Cornelia Füllkrug-Weitzel nimmt die häufig kritisierten Exporterfolge der deutschen Wirtschaft als Ausgangspunkt für ihre Überlegungen: „Wo ein Handelsbilanzüberschuss ist, ist anderswo auch ein Handelsbilanzdefizit. Und wo ein Handelsbilanzdefizit ist, da sind auch Schulden, um diese Importe zu finanzieren.“ Zwar spräche grundsätzlich nichts gegen Exporte, wo zum Beispiel deutsche Ingenieurskunst im Ausland gefragt sei. Wenn Agrarexporte allerdings nur aufgrund von Subventionen und Raubbau an den Ressourcen zustande kämen, seien diese schädlich.
Füllkrug-Weitzel: Globalisierung muss politisch gestaltet werden
Daher gehe es darum die Globalisierung gerecht zu gestalten. Viele afrikanische Länder wollen Zugänge zu den Märkten der industrialisierten Staaten, sie müssten derzeit noch ihre eigenen Märkte schützen dürfen, bis sie in die gleiche Liga kommen, in der Europa spielt: „Brot für die Welt versucht daher Einfluss zu nehmen auf Handelsverträge, indem wir selbst mit Politikern sprechen oder Partner nach Europa einladen, damit sie Europa-Parlamentariern von der Situation in ihren Ländern berichten.“ Auch unterstütze Brot für die Welt die Partner dabei, auf ihre Regierungen Einfluss nehmen, damit diese sich bei internationalen Verträgen nicht über den Tisch ziehen lassen.
Mabanza: Afrika muss über seine Entwicklung selbst entscheiden können
Auch Boniface Mabanza von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika sieht die Globalisierung zwiespältig. Grundsätzlich sieht er für Afrika Chancen durch den Handel, jedoch brauchten wir „eine Entwicklung von einem freien zu einem fairen Handel“. Gleichzeitig müssten die afrikanischen Länder vor negativen Auswirkungen der Globalisierung geschützt werden: „Wir wollen im südlichen Afrika eine Abkoppelung, um selbst entscheiden zu können, wie wir uns entwickeln wollen.“
Seiner Ansicht nach liegt die Lösung in einer subsidiären Organisation des Welthandels: „Welthandel muss die Ausnahme werden. Handel muss zuerst lokal, regional, national betrieben werden, dann erst global.“
Fratzscher: Faire Regeln für den Welthandel sind nötig
Marcel Fratzscher, der Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sieht die Globalisierung grundsätzlich positiv. Allerdings solle es eine Globalisierung sein, bei der Solidarität soll nicht national, sondern global verstanden wird. Dabei müssten faire Regeln gelten: „Die armen Länder benötigen vor allem Chancengleichheit.“ So sei die Doha-Runde der Welthandelsorganisation, die für mehr Chancengleichheit sorgen sollte, daran gescheitert, dass Europa und Amerika nicht bereit waren, ihre Märkte für Agrarexporte aus den Entwicklungsländern zu öffnen. Ein weiteres Hemmnis seien unzureichende Bildungschancen, denn Bildung sei der Schlüssel dazu, dass Menschen Chancen bekämen.
Gleichzeitig kritisierte er die ungleiche Vermögensverteilung in den Industriestaaten und insbesondere in Deutschland. Da die Verteilung der Einkommen ungerecht sei, würden die schlechter Verdienenden weniger konsumieren und dadurch auch weniger Waren importiert. Bei mehr Importen wäre der auch der deutsche Exportüberschuss geringer.
Brand: Wir brauchen eine De-Globalisierung
Dieser Auffassung widersprach Ulrich Brand, Politikwissenschaftler und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac, grundsätzlich: „Die Globalisierung ist das Problem. Wir brauchen keine faire Gestaltung der Globalisierung, sondern eine De-Globalisierung.“ Der Wohlstand, der durch die Globalisierung geschaffen wird, erschaffe gleichzeitig viele negative Folgen: „In Zeiten, wo wir die ökologischen Grenzen unseres Planeten sehen, können wir nicht sagen, dass wir einfach überall hin reisen wollen.“
Für Wirtschaftsforscher Fratzscher ist dies der falsche Weg: „Sie wollen den Menschen die Freiheit nehmen.“ Auch sei eine De-Globalisierung Unsinn, weil sie den Menschen in armen Ländern die Möglichkeit nehme, aus der Armut zu kommen, indem sie diese Produkte, bei deren Produktion sie gut sind, verkaufen können.
Wachstum ist für Fratzscher zunächst nichts Schlechtes. Allerdings bedeutet Wachstum für ihn nicht unbedingt mehr Geld, sondern auch mehr Glück und Lebenszufriedenheit: „Wir brauchen Wachstum, wir müssen es nur richtig verstehen. Wir brauchen mehr Teilhabe.“ Daran mangele es aber in Deutschland.
Brand: Raus aus den Wachstumszwängen
Der Einschätzung, dass Wachstum nichts grundsätzlich Schlechtes ist, schloss Ullrich Brand sich an: „Wir müssen nicht raus aus dem Wachstum, aber wir müssen raus aus den Wachstumszwängen. Wir brauchen ein Wachstum zum Beispiel in Afrika im Bereich Bildung, bei erneuerbaren Energien, aber nicht überall.“
So würden viele Menschen durch die Immobilienpreise zur Mobilität gezwungen, weil sie sich die Mieten an ihren Wohnorten nicht leisten können. Auch die Elektromobilität sei keine Lösung, weil die meisten Ressourcen nicht beim Fahren verbraucht werden, sondern bei der Produktion des Autos und beim Straßenbau. Um aus den Wachstumszwängen herauszukommen müsse das Verkehrssystem so umgebaut werden, dass es möglich ist, seinen Arbeitsort per Fahrrad, zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.
Dem stimmte auch Boniface Mabanza zu: „Wenn wir sehen, wieviel Tonnen Erde in einer südafrikanischen Mine bewegt werden müssen, um an das Platin zu kommen, mit dem wir ein Auto ökologisch fahren kann, ist der Fehler im System klar ersichtlich.“
Füllkrug-Weitzel: Demokratie kann Probleme lösen
Cornelia Füllkrug-Weitzel plädierte dafür die Globalisierung zu gestalten, indem die Politik ihr einen Rahmen vorgibt. Sich dafür einzusetzen, sei auch ein Auftrag, den die Partner von Brot für die Welt ihr in Gesprächen mitgegeben hätten.
Bei allen Krisenerscheinungen, die derzeit die Nachrichtensendungen bestimmen, wendet sie sich gegen einen grundlegenden Pessimismus: „Die Demokratie ist in einer größeren Gefahr, als sie vor zehn oder zwanzig Jahren war. Ich glaube aber nicht, dass diese Entwicklung irreversibel ist. Es ist in Zeiten der Industrialisierung gelungen einen entfesselten Markt wieder einzufangen, das kann auch heute wieder passieren. Ich halte die Demokratie für in der Lage, dieses Problem zu lösen.“