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Der Klimawandel ist kein Friesenwitz

„Treffen sich Friesen und Einwohner aus Tuvalu auf einer Warft in Hooge…“ so könnte auch ein Witz anfangen, aber tatsächlich kam es zu dieser Begegnung anlässlich einer Studienreise von Brot für die Welt mit Partnerorganisationen aus dem Globalen Süden, die vom Klimawandel betroffen sind.

Von Sabine Minninger am

Besuch einer Warft auf Hallig Hooge

Im Anschluss an die UNO-Klimazwischenverhandlungen in Bonn hat Brot für die Welt eine Studienreise zum Thema „Klimarisikomanagement und –Finanzierung“ mit 13 Partnern aus dem Globalen Süden vom 9-16 Mai 2018 in Deutschland durchgeführt.

Die Teilnehmenden sind während der Tour mit unterschiedlichsten Akteuren (u.a. Bundespolitik, Universitäten, Fachorganisationen, einer Entwicklungsbank, einem Versicherungsunternehmen, Kommunal- und Landesbehörden, NGOs, Kirchen und weiteren Fachleuten) ins Gespräch gekommen zum Thema Klimarisikomanagement, Klimarisikoversicherung, Klimaanpassung und Klimarisikofinanzierung. Sie haben somit ein vertieftes Verständnis für klimabezogene Probleme und Lösungsansätze in Deutschland gewonnen und können dieses nun als einen Referenzrahmen nutzen in ihrer Arbeit zu ähnlichen Fragen in den jeweiligen Heimatländern. Auch wenn sich natürlich vieles nicht einfach übertragen lässt, so können doch Prinzipien, einzelne Technologien sowie Prozessabläufe in anderen Kontexten ebenfalls Anwendung finden.

So kam es am 13. Mai auf der Hallig Hooge genau zu der Anfangs beschriebenen Begegnung, bei der zwei Kollegen aus Tuvalu zusammen mit weiteren TeilnehmerInnen der Studienreise aus Äthiopien, Kenia, Tansania, Nepal, Indien, Bangladesch, Philippinen, Fidschi und den Salomonen mit der Kirchengemeinde in Hooge nach einem gemeinsamen Gottesdienst ins Gespräch kamen über die Gefahren des Meeresspiegelanstiegs und intensiver auftretender Stürme. Sowohl die beiden Kollegen aus Tuvalu sowie die Einwohner aus Hooge waren sich einig, dass Umsiedlung bisher keine Option ist sondern sie ihre Heimat schützen und anpassen möchten soweit es eben möglich sei. Gemeinsam forderten sie im Gespräch Klimagerechtigkeit den Betroffenen des Klimawandels und das vor allem die Verbrennung fossiler Brennstoffe ein Ende nehmen muss.

Das Hauptziel der Studienreise war das Wissen der Partner von Brot für die Welt zu stärken, die entweder auf politischer Ebene oder in der Projektarbeit sich gegen die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels engagieren.

Die Studienreise besuchte in Norddeutschland Orte, die regelmäßig von Extremwetterereignissen betroffen sind wie die Stadt Hamburg, die Insel Föhr und die Hallig Hooge im Wattenmeer. Zusätzlich haben die Partner von Brot für die Welt im Rahmen dieser Studienreise auch intensiven Austausch gehabt mit politischen Entscheidungsträgern wie auch mit Gemeinden und Menschen die besonders von Extremwetterereignissen betroffen sind, denen sie auch von ihren Erfahrungen berichtet haben. Ein wichtiger Kern der Reise war das gegenseitige Profitieren von den jeweiligen arbeits- wie heimatbezogenen Erfahrungen mit dem Klimawandel.

Während einer Führung der Abteilung für Gewässer und Hochwasserschutz der Stadt Hamburg, fachlich begleitet durch Jan-Moritz Müller, lernten die TeilnehmerInnen wie die Stadt Hamburg sich hochrüstet gegen Sturmfluten und Hochwasser. Die Schutzmaßnahme die auch ein Frühwarnsystem enthält kostet die Stadt über 50 Millionen Euro im Jahr.

“Es ist erstaunlich diese starken Schutzmaßnahmen und Initiativen zur Risikominimierung zu sehen, mit der die Stadt sich schützt gegen die Auswirkungen von Fluten. Was mich am meisten beeindruckt hat, sind die überdimensionalen Finanzmittel, die Kapazitäten und Technologien die in dieser Weltregion zur Verfügung stehen. Das hilft natürlich auch bei der Umsetzung von konkreten Maßnahmen“, findet Frances Namoumou, eine Teilnehmerin vom Pazifischen Kirchenrat in Fidschi.

Von sehr großer Bedeutung war der Besuch der Insel Föhr oder der Hallig Hooge vor allem für die TeilnehmerInnen aus Bangladesch und der Südsee, denn die Auswirkungen des Klimawandels und von Extremwetterereignissen ähneln sich. Landauffüllungen, der robuste Bau von den Deichen und Warften stießen auf sehr hohes Interesse. Vor allem der Austausch mit den Menschen vor Ort ob Experten vom Küstenschutz aus Schleswig-Holstein wie auch den Einwohnern der Hallig Hooge wurden als die Highlights der Reise gewertet, weil sich ein Gefühl der internationalen Solidarität zwischen den Gastgebern und den Besuchern aufbaute.

Tetet Lauron von der Organisation IBON International in den Philippinen war fasziniert von den Begegnungen: „Es ist sehr spannend zu erfahren, dass die Menschen hier in Norddeutschland mit ähnlichen Problemen und schwierigen Fragen konfrontiert sind wie wir in unserer Heimat. Wir teilen weltweit die gleichen menschlichen Werte: Wir schützen uns selbst und unsere Lieben“.

Rex Solo von den Salomonen war beeindruckt von dem hohen Aufwand der auf den deutschen Inseln betrieben wird, um durch Deiche die Risiken zu minimieren. „Wenn wir Zugang zu soviel Finanzmittel, Technologien und Kapazitäten hätten, dann könnten wir unsere Fähigkeiten uns dem Klimawandel anzupassen auch angemessen ausbauen“, sagt er.

Tetet Lauron sieht auch die Unterschiede in den Kapazitäten, was in vielen Entwicklungsländern ein großes Problem ist. „Es gibt einen großen Unterschied in den Kapazitäten zwischen einem Industrieland wie Deutschland und den Ländern, wo wir herkommen. Die gravierenden Ungerechtigkeiten in der globalen Entwicklung, vor allem wenn es um die Kapazitäten und Maßnahmen geht den Klimawandel zu bewältigen, sind immens groß. Wenn es auch einige Gemeinsamkeiten in der Betroffenheit durch den Klimawandel gibt, so bleibt der Unterschied zwischen Nord und Süd dennoch massiv.“

Laut Vijeta Rattani von Indien könnten einige Technologien, die sie auf der Reise gesehen hat auch den Menschen in ihrer Heimat helfen: „Nach wie vor teilen die Industrieländer wenig Mittel und Kapazitäten mit den Entwicklungsländern. Das sollte stärker gefördert werden durch die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Zusätzlich könnten einige Technologien so angepasst werden, dass wir zu niedrigeren Kosten Zugang zu diesen Alternativen bekommen.“

Brot für die Welt setzt sich seit Jahren dafür ein, dass die ärmsten und verletzlichsten Bevölkerungsgruppen im Globalen Süden angemessen unterstützt werden, sich gegen die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu schützen und in der Bewältigung von klimabedingten Schäden und Verluste. Gemeinsam mit Partnerorganisationen wird von reichen Staaten Klimagerechtigkeit für die Betroffenen eingefordert. Der Austausch zwischen den TeilnehmerInnen und den Besuchten zeigte deutlich die Unverhältnismäßigkeit zwischen Deutschland und zB Bangladesch im Zugang zu Finanzen und Technologien, um sich an den Klimawandel anzupassen.

Als Lichtblick wurde daher die InsuResilience-Initiative der deutschen Regierung zu Klimarisikoversicherungen gewertet, die durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf den Weg geleitet, und von KfW und GIZ umgesetzt wird. Ein Treffen mit allen drei Institutionen wurde genutzt, um die Möglichkeiten auszuloten, ob die deutschen Subventionen helfen, um im eigenen Land den ärmsten Menschen Zugang zu Versicherungsschutz zu gewähren. Die Initiative hat zum Ziel bis 2020 400 Millionen Menschen im Globalen Süden durch Klimarisikoversicherungen abzusichern, damit die ärmsten und verletzlichsten Menschen nach einem Wetterextremereignis schnellstmöglich wieder auf die Beine kommen.

Wir bedanken uns herzlich bei den zahlreichen Menschen, die mit uns ihr Wissen geteilt haben und sich für die Begegnung mit uns Zeit genommen haben in chronologischer Reihenfolge:

Sönke Kreft (Munich Climate Risk Insurance Initiative), Thomas Loster (Munich Re), Dr. Yvonne Walz und Karen Hattenbach (United Nations University), Annette Piening (Nordkirche Hamburg), Dr. Ulf Skirke (Zukunftsrat Hamburg), Jan Pingel (Evangelisches Missionswerk in Deutschland), Jan-Moritz Müller (Gewässer und Hochwasserschutz, Stadt Hamburg), Arfst Hinrichsen und Frank Barten (Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein), Michael Klisch und Merle Hartmann (Schutzstation, Wattenmeer Hooge), Pastor Nommensen (Kirchengemeinde Hallig Hooge), Katharina Nett (InsuResilience Sekretartiat der GIZ), Olga Pilifosova (UNFCCC), Philipp Knill (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), Prof. Dr. Claudia Kammann (Universität Geisenheim), Alexandra Albin und ihr Team (KfW Entwicklungsbank).

Wir bedanken uns für die fachliche Begleitung durch den Klimaforscher Prof. Dr. Hans von Storch und dem Berater Thomas Hirsch von Climate & Development Advice, da durch ihre Mitarbeit ein auf die Bedürfnisse der Partnerorganisationen gut abgestimmtes Programm durchgeführt werden konnte.

 

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