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1000 Tage Agenda 2030 - Was hat sich bisher getan?

Heute vor 1000 Tagen hat die Weltgemeinschaft die Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung verabschiedet, mit deren Hilfe die globalen Herausforderungen wie Hunger und Armut, Klimawandel und Ressourcenverbrauch bewältigen werden sollen

Von Dr. Luise Steinwachs am

High Level Political Forum in New York 2017

Am 25. September 2015, genau vor 1.000 Tagen, haben 193 Staats- und Regierungschefs im Rahmen der Vereinten Nationen (UN) die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) verabschiedet. Die Kernanliegen der Agenda 2030 sind, weltweit Hunger und Armut zu beenden sowie die soziale Ungleichheit global und national zu reduzieren. Alle Maßnahmen, die ergriffen werden, um die Ziele zu erreichen, sollen zuerst den am meisten von Armut betroffenen Menschen zu Gute kommen. Laut Agenda 2030 darf niemand zurückgelassen werden – aber wie steht es aktuell um die Ziele der Agenda 2030 – sind wir einer sozial gerechten Welt ohne Hunger und Armut schon näher gekommen?

Hinweise darauf kann der jährliche Bericht des UN-Generalsekretärs über den Fortschritt bei der Erreichung der SDG („Progress towards the Sustainable Development Goals“) geben. Der Bericht ist eine Grundlage für die jährlichen Diskussionen im Hochrangigen Politischen Forum (High-level Political Forum, HLPF) der UN, dessen Aufgabe es ist, den globalen Fortschritt der Agenda 2030 zu bewerten. Eine Vorabversion des Berichts für das Jahr 2018 ist bereits erschienen.

„Armut beenden“ – die Realität sieht leider anders aus

Auch wenn extreme Armut in den letzten Jahren reduziert werden konnte, werden nach wie vor viele unter extremer Armut leidende Menschen nicht von Entwicklungsmaßnahmen erreicht. Es ändert sich nichts an ihrer Armutssituation. Für diese Gruppe, so sagt der SDG-Fortschrittsbericht 2018, sind universelle soziale Sicherungssysteme notwendig, die Unterstützung über den gesamten Lebenszyklus bereitstellen sollen. Die Realität sieht jedoch anders aus: Nur 22 Prozent der Menschen ohne Arbeitseinkommen erhalten Unterstützung, und nur 35 Prozent der Kinder werden etwa mit Kindergeld erreicht. Hinzu kommt, dass Katastrophen die Armutssituation verschärfen und ökonomische und soziale Entwicklungen verhindern. Vor diesem Hintergrund ist die Erkenntnis, dass 2017 eines der wärmsten Jahre seit der Aufzeichnung der Temperaturverhältnisse ist, besonders dramatisch. Der Meeresspiegel steigen weiterhin an, Wirbelstürme nehmen zu, Treibhausgase ebenfalls. Der Bericht des Generalsekretärs ruft daher erneut zu einer schnelleren und ambitionierteren Umsetzung des Pariser Klimaabkommens auf.

„Hunger und Mangelernährung beseitigen“ – der Trend geht in die falsche Richtung

Hunger und Mangelernährung sind noch lange nicht überwunden, die Menschenrechte auf Nahrung und sauberes Wasser nicht verwirklicht. Der Trend geht sogar in die falsche Richtung! Der Bericht verdeutlicht dies noch einmal anschaulich: Im Jahr 2016 hungerten 815 Millionen Menschen. Das sind 38 Millionen mehr als noch im Jahr 2015. Im selben Zeitraum litten rund 689 Millionen Menschen – das entspricht 9,3 Prozent der Weltbevölkerung – unter Ernährungsunsicherheit. Kinder sind besonders von den Folgen von Mangelernährung betroffen: 151 Millionen Kinder unter fünf Jahre (22 Prozent der Kinder weltweit) hatten im Jahr 2017 für ihr Alter ein zu geringes Wachstum. Im selben Zeitraum hatten 51 Millionen Kinder unter fünf Jahren für ihre Größe ein zu geringes Gewicht. Ähnlich viele Menschen, die an Hunger leiden, hatten zudem keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, nämlich 844 Millionen weltweit. Weitere 1,3 Milliarden Menschen und damit 17 Prozent der Weltbevölkerung mussten mehr als 30 Minuten zu Fuß laufen, um Zugang zu einer einfachen Trinkwasserquelle zu bekommen. Diese Misere wird von den 80 Prozent der ärmsten Länder bestätigt: Sie bemängelten, dass ihnen im Jahr 2017 zu wenig finanzielle Ressourcen zur Verfügung standen, um das Ziel der Agenda 2030, den Zugang zu sauberem Trinkwasser für alle zu ermöglichen, zu erreichen.

Die Ernährungssicherheit könnte deutlich erhöht, Mangelernährung reduziert und der Zugang zu sauberem Wasser verbessert werden, wenn die ländliche Infrastruktur und die Landwirtschaft – insbesondere auch die kleinbäuerliche – stärker gefördert würden. Stattdessen ist der Anteil der staatlichen Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP), der für die Landwirtschaft weltweit ausgeben wurde, von 2001 bis 2016 von 0,38 Prozent auf 0,23 Prozent gefallen. Die Unterstützung der Geber für die ärmsten Länder zum Ausbau der Landwirtschaft sind von Mitte der 1980er Jahre bis 2016 von knapp 20 Prozent auf nur 6 Prozent gefallen. Das macht insgesamt nur noch 12,5 Milliarden US-Dollar aus. Ein Großteil der Gelder für die Landwirtschaft fließt zudem in die Agrarindustrie – die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen oftmals vertreibt und einen hohen Wasserverbraucht hat. Dadurch wird die Ernährungsunsicherheit der Menschen in armen Regionen noch zusätzlich verstärkt.

Die 0,7-Prozent-Zielmarke ist noch weit entfernt

Schon im Jahr 1970 hatten die Industrieländer vereinbart, ihrer Verantwortung für eine global gerechtere Welt nachzukommen und 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für die Beendigung der Armut und die soziale Entwicklung für die ärmsten Länder bereitzustellen. Dieses 0,7-Prozent-Ziel haben die Industrieländer nie erreicht. Selbst im Jahr 2017 liegt der Anteil der Mittel für die offizielle Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA) laut Bericht des UN-Generalsekretärs bei nur 0,31 Prozent. Für die 30 Industrieländer, die im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ODA-Mittel bereitstellen, entspricht dies 146,6 Milliarden US-Dollar und stellt sogar eine Reduzierung um 0,6 Prozent dar! Zum Vergleich: Migrant_innen, die in den Industrieländern arbeiten und Geld an ihre Familien in ihren Heimatländer überweisen, brachten im Jahr 2016 538 Milliarden US-Dollar auf.

Nur fünf Länder – Dänemark, Luxemburg, Norwegen, Schweden und Großbritannien – geben tatsächlich 0,7 Prozent ihres BNE für die Entwicklungszusammenarbeit aus. Deutschland hat die Zielmarke im Jahr 2017 nur durch einen Trick erreicht: Es wurden die Kosten für Geflüchtete, die im Inland angefallen sind, auf die ODA-Quote angerechnet. Ohne diese Anrechnung läge die Quote bei 0,52 Prozent des BNE, also noch weit von der Zielmarke entfernt.

Steuereinnahmen verbessern, Steuervermeidung beenden

Aber nicht nur die reichen Industrieländer müssen ihren Beitrag zur Überwindung der globalen sozialen Ungleichheit leisten. Armut und Hunger bekämpfen die ärmsten Länder selbst durch die Einnahmen, die sie aus Steuern erzielen. Allerdings zeichnet sich bei den Steuereinnahmen ein für die soziale Entwicklung der Länder dramatischer Trend ab: Der Bericht des UN-Generalsekretärs zeigt auf, dass das Verhältnis von Steuereinnahmen zum BNE in den ärmsten Ländern zwischen 2012 und 2016 von 11,1 Prozent auf 8,8 Prozent sank. Ein Grund hierfür sind die oftmals geringen Kapazitäten der Verwaltungen, um Steuern effektiv einzutreiben. Hier müssen die reichen Industrieländer deutlich mehr Hilfestellung leisten und Auf- und Ausbauprogramm für die Steuerverwaltungen unterstützen. Ein weiterer, aus globaler Gerechtigkeitsperspektive viel wichtigerer Grund, ist aber die Steuervermeidung durch transnationale Unternehmen. Denn jährlich gehen den ärmsten Ländern geschätzt 100 Milliarden US-Dollar an Einnahmen verloren, weil transnationale Unternehmen Steuerschlupflöcher ausnutzen und ihre Steuern nicht in den Ländern zahlen, in denen sie ihre Gewinne erwirtschaften. Hier muss die internationale Gemeinschaft endlich einen Riegel vorschieben.

Was bleibt?

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Der Bericht des UN-Generalsekretärs macht noch einmal deutlich, dass die reichen Industrieländer ihrer Verantwortung zur Beendigung von Armut und Hunger sowie zur Verringerung der globalen Ungerechtigkeit im Sinne der Agenda 2030 bislang nicht nachkommen. Sie müssen – und dies gilt eben auch für die Bundesregierung – endlich:

  • ihren zugesagten Anteil von 0,7 Prozent des BNE bereitstellen – und zwar ohne die Anrechnung inländischer Kosten für Geflüchtete;
  • Regierungen beim Auf- und Ausbau universeller sozialer Sicherungssysteme unterstützen;
  • ausreichend Mittel für den Auf- und Ausbau der agrarökologischen kleinbäuerlichen Landwirtschaft in den ärmsten Ländern bereitstellen, um Ernährungssicherheit zu fördern und die Rechte auf Nahrung und sauberes Trinkwasser zu verwirklichen;
  • sowie die Steuervermeidung von transnationalen Unternehmen unterbinden, damit diese Steuern dort zahlen, wo sie Gewinne erwirtschaften, damit die ärmsten Länder ausreichend finanzielle Ressourcen für die öffentliche Daseinsvorsorge und Infrastruktur zur Verfügung haben.

Wir brauchen ein deutliches Umsteuern, um die Agenda 2030 umzusetzen und endlich für alle Menschen ein Leben in Würde und für unsere Welt eine nachhaltige Zukunft zu sichern.

 

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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