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Automatisierung fordert Globalen Süden heraus

In Deutschland sind Wirtschaft und Politik herausgefordert einen Strukturwandel zu gestalten. In den Entwicklungsländern hingegen wird die Automatisierung von zusätzlichen Herausforderungen begleitet: Landflucht, hohem Bevölkerungswachstum, geringer Bildung und Verdrängung von Kleinbauern.

Von Sven Hilbig am

Die Digitalisierung kommt nicht von ungefähr. Hinter ihr stehen handfeste ökonomische Interessen: Unternehmen versprechen sich von den digitalen Techniken insbesondere die Einsparung von Arbeitskräften und –Produktionskosten sowie eine damit einhergehende Steigerung ihrer Produktivität. Erste Untersuchungen zeigen jedoch: Die Vierte Industrielle Revolution führt, ähnlich wie frühere technische Errungenschaften,  nicht nur massiv Arbeitsplätze ab, zugleich, und das ist neu, schafft sie nicht im gleichen Umfang neue Arbeitsplätze. Laut einer Schätzung des Instituts Oxford Martin Programme on Technology and Employment sind in den USA lediglich 0,5 Prozent aller Erwerbspersonen in den neuen Hightech-Branchen tätig, die seit der Jahrhundertwende entstanden sind.

Diese Berechnungen und zahlreiche andere, mitunter dystopisch anmutende, Prognosen sind der Grund, warum sich die Arbeitnehmer/innen in Deutschland und anderen Industrienationen Sorgen um ihren Arbeitsplatz und den zukünftiger Generationen machen. Gewerkschaften, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie die Internationale Arbeitsorganisation ILO versuchen dementsprechend neue Konzepte zur ‚Zukunft der Arbeit‘ zu entwickeln. „Da angenommen wird, dass im digitalen Zeitalter die Nachfrage nach Arbeit stark zurück geht, gehört die Neugestaltung von Sozialtransfers und deren Finanzierung zu den tragenden Pfeilern dieser Konzepte.“   Im Mittelpunkt der Debatten steht die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Diese ursprünglich nur in linksalternativen und akademischen Kreisen diskutierte Idee, findet inzwischen auch Unterstützung durch Tesla-Gründer Elon Musk und Bill Gates.

 

Im Globalen Süden geht es um mehr als ‚nur‘ einen Strukturwandel

Für die Bürger/innen in der EU, den USA und Japan mögen dies tragfähige Antworten auf die Problematik des ‚jobless growth‘ sein, sowie es vielen ihrer Unternehmen auch gelingt, ihre Betriebe – dank vorhandener finanzieller Rücklagen - erfolgreich ins Zeitalter der Vierten Industriellen Revolution zu bringen. Für die Mehrheit der Entwicklungsländer stellt sich die Situation hingegen anders dar. Während es in Deutschland, aufgrund zunehmender Automatisierung, darum geht einen Strukturwandel erfolgreich zu gestalten, stehen die meisten Entwicklungsländer vor ungleich größeren Herausforderungen. Zum einen ist ihre Ausgangslage eine andere, zum anderen kommen  weitere zusätzliche Probleme hinzu, von denen ich im Folgenden ein paar benenne.

Für die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft besteht die Herausforderung darin, vorhandenen Wohlstand langfristig auf dem gegenwärtigen Niveau zu halten. Die Mehrheit der Gesellschaften im globalen Süden ist demgegenüber geprägt von Jugendarbeitslosigkeit, prekären Beschäftigungsverhältnissen und Armut. Sie können sich daher nicht damit begnügen, negative Auswirkungen der Digitalisierung zu verhindern, ihnen muss es gelingen, den digitalen Wandel so zu gestalten, dass zusätzliche, Arbeitsplätze geschaffen werden, die den Menschen und ihren Familien ein Leben in Auskommen und Würde verschafft.

Gerade für Entwicklungs- und Schwellenländer mit einem hohen Bevölkerungswachstum, in denen jährlich Millionen und Abermillionen weitere Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen, scheint die Bewältigung dieser Herausforderung als geradezu unmöglich. Wie können die vielen jungen Menschen im Globalen Süden Arbeit in einer Zeit finden, in der eine technische Revolution die Arbeitsprozesse immer weiter rationalisiert, und langfristig unter Umständen ganze Berufsgruppen überflüssig macht?

Landflucht

Was bedeutet die Digitalisierung für ein Land wie Indien, mit einer stark wachsenden Bevölkerung und einer Binnenmigration? Aller Wahrscheinlichkeit nach immigrieren in den kommenden Jahrzehnten weit über 200 Millionen Menschen aus ländlichen Gebieten in die Städte Indiens: Wo sollen sie Arbeit finden, wenn Fertigungshallen auch auf diesem Subkontinent automatisiert und menschenleer sind? Nach Schätzungen der Weltbank-Studie liegt der Anteil der Arbeitsplätze, die dort durch die Automatisierung bedroht sind bei 69 Prozent.

Starkes Bevölkerungswachstum

Ähnlich dramatisch stellt sich die Situation auf dem afrikanischen Kontinent dar. Mit 2,6 Prozent liegt die dortige Wachstumsrate der Bevölkerung sogar etwa 1,6 Prozent höher als in Asien. Bis 2100 wird ein Zuwachs der afrikanischen Bevölkerung von mehr als 3 Milliarden auf fast insgesamt 4,5 Milliarden Menschen erwartet.  Damit steht der afrikanische Kontinent vor ähnlichen Problemen, wie der indische Staat – allerdings in noch dramatischerem Ausmaße. Kann die neue digitale Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft ihnen einen Lebensunterhalt verschaffen?

Fehlende Bildung

Eine der Grundvoraussetzungen für einen erfolgreichen gesellschaftlichen Wandel, sind Investitionen in Bildung. Wie soll das in einer Region wie der Subsahara gelingen, wo 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen über keine oder eine völlig unzureichende Schulausbildung verfügen? Dort müssten die Investitionen noch sehr viel umfangreicher ausfallen als hierzulande. Aber woher kommen die Mittel?

Landwirtschaft 4.0 bedroht Kleinbauern

In der Subsahara stellt die Landwirtschaft für 62 Prozent aller Menschen die Lebensgrundlage dar. Eine Landwirtschaft 4.0, mit dem Ziel eine höhere Produktivität zu erzielen, auch um der wachsenden Stadtbevölkerung genügend Nahrungsmittel zu bieten, würde viele Kleinbauern ihre Arbeit und Existenz berauben. Laut einer Untersuchung bedrohe die Automatisierung im Global Süden vor allem drei traditionelle landwirtschaftliche Arbeitsfelder: Viehzucht sowie den Anbau von Faserpflanzen (z.B. Baumwolle) und Getreide.

Industrie 4.0 und Landwirtschaft4.0 fordern die Entwicklungsländer zweifach heraus. Zum einen, wie in diesem Beitrag geschildert, durch eine zunehmende Automatisierung im Globalen Süden. Zum anderen birgt aber auch die Automatisierung im Norden Risiken für die Entwicklungsländer, wie der folgende Beitrag ,Reshoring statt Outsourcing‘ zeigt.

 

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