Schwierige Zeiten für Indigene und den Kampf um Anerkennung ihrer Rechte. Für viele europäische und andere westliche Staaten seien indigene Gruppen bei ihrer Entwicklungshilfe keine Priorität mehr, beklagt Nigel Crawhall. „In den vergangenen zwei Jahren ist die Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika drastisch zurückgefahren worden.“ Eine der wenigen Ausnahmen sei die Bundesrepublik. „Deutschland fühlt sich nach wie vor gegenüber Afrika und Minderheitenrechten verpflichtet,“ erklärt der Direktor von IPACC, einem internationalen Netzwerk indigener Organisationen in Afrika.
Im Vorfeld des G20-Gipfeltreffens in Hamburg ist Crawhall pessimistisch. Das liegt nicht zuletzt an der Politik der neuen US-Regierung, die das in Paris 2015 unterzeichnete globale Klimaabkommen in Frage stellt. Der weltweit bindende Vertrag enthält viele Instrumente, die die Rechte von Indigenen, Frauen und armen Menschen stärken. Dies sei vor allem für zukünftige Generationen wichtig. Was für Crawhall ein Hoffnungsschimmer ist, bezeichnet der Klimaskeptiker Trump als Hindernis für die Wirtschaftskraft seines Landes.
Crawhall und seine Mitstreiter glauben, dass der Präsidentengipfel Anfang Juli ein kompliziertes Treffen werden wird. „Bestimmt wird es viele schöne Reden über nachhaltige Entwicklungen gegen, aber konkrete Beschlüsse zu wichtigen Themen wie Menschenrechte, Klimawandel und Ernährungssicherheit wird es kaum geben“, sagt der Soziallinguist voraus. Seine Minimalhoffnung: Dass Deutschland und Kanada dafür sorgen werden, dass diese Themen nicht unter den Tisch fallen.
IPACC (Indigenous Peoples of Africa Coordinating Committee) besteht aus 135 Organisationen aus 21 afrikanischen Ländern. Das Netzwerk arbeitet eng mit dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen und der UNESCO zusammen und beteiligt sich an den UN-Konferenzen über Klimawandel und Biologische Vielfalt. Die Dachorganisation mit Sitz in Cape Town, Südafrika, ist auch ein Partnerprojekt von Brot für die Welt. Kapazitätsbildung für Lobby- und Advocacyarbeit für Klimagerechtigkeit steht im Mittelpunkt der Zusammenarbeit.
Alle Menschen in Afrika, so die Sichtweise von IPACC, sollen von der nationalen Wirtschaft und dem gesellschaftlichen Wohlstand profitieren und auch an der Regierung auf allen Ebenen beteiligt sein. Auf viele indigene Gruppen, die ihre traditionelle Lebensweise beibehalten haben, trifft dies heute nicht zu. Früher waren diese Gruppen aufgrund ihrer Spiritualität und ihrer Kenntnisse der Natur sehr respektiert. Doch seit ihrer Marginalisierung durch Kolonialismus und wirtschaftliche Ausbeutung werden sie von ihren eigenen Staaten oft ignoriert oder als anachronistisch, rückwärtsgewandt angesehen. IPACC fordert Respekt und Teilhabe dieser traditionellen Gruppen, damit ihre Kultur und Wirtschaftsformen nicht noch weiter gefährdet werden.
Als Beispiel für diese Gefahr nennt Nigel Crawhall die Jagd nach Bodenschätzen. Industriestaaten und transnationale Konzerne sehen Afrika zunehmend als Rohstofflieferant, was de facto auch dazu führt, dass korrupte oder undemokratische Regierungen gestützt werden. „Westliche Länder sind oft sehr halbherzig, wenn es um die Einhaltung von Menschenrechten und anderer Normen geht“, klagt Crawhall an. Jetzt kommen Handelsinteressen von asiatischen Ländern hinzu, die überhaupt keine Menschenrechts-Richtlinien haben. „Es ist eine neue Kolonisationswelle, die sowohl die Nachhaltigkeit wie unsere demokratischen Systeme bedrohen.“
Dies sei ein Aspekt, der beim G20-Treffen in Deutschland auf die Tagesordnung gehört: Alle Auslandsinvestitionen in unseren Ländern müssten sich an folgende Regeln halten: Wahrung des Umweltschutzes, Einhaltung der Menschenrechte, Minderung der Treibhausgasemissionen und keine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung vor Ort.
Ursache vieler Probleme der Indigenen ist der Verlust von Landbesitz. Ihr Überleben ist eng mit den natürlichen Ressourcen verknüpft. „Die Rechte der indigenen Gruppen, Afrikas Wälder, Wüsten, Oasen und Berglandschaften zu bewirtschaften und zu schützen, ist zuerst durch den Kolonialismus, dann durch die urbanen Interessen verpflichteten nationalen Regierungen und jetzt durch ausländische Investoren unterminiert worden“, analysiert IPACC-Direktor Nigel Crawhall. Mit nationaler und internationaler Advocacy-Arbeit gehen die Organisationen des Netzwerks gegen den Verlust ihrer Rechte vor. Dazu gehört Bildungs- und Lobbyarbeit ebenso wie die Kontrolle, ob multilaterale Verträge und Normen eingehalten werden.
Im ohnehin schwierigen Kampf gegen die Erderwärmung erwartet Crawhall neue, kräfteraubende Anstrengungen, um gegen die seiner Meinung nach irrationalen Angriffe gegen wissenschaftliche Erkenntnisse über die Ursachen des Klimawandels vorzugehen. Jede klimatische Veränderung hat unmittelbare und meist negative Auswirkungen auf die Gemeinden indigener Menschen, die viel mehr als die städtische Bevölkerung in und mit der Natur leben. Deswegen ist der Einsatz für das Pariser Klimaabkommen ein wichtiges Anliegen von IPACC. Crawhall hofft, dass die Mehrheit der Staaten, die sich für das Abkommen eingesetzt haben, sich der Position der neuen US-Regierung entgegenstellen werden.
Crawhall bedauert es, dass IPACC nicht beim G20-Gipfel präsent sein wird. Das Netzwerk indigener Organisationen im ärmsten Teil der Welt ist auf Finanzierung von außen angewiesen – und das Geld reicht natürlich nicht für alle Aktivitäten. Er findet aber, es sollte zu den G20-Prinzipien gehören, dass alle Stimmen gehört werden: „Diejenigen, die aus der Sicht der armen Menschen sprechen, sollten physisch präsent sein, um die Top-Politiker an die Realität zu erinnern.“