Menschenrechtsorganisationen, unabhängige Journalistinnen und Journalisten und Mitglieder der Zivilgesellschaft in Ägypten sehen sich seit der Machtübernahme des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al Sisi mit einer in diesem Ausmaß bislang kaum gekannten Welle der Verfolgung und Unterdrückung ausgesetzt. Die autoritäre Regierung missachtet menschenrechtliche Standards, die Gefängnisse sind überfüllt, die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, sowie die Unabhängigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen werden durch restriktive Gesetzgebungen stark eingeschränkt.
Kairoer Institut arbeitet im tunesischen Exil
Die langjährige und intensive Recherche- und Aufklärungsarbeit des Cairo Institute for Human Rights Studies (CIHRS), hat sich nicht nur mit der Menschenrechtssituation in Ägypten befasst, sondern auch mit der Lage in anderen arabischen Ländern und die Zivilgesellschaft dort und in Ägypten beeinflusst und aktiviert. Nachdem das Kairoer Institut Ziel von Repressionen wie Kontosperrungen, Ausreiseverboten und Ermittlungen geworden war und der Direktor Bahey eldin Hassan, Todesdrohungen erhielt, zog die Organisation 2014 mit dem größten Teil ihrer Mitarbeitenden aus Ägypten fort, um die Arbeit an einem sicheren Ort fortzuführen.
Ausreiseverbot für Mohamed Zaree
Mohamed Zaree entschied sich dafür in Kairo zu bleiben und ist nun einer der wichtigsten Repräsentanten der Menschenrechtsbewegung in Ägypten. Er wurde von den ägyptischen Behörden an der Ausreise gehindert, als er im Mai 2016 zu einem Arbeitstreffen zu seinen Kolleginnen und Kollegen im Exil in Tunis reisen wollte und ist seither mit einem Reiseverbot belegt. Die ägyptische Justiz ermittelt außerdem gegen Mohamed Zaree im Rahmen des „foreign funding case 173/2011“, eines Ermittlungsverfahrens gegen bekannte ägyptische Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger wegen vermeintlich unzulässiger Auslandsfinanzierung.
2013 wurden Hafturteile auf Grundlage dieses Gesetzes gegen 43 ausländische und ägyptische NGO-Mitarbeitenden von ein bis fünf Jahren verhängt. Der damalige Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung wurde in Abwesenheit zu einer fünf-jährigen Haftstrafe verurteilt, das Büro der KAS und weitere Stiftungen mussten geschlossen werden. Zaree drohen Verurteilung und hohe Haftstrafen. Zu dieser prekären persönlichen Situation befragt, äußerte er sich folgendermaßen:
„Ich stehe in der Gemeinschaft von tapferen und standhaften Menschen, deren einziges Verbrechen es ist, sich mit friedlichen Mitteln für grundlegende Freiheitsrechte einzusetzen (…). Wir haben uns geweigert aufzugeben. Wir glauben, dass die zunehmende Unterdrückung kurzfristig die Stabilität Ägyptens untergräbt und für die Zukunft des Landes schlimme Folgen haben wird.“
Trotz dieser bedrohlichen und unsicheren persönlichen Lage, setzt sich Mohamed Zaree stellvertretend für andere Menschenrechtsorganisationen weiterhin auf der nationalen und internationalen Ebene für die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit ein. Er vertritt das Cairo Institute for Human Rights Studies seit 2012 in verschiedenen offiziellen Gremien, die sich mit der Gesetzgebung für zivilgesellschaftliche Organisationen befassen. Der hoffnungsvolle Beginn des arabischen Frühlings auf eine freie und unabhängige Zivilgesellschaft ist mittlerweile der bitteren Erkenntnis gewichen, dass Ägypten nicht nur in einer wirtschaftlichen und politischen Krise steckt sondern unter der Regierung von Präsident al-Sisi eine der schwersten Menschenrechtskrisen in der modernen Geschichte des Landes erlebt.
Zaree koordinierte das gemeinsame Vorgehen der Menschenrechtsorganisationen auch gegen den neuen NGO-Gesetzesentwurf, der vom Parlament im November 2016 verabschiedet wurde, aber noch nicht in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz würde der ägyptischen Regierung das allumfassendes Mandat geben, Einfluss auf Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen zu nehmen und das Ende jeglicher unabhängigen Zivilgesellschaft bedeuten.
Bundesregierung hält an Zusammenarbeit mit Kairo fest
Obwohl der Bundesregierung die kritische Menschenrechtslage bekannt ist und sie sich verschiedentlich für Einzelfälle und die Freiheit der Zivilgesellschaft eingesetzt hat, wird der Deutsche Bundestag voraussichtlich in dieser Woche ein geplantes Sicherheitsabkommen mit der ägyptischen Regierung verabschieden. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière und sein Amtskollege der ägyptische Innenminister Magdy Abd al-Ghaffar haben das Abkommen bereits im Juli 2016 unterzeichnet. Es sieht eine enge Zusammenarbeit unter anderem in den Bereichen organisierte Kriminalität, Terrorismusbekämpfung, Prävention und Bekämpfung von Menschenhandel, Geldwäsche und Waffenschmuggel vor und verpflichtet die Behörden beider Länder zur Zusammenarbeit.
Auch wenn es Hinweise auf die Beachtung der Grund- und Menschenrechte enthält, findet sich jedoch kein Hinweis darauf, wie den gravierenden Menschenrechtsverletzungen der ägyptischen Behörden ein Ende gesetzt werden soll. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warnt in ihrer Stellungnahme vom 24. April 2017 davor, dass sich deutsche Beamte mitschuldig machen an schweren Menschenrechtsverletzungen und fordert die Mitglieder des Deutschen Bundestags deshalb auf, das Sicherheitsabkommen abzulehnen.
Martin Ennals Award 2017
Der Martin Ennals Award zeichnet einmal im Jahr herausgehobene Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger aus, die sich häufig unter großen Gefahren für ihre Freiheit, Leib und Leben für andere Menschen und ihre Rechte einsetzen. Der Preis wird am 10. Oktober in Genf, am Standort des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen, im Beisein von Zeid Ra’ad Al Hussein, des UN-Hochkommissars für Menschenrechte, vergeben. Zusammen mit Mohamed Zaree werden 2017 fünf Menschenrechtsverteidigern aus Kambodscha (FreeThe5KH) sowie Karla Avelar aus El Salvador geehrt.
Durch die öffentliche Aufmerksamkeit und die Anerkennung der Tätigkeit, die der Preis vermittelt, soll der Schutz für Menschenrechtsverteidiger*innen verbessert werden. Über die Vergabe des Preises, der von Brot für die Welt gefördert wird und der an den ersten Generalsekretär von Amnesty International erinnern soll, entscheidet eine Jury, in der zehn der weltweit agierenden Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch und Frontline Defenders vertreten sind.