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Merkel streicht EPA Debatte von EU-Afrika Gipfel

Bundeskanzlerin Merkel kündigte auf dem Civil-20 Summit an, dass auf dem EU-Afrika-Gipfel in Abidjan unfaire Handelsverträge zwischen Afrika und Europa neu verhandelt werden sollen. Nur ein leeres Versprechen?

Von Francisco Marí am

Was waren die deutschen NROs verblüfft, als die Kanzlerin im Juni 2017 auf dem Civil-20 Summit, dem Treffen der Zivilgesellschaft im Vorfeld des diesjährigen G20-Gipfels in Hamburg, ankündigt hatte, dass man auf dem EU-Afrika-Gipfel in Abidjan (Cote d’Ivoire) unfaire Handelsverträge zwischen Afrika und Europa neu verhandeln wollte. Das für die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und Afrika (EPAs) federführende Entwicklungsministerium (BMZ) hatte alle Mühe, im Bundestag den Abgeordneten der Opposition, die Merkels Äußerungen damals aufgegriffen hatten und nachfassten, zu erklären, was gemeint war. Im Grunde bestätigte das BMZ dann: ja, Frau Merkel wolle auf dem EU-Afrika Gipfel in Abidjan die Handelspolitik mit Afrika auf eine neue Qualität stellen.

Dazu hätte die Kanzlerin jetzt Gelegenheit. Sie reist in der neuen Woche in die ivorische Metropole. Denn dort werden am 29. und 30.November 83 Staats- und Regierungschefs aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten und 55 Staaten der Afrikanischen Union (AU) über "Investitionen in die Jugend für eine nachhaltige Zukunft" diskutieren. Die Partnerschaft zwischen Europa und der Afrikanischen Union soll im Rahmen des Gipfels erneuert werden und eine gemeinsame Erklärung soll verabschiedet werden. Auch neue gemeinsame Programme sind geplant.

Wieder nur leere Versprechen an Afrika

Sowohl afrikanische als auch deutsche und europäische AktivistInnen hatten aufgehorcht, als es so klang, als ob die deutsche Kanzlerin das EPA-Desaster beenden wolle. In ihrer Rede vor der Zivilgesellschaft in Hamburg benannte Merkel auch treffsicher, warum sich die EPA-Abkommen besonders schädlich auf afrikanische Länder auswirken, deren Wirtschaftsprognosen eigentlich nicht schlecht sind. Denn kurioser Weise stellen sich Länder, die nicht zu den ärmsten Staaten (LDCs) in Afrika gehören, gegenwärtig schlechter da als die ärmsten Länder. Warum ist das so?

Länder wie Ghana, Cote d´Ivoire und Kamerun wurden von der EU alternativlos zu sogenannten Übergangsabkommen gedrängt. Die vertraglichen Bestimmungen zwingen die Länder, im Gegenzug zum Marktzugang zur EU ihre Märkte nahezu ganz für EU-Produkte zu öffnen und auf Zolleinnahmen zu verzichten. Währenddessen haben die ärmeren Nachbarstaaten, weil sie zu der Gruppe der ärmsten Staaten zählen, weiterhin einen hundertprozentigen Zugang zum EU-Markt  und können Zölle erheben: Die Konflikte zwischen den Ländern sind also vorprogrammiert; und die regionale Integration der fünf afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaften steht vor dem Aus. Deswegen hat Frau Merkel vollkommen recht: Das ist nicht fair und motiviert nicht dazu, wie sie sagte, den Status „ärmstes Land“ durch Wirtschaftsentwicklung zu überwinden.

Das hat Kanzlerin Merkel am 19. Juni 2017 gesagt. Dann kamen das G20-Gipfeltreffen, der Bundestagswahlkampf und die Jamaika-Sondierungen, und irgendwo und irgendwann muss die Kanzlerin ihre Aufzeichnungen von damals verloren haben, obwohl das Video von ihren Versprechen noch auf ihrer Seite anzuschauen und vor allem anzuhören ist (ab. ca. Minute 42!).

Von Neuverhandlungen ist keine Rede mehr

In ihrer wöchentlichen Videobotschaft von letztem Freitag (24.11.2017) in Vorbereitung des EU-Afrika-Gipfels ist von Neuverhandeln von Handelsverträgen keine Rede mehr. Wie die Presseagenturen darüber richtig berichten, geht es der Kanzlerin auf dem Gipfel in Westafrika wohl vor allem um eines: Sie will in persönlichen Gesprächen betroffene afrikanische Staatschefs davon überzeugen, ihre nach Europa geflüchteten Landsleute wieder „zurückzunehmen“, die ohnehin unter Zwang ausgewiesen werden oder auch „freiwillig“ zurückkehren müssen. Erst in zweiter Linie macht sie sich Sorgen um Afrikas Jugend. Dies ist umso bedauerlicher, weil der Gipfel in Abidjan unter dem offiziellen Thema  über die Zukunft der afrikanischen Jugend diskutiert. Und hat sich nicht die Afrika-Politik der deutschen Bundesregierung gerade erst auf die Fahnen geschrieben, dass mehr deutsche Wirtschaftsinvestitionen in Afrika dabei helfen könnten, für eine ansonsten verlorene Generation junger Menschen reale Zukunftsperspektiven zu entwickeln?

Dass Investoren sicher nicht begeistert sein werden, wenn ihre zukünftigen in Afrika hergestellten Produkte von Billigprodukten aus dem eigenen Kontinent wegkonkurriert werden und es deshalb andere fairere Handelsbeziehungen mit mehr Schutz für die einheimische Produktion Afrikas geben sollte  – auch davon keine Rede mehr ?

EPAs – (k)ein Thema in Abidjan?

Die Enttäuschung darüber, dass die EPAs von der Agenda des offiziellen EU-Afrika-Gipfels möglicherweise gänzlich verbannt sind, ist am Vorabend der Eröffnung eines Alternativgipfel (26.-28.11) auf dem „Forum des Peuples“ deutlich zu spüren: Auf dem von Misereor und Brot für die Welt unterstützten Treffen der Zivilgesellschaft werden die EPAs in jedem Fall eine Rolle spielen. Die angereisten AktivistInnen aus Europa und Afrika werden die Forderung der Bundeskanzlerin aufgreifen, diese mit ihren Argumenten unterstützen und einmal mehr bekräftigen, dass die EPAs „nicht richtig sind“ und neuverhandelt werden sollen. Um diese Ziele erreichen zu können, muss aber der Riss in den afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaften durch sofortiges Einfrieren der Umsetzung der Übergangsabkommen gekittet werden. Nur so lässt sich Raum schaffen für neue, faire Handelsbeziehungen zwischen EU und Afrika.

Denn das Thema des Gipfels  „die Zukunft der afrikanischen Jugend“, das auch Frau Merkel am Herzen liegt, wird ohne neue Arbeitslätze verloren gehen, wenn Marktöffnungen für EU-Waren Wertschöpfung und Beschäftigung in Afrika verhindern. Das Entsetzen und der Zorn der Jugendlichen in Westafrika sind in dieser Woche besonders groß - nach der Veröffentlichung und rasanten Verbreitung eines Videos über den Verkauf westafrikanischer Jugendlicher in Libyen als Sklaven. Das muss zukünftig mit aller Macht verhindert werden und darf in keinem Falle „die Jobperspektive der EU für afrikanische Jugendliche werden“ – merken in Abidjan und anderswo junge AfrikanerInnen voll der Wut im Bauch an.

Doch vielleicht überrascht die Kanzlerin und findet auf dem Flug nach Abidjan am kommenden Donnerstag ihre Notizen von Juni wieder und bespricht die unfairen Handelsbeziehungen mit ihren EU-KollegInnen und bietet Afrika wirklich eine Perspektive, die Handelsbeziehungen neu zu gestalten. Afrikas Jugend würde dann sicher Frau Merkels Facebook Seite tausendfach liken!

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