Von Sunnyi Bohne
Colin Gonsalves hat Mut und einen langen Atem. Beides braucht er, denn der 65-jährige Anwalt setzt sich seit Jahrzehnten für die Menschenrechte in seinem Heimatland Indien ein. Dabei kann er sich auf die Verfassung berufen und eine Besonderheit des indischen Rechtssystems nutzen: Musterklagen im öffentlichen Interesse.
Brot für die Welt arbeitet seit vielen Jahren mit Colin Gonsalves und dem von ihm gegründeten Human Rights Law Network (HRLN) zusammen. Sein Rat ist bei nationalen und internationalen Partnern gefragt.
"Das Leben Millionen Entrechteter verbessert"
Für seinen „unermüdlichen und innovativen Einsatz vor Gericht, um die grundlegenden Menschenrechte von Indiens marginalisiertesten Bürgern zu schützen“ erhält der Anwalt nun den Alternativen Nobelpreis. Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt, erklärte bei der Bekanntgabe der Preisträger: „Colin Gonsalves hat Rechtsgeschichte geschrieben und das Leben Millionen Marginalisierter und Entrechteter verbessert. Wir freuen uns sehr, dass dieser herausragende Menschenrechtsanwalt und Partner unseres Werks mit dem Alternativen Nobelpreis geehrt wird.“
Mit einer Musterklage erreichte Gonsalves vor dem Obersten Gerichtshof Indiens, dass das Recht auf Nahrung als Voraussetzung für das von der indischen Verfassung geschützte Recht auf Leben anerkannt wird. Seit 2001 verpflichten zahlreiche Gerichtsanordnungen die indische Regierung und Behörden, das Recht auf Nahrung konkret durch staatliche Maßnahmen umzusetzen. 400 Millionen Inder haben so Zugang zu subventioniertem Getreide. Das ist eine große Hilfe für Familien, die nicht genug verdienen, um sich ausreichend zu ernähren. Darüber hinaus erhält jedes indische Schulkind täglich ein kostenfreies Mittagessen.
Netzwerk leistet Aufklärungsarbeit und juristische Vertretung
Damit nicht genug, der Anwalt setzt sich mit seinem Netzwerk auch für die Menschenrechte anderer verletzlicher Gruppen ein. Dazu gehören moderne Sklaven, Geflüchtete, Slumbewohner, Frauen, Arme sowie ethnische und religiöse Minderheiten. Neben der juristischen Vertretung leistet das Netzwerk auch Aufklärungsarbeit, etwa im Rahmen von Kampagnen, die Betroffene über ihre Rechte informieren.
Gonsalves selbst äußerte sich zur Preisvergabe mit den Worten: „Die Auszeichnung kommt zu einer Zeit, in der Indien durch eine dunkle Zeit geht und Menschenrechtsaktivisten unter Druck gesetzt werden. Der Kampf von David gegen Goliath wird weitergehen.“
Die in Stockholm ansässige Stiftung „Right Livelihood Foundation“ wurde 1983 von Jakob von Uexkull gegründet und ehrt mit dem Alternativen Nobelpreis Menschen, die sich ohne starke Lobby im Hintergrund für eine nachhaltige und menschenwürdige Zukunft einsetzen.