung und Vermarktung von Saatgut und auch von Gentech-Pflanzen etabliert werden.

Nach dem Öl: „Grüne Revolution“ in Nigeria

In Nigeria sieht die ökonomische Ausgangssituation anders aus als in Malawi, obwohl der Ölpreisverfall dem Land zunehmend zusetzt. Gerade deshalb spitzen sich die Auseinandersetzungen um Saatgut und Gentechnik in Nigeria stark zu. Ausgehend vom Ölpreisverfall, der den Import von Grundnahrungsmitteln zunehmend verteuert, sowie von einer im Ölgeschäft vermögend gewordenen Wirtschaftselite, die auch starke Agribusinessfirmen aufgebaut hat, verfolgt Nigeria eine Politik der Modernisierung der Landwirtschaft im Sinne der Grünen Revolution. Den technologischen Fantasien scheinen hier wenig Grenzen gesetzt zu sein.

So rückt zunehmend die Gentechnik in den Fokus der staatlich forcierten Agrarindustrialisierung. Die nigerianische Zivilgesellschaft wurde in diesem Jahr davon überrascht, dass quasi über Nacht der Anbau von Bt-Baumwolle legalisiert und noch dazu umfangreiche Feldversuche für GV-Mais genehmigt wurden.(12) Die Reaktion der Zivilgesellschaft auf diese Entwicklungen war stark. Weit über 100 Organisationen und fünf Millionen Bürger machten ihren Protest öffentlich.(13) In der Folge scheint es wieder unklar, ob es wirklich zu kommerziellem Anbau von Bt-Baumwolle kommen wird. Die tatsächliche Situation ist, wie so häufig in diesem Land, schwer einzuschätzen.

Starke Befürworter der Gentechnik in Nigeria

Klar aber ist, dass es starke Befürworter der Gentechnik in Nigeria gibt. Der Vorsitzende der Zulassungsbehörde etwa machte deutlich, dass er keine Sicherheitsbedenken habe und die Technologie auch als in Nigeria verankert ansieht, weil es viele Wissenschaftler im Land gäbe, die zum Thema arbeiten. Angesprochen auf die kontroverse Gentechnikdebatte in Europa verwehrte er sich klar und deutlich. Europa solle sich nicht in afrikanische oder nigerianische Angelegenheiten einmischen. Dies klingt ähnlich, wie Monsantos oben erwähnter Kommentar („Neokolonialismus“) zum Bericht des EU-Parlaments zur Neuen Allianz.

Zunehmend Probleme: Vorreiter Südafrika

In Südafrika, dem sicheren Hafen für die Agro-Gentechnik in Afrika, bleibt die Situation sehr schwierig. Die diesjährige Dürre, die große Mengen an Lebensmittelimporten notwendig machte, hat vielen noch einmal deutlich gemacht, wie fragil die Situation zunehmend geworden ist. Der Gentech-Mais (Mais ist das Grundnahrungsmittel schlechthin in Südafrika) hat zunehmend Probleme mit dem Klima in Südafrika. Darüber hinaus hat es das hochindustrialisierte und auf Gentechnik setzende Ernährungssystem in Südafrika noch immer nicht geschafft, die ganze Gesellschaft ausreichend zu ernähren.14

2016 war die Situation so angespannt, dass das African Center for Biodiversity forderte, das gesamte Maisproduktionssystem in Frage zu stellen und wieder großflächig zu traditionellen dürreresistenten Ernährungsfrüchten wie Hirse zurückzukehren. Wie sich die Situation in Südafrika auch angesichts der ausgeprägten politischen Krise weiter entwickelt, ist offen.

Auf staatlicher Seite wachsen aber die Zweifel, dass das Saatgut der Konzerne und die alten/neuen Gentech-Pflanzen die südafrikanische Bevölkerung ernähren können. So wurde in den letzten Jahren ein Programm zum Aufbau von Community Seed Banks aufgenommen.15 Zusammenfassend muss man sagen, die südafrikanische Regierung scheint weit weniger von der Funktionalität des eigenen Saatgutmarktes und seiner Regulierung überzeugt zu sein als AGRA.

Was tun die Saatgutkonzerne in Afrika?

Auf der einen Seite arbeiten sie daran, dass Gesetzgebungen in ihrem Sinne erlassen werden, hier erfahren sie aber auch großzügige Unterstützungen durch die USA, Großbritannien und die EU. Anderseits ist es vielen Konzernen aber auch ein großes Anliegen, sich umfangreichen Zugang zu den genetischen Ressourcen in Afrika zu verschaffen. Dazu wählten sie mindestens zwei Strategien:

  1. bestehende erfolgreiche Saatgutfirmen mit attraktiver Genetik kaufen oder aber
  2. sich an staatlichen Forschungsprojekten beteiligen, um Zugang zu der Genetik staatlicher Forschungseinrichtungen zu bekommen. In der Folge gibt es eigentlich kein größeres ausschließlich afrikanisches Saatgutunternehmen mehr.(17)

Eines dieser umstrittenen Forschungsprojekte, an denen sowohl staatliche Institutionen als auch Konzerne beteiligt sind, ist das Projekt „Water efficient Maize for Africa (WEMA)“(18). Hier hat sich von Konzernseite massiv Monsanto engagiert, indem es seinen Bt-Mais Mon 810 „kostenlos“ in das Projekt eingebracht hat. Dies, obwohl dieser in Südafrika im Anbau gescheitert ist, da seine genetische Manipulation gar nicht auf den in Afrika vorherrschenden Schädlingsbefall abgestimmt ist.(19) Grundsätzlich gesehen ist die Eingabe des Mon 810 von Monsanto in dieses Projekt daher für die Staaten und damit für die Allgemeinheit mehr oder minder wertlos. Für Monsanto ist dieses Vorgehen aber hoch attraktiv, denn alle am WEMA-Projekt Beteiligten dürfen mit der ins Projekt eingebrachten Genetik weiterarbeiten. Monsanto hat so Zugang zu im südlichen Afrika lokal angepasster Maisgenetik gewonnen, ohne selbst wirklich etwas von Wert zu teilen. Ähnliche Strategien werden von den Konzernen in anderen Forschungs- und Zuchtprogrammen wie z. B. zur Augenbohne verfolgt. Die Strategie scheint zu sein, nicht kommerziell bedeutende GVOs zu geben, darüber auch noch Legitimation für gentechnisch veränderte Pflanzen zu gewinnen, ein afrikanisches Ownership zu suggerieren, aber viel wichtiger: sich Zugang zu angepasster afrikanischer Genetik und lokalen Forschungseinrichtungen zu sichern.

Afrika = Zukunftsmarkt für Großkonzerne

Afrika ist ein Zukunftsmarkt für die großen Konzerne. Einer der Märkte, auf dem die Megafusionen, wie z. B. zwischen Bayer und Monsanto re-amortisiert werden müssen. Eigentlich ist nur noch dort mittel- und langfristig das Wachstum im Umsatz zu erzielen, auf das die Fusionen spekulieren. Dies sollte allen klar sein, die sich mit Welthungerbekämpfung, dem Recht auf Nahrung und nachhaltiger Ernährungssicherung befassen. Deutschland und der deutschen Zivilgesellschaft kommt in diesem Kontext eine besondere Rolle zu, denn Bayer-Monsanto wird seinen Hauptsitz weiter in Deutschland haben.

Vor diesen Hintergründen gilt es den Auseinandersetzungen um Saatgut und Gentechnik in Afrika viel mehr Aufmerksamkeit zu zollen als bisher.

Folgerungen & Forderungen

 

- Die Auseinandersetzung um Gentechnik in Afrika ist sehr eng mit der Saatgutfrage und den dortigen Auseinandersetzungen verbunden.

- Große und einflussreiche staatliche wie private Geber in der Entwicklungszusammenarbeit unterstützen politisch und finanziell Prozesse zur Einführung eines kommerziellen Sortenschutzrechts (UPOV1991) und der Gentechnik in Afrika.

- Die Aufmerksamkeit der deutschen Zivilgesellschaft für Saatgut und Gentechnik in Afrika war in den letzten Jahren zu gering.

- Das Garantieren der im FAO-Saatgutvertrag verankerten farmers‘ rigths to save, use, exchange and sell farm-saved seed müssen Richtschnur für alle politische Entscheidungen werden, die Saatgut betreffen.

- Bäuerliche Saatgutzüchtung muss stärker gefördert werden und mehr rechtlichen Freiraum erhalten.

- Das BMZ sollte deutlicher und offener kommunizieren, dass es den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen nicht fördert, und darlegen, auf welche Konzepte es im Bereich Saatgut setzt.

 

Das Thema im Kritischen Agrarbericht

 

Benjamin Luig: Hungerbekämpfung in Afrika – ein neuer „Business Case“. In. Der kritische Agrarbericht 2014, S. 79 f.

Jan Urhahn: Entwicklungspolitik goes Agrarindustrie. Entwicklungszusammenarbeit zugunsten von Konzernen und zum Nachteil der Lleinbäuerinnen und Kleinbauern. In: Der kritische Agrarbericht 2015, S. 81-85.

 

Anmerkungen

 

1. Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst (Hrsg.): Ernährung für alle oder Profit für wenige? Die neue Allianz für Ernährungssicherheit in Afrika. Berlin 2015 (www.globe-spotting.de/fileadmin/user_upload/globe-spotting/Africa/G8NA_Ernaehrung_fuer_alle.pdf).

2. www.upov.int.

3. Country cooperation framework to support the New Alliance for Food Security & Nutrition in Malawi 2013-22. 2015 (https://new-alliance.org/sites/default/files/resources/Malawi%20Country%20Cooperation%20Framework%202015_0.pdf).

4. Forum Umwelt und Entwicklung: Die neue Allianz für Ernährungssicherheit in Afrika: Ist die Initiative der G8-Länder geeignet, die Armut zu bekämpfen. Berlin 2013 (http://forumue.de/wp-content/uploads/2015/04/G8_New_Alliance1.pdf).

5. European Parliament: Report on the New Alliance for Food Security and Nutrition (2015//2277(INI)). 3. May 2016 (www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=REPORT&reference=A8-2016-0169&language=EN).

7. Global Policy Forum (GPF): Philanthropic power and development – Who shapes the agenda? 4. December 2015 (www.globalpolicy.org/component/content/article/270-general/52829-philanthropic-power-and-development-who-shapes-the-agenda.html).

8. GRAIN: How does the Gates Foundation spend itsd money to feed the world? 4. November 2014 (www.grain.org/article/entries/5064-how-does-the-gates-foundation-spend-its-money-to-feed-the-world).

9. „Alliance for Food Sovereignty in Africa (AFSA): ARIPO PVP regulations: Ferocious campaign against seed saving farmers in Africa and state sovereignty“. Press release 13. June 2016 (http://afsafrica.org/wp-content/uploads/2016/06/AFSA-Press-Release-on-ARIPO-Regulations.pdf).

10. Alliance for a Green Revolution in Africa (AGRA): Africa agriculture status report. Focus on staple crops. Nairobi 2013 (http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/agrafinalaugust20akim.pdf).

11. New Alliance (siehe Anm. 3).

12. Nigeria deploys genetically modified cotton, maize despite safety concerns. In: Premium Times 8. June 2016 (www.premiumtimesng.com/news/headlines/204966-nigeria-deploys-genetically-modified-cotton-maize-despite-safety-concerns.html).

13. AFSA: Nigeria’s biosafety agency defies government, Nigerians, 8. June 2016 (http://afsafrica.org/nigerias-biosafety-agency-defies-government-nigerians/).

14. Statistics South Africa: General household survey 2015 (http://www.statssa.gov.za/publications/P0318/P03182015.pdf).

15. GRAIN: Community seed banks: farmer’s platform for crop conservation and improvement. March 2016 (www.grainsa.co.za/community-seed-banks:-farmers--platform-for-crop-conservation-and-improvement).

16. African Centre for Biodiversity (ACBIO): The expansion of the commercial seed sector in sub-Saharan Africa: Major players, key issues and trends. Melville 2015 (http://acbio.org.za/wp-content/uploads/2015/12/Seed-Sector-Sub-Sahara-report.pdf).

17. African Centre for Biodiversity (ACBIO): Profiting for the clima crisis, undermining resilience in Africa: Gate’s and Monsanto’s Water Efficient Maize for Africa (WEMA) project. Melville 2015 (http://acbio.org.za/wp-content/uploads/2015/05/WEMA_report_may2015.pdf).

18. African Centre for Biodiversity (ACBIO): Africa bullied to grow defective Bt maize: The failure of Monsanto’s MON810 maize in South Africa. Melville 2013 (http://acbio.org.za/wp-content/uploads/2015/02/BT-Maize-Report-Oct2013.pdf).

 

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