„Ich bin wahrscheinlich der erste Mensch aus Tuvalu, der in einem Bergwerk gewesen ist“, sagt Maina Talia und bedankt sich für das eindrucksvolle Programm der letzten drei Tage. 20 Menschen stehen in einer großen Runde vor der Bundeskunsthalle in Bonn. Die Sonne geht gerade unter und der UN-Campus, Sitz der diesjährigen Klimaverhandlungen, ist nur wenige hundert Meter entfernt.
Die Bilanz des Brot für die Welt Partners und Klimaschutz-Aktivisten aus dem fernen Inselstaat Tuvalu zeigt eine der großen Herausforderungen der Frage nach einer gerechten Energietransformation. Kohle, die wir in Deutschland und vielen anderen Industriestaaten abbauen und verbrennen, ist in Tuvalu eigentlich völlig unwichtig.
Wenn da nicht der Klimawandel wäre – die Nutzung von Kohle hat einen enormen Anteil daran, dass der Inselstaat durch den steigenden Meeresspiegel in seiner Existenz bedroht ist. Natürlich ist das nicht gerecht. Genauso wenig wie die Tatsache, dass generell diejenigen Länderund Menschen am meisten unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden, die am wenigsten zu dessen Entstehung beigetragen haben. Die globale Erderwärmung kann nur gebremst werden, wenn der Energiesektor schnell und komplett mit nachhaltiger, erneuerbarer Energie transformiert wird. Doch wie kann diese Energiewende gerecht gestaltet werden?
Schon die Teilnehmenden der Studienreise spiegeln die Diversität der Debatte um einen gerechten Strukturwandel wider: sie kommen aus Kirchen, NGOs, Gewerkschaften und Forschungsinstituten von El Salvador bis Bangladesch. Je nach Kontext bringen sie ihr eigenes Verständnis von einer gerechten Energiewende mit, genauso wie die deutschen Gesprächspartner_innen, auf die sie treffen.
Das gilt für die Kumpel, die die Gruppe durch das Trainingsbergwerk Recklinghausen der dortigen Zeche führen. Sie haben selbst 30 Jahre unter Tage gearbeitet und ihre ganz eigene Beziehung zur Kohle und der Energiewende. Das gilt aber auch für die anderen Akteure, auf die die Gruppe beim Besuch verschiedener Projekte zu Erneuerbaren Energien und Strukturwandelprozesse in Herne, Dortmund und Wuppertal trifft. Die Ingenieur_innen, Städteplaner_innen, sozialen Unternehmer_innen, Gewerkschafter_innen sowie Landes- und Bundespolitiker_innen haben sehr unterschiedliche Perspektiven und Vorstellungen. Entsprechend können auch keine Erfolgsrezepte weitergegeben werden, stattdessen müssen individuelle Wege gefunden werden, die die Besonderheiten eines jeden Landes berücksichtigen.
Während der Studienreise konnten die Teilnehmenden ihre individuellen Positionen zu einem gerechten Strukturwandel überdenken und diskutieren. Am Ende der Reise steht für die Runde vor der Bundeskunsthalle in Bonn fest: es ist viel einfacher zu sagen, was nicht gerecht ist, als wirklich eine Antwort darauf zu finden, wie ein gerechter Übergang aussieht. Der intensive Erfahrungsaustausch ist für die Klimakonferenz in Bonn und darüber hinaus auf jeden Fall sehr wertvoll. Denn eine gerechte Energiewende kann nur begleitet von einem Diskurs aller betroffenen Akteure gelingen.
Vielen Dank an Larissa Marlen Aldehoff und Christian Klatt (beide Friedrich Ebert Stiftung) für die Vorlage zu diesem Blog.