Zusammen mit anderen entwicklungspolitischen und humanitären Organisationen nimmt Brot für die Welt den Tag der Demokratie zum Anlass, um auf die Verletzung der Grundfreiheiten seiner Partnerorganisationen hinzuweisen und konkrete Forderungen an die Bundesregierung zu stellen, damit sie sich weltweit wirkungsvoller für eine unabhängige Zivilgesellschaft, demokratische Gesellschaften und Menschenrechte einsetzt.
Nur 2 % leben in offenen Gesellschaften
Bereits seit mehr als zehn Jahren beobachtet Brot für die Welt mit Sorge, dass die zivilgesellschaftlichen Freiräume seiner Partnerorganisationen weltweit kleiner werden. Sie werden Schmierkampagnen ausgesetzt, neue gesetzliche und verwaltungstechnische Verordnungen beschränken ihre Arbeits- und Finanzierungsmöglichkeiten, sie werden bedroht oder verhaftet. Wie sich die Lage für soziale Bewegungen, Initiativen, Vereine und Nichtregierungsorganisationen im globalen Süden verschlimmert hat, zeigen die Daten von CIVICUS im Atlas der Zivilgesellschaft, den Brot für die Welt dieses Jahr zum ersten Mal veröffentlicht hat: nur zwei Prozent der Weltbevölkerung wird in ihren zivilgesellschaftlichen Rechten nicht eingeschränkt.
Immer mehr Partnerorganisationen von Brot für die Welt werden bedroht
Ein Blick auf die Notfallhilfe von Brot für die Welt für Partner bestätigt, wie sich die Situation der Partner verschlechtert hat. Seit 2015 hat sich die Anzahl der Partnerorganisationen von Brot für die Welt, die in akuten Notfällen durch Repression und Bedrohung an Brot für die Welt herangetreten sind, mehr als verdoppelt. Um Partner in unmittelbaren Notlagen wie politisch motivierten Gerichtsverfahren, Verhaftungen oder Bedrohungen schnell zu unterstützen können, hat Brot für die Welt bereits Ende 2013 ein Notfallprojekt eingerichtet. Damit konnte Brot für die Welt bisher fast 50 verschiedenen Partnerorganisationen dringend benötige Hilfe bezahlen wie zum Beispiel Anwaltskosten, medizinische oder psychosoziale Unterstützung oder Reisekosten – wenn Personen, weil sie bedroht werden, dringend für eine Zeit das Land verlassen müssen. In den letzten drei Jahren erreichte uns im Durchschnitt mindestens ein akuter Notfall im Monat.
Shrinking Space ist auch ein Symptom der weltweiten Demokratiekrise
Repression und Einschränkungen der Zivilgesellschaft sind auch Symptome einer Krise der Demokratie, der weltweit steigenden Anzahl an autokratischen Regimen und dem Rückgang der Demokratien. Der Bertelsmann Transformationsindex bestätigt diesen Trend: während vor zwölf Jahren noch jedes sechste Land demokratische Wahlen in vorbildlicher Weise abhielt, galt das in den Jahren 2015 und 2016 nur noch für jeden 14. Staat. Im selben Zeitraum untergrub die Exekutive die Gewaltenteilung in 24 Ländern, wohingegen nur sieben Länder Fortschritte aufwiesen. Dabei sind es oft neue Gesetze, die Menschenrechte verletzen und Grundfreiheiten verletzen, ohne die politisches und gesellschaftliches Engagement und wirkliche demokratische Beteiligung nicht möglich sind. Laut CIVICUS wurden alleine im Jahr 2017 weltweit 23 Gesetze beschlossen, die die Vereinigungs-, Versammlungs- oder Meinungsfreiheit in 21 Ländern einschränken.
Erschreckende Tendenzen auch in Ländern der Europäischen Union
Auch in Europa und Nordamerika wird der autoritäre Staat mit rechtsnational-populistischen Elementen und entscheidungsstarken Chefs bei großen Teilen der Gesellschaft wieder beliebter. Das machen uns die Erfolge der rechtsnationalen Parteien in vielen westlichen Ländern unmissverständlich klar. Dass der Trend des Shrinking Space immer mehr bei uns in Europa ankommt, ist besorgniserregend. Gerade in den letzten Monaten haben sich uns auch in Ländern der Europäischen Union und in Deutschland selbst Parallelen und Bezüge zur Situation unserer Partner immer deutlicher gezeigt. Beleidigende Rhetorik gegen Frauen, Menschen mit Behinderung und Flüchtlingen spaltet die Gesellschaft und schafft damit auch für zivilgesellschaftliche Akteure ein zunehmend schwieriges Umfeld. Denn wenn Schlagwörter wie „Anti-Abschiebe-Industrie“ und „Attacken auf den Rechtsstaat“ das Engagement für Flüchtlinge oder das Recht auf Asyl angreifen und die Arbeit der Seenotrettung massiv eingeschränkt wird, dann erinnert das an Anfänge von Einschränkungen und Schmähkampagnen gegen Partnerorganisationen im globalen Süden.
Aufruf an die Bundesregierung, sich weltweit für zivilgesellschaftliche Freiräume stark zu machen
Zusammen mit anderen entwicklungspolitischen und humanitären Organisationen sieht Brot für die Welt auch die Bundesregierung in der Pflicht. Mit einem Positionspapier fordern wir zusammen mit anderen Mitgliedsorganisationen des Verbands VENRO die Bundesregierung auf sich für zivilgesellschaftliche Freiheiten stark zu machen. In einem ersten Teil analysiert das Positionspapier den weltweiten Trend von Repressionen gegen die Zivilgesellschaft. Im zweiten Teil haben die VENRO Mitgliedsorganisationen konkrete Forderungen an die Bundesregierung gestellt, die aus ihrer Sicht notwendige Maßnahmen zur Verteidigung von Demokratie, Menschenrechten und einer unabhängigen Zivilgesellschaft sind. Eine der wichtigsten Forderungen ist, dass Politikfelder wie Handel, Außenwirtschaftsförderung, Entwicklung, Migration oder Sicherheit Menschenrechte und zivilgesellschaftliches Engagement keinesfalls beeinträchtigen dürfen.