Der auf Ebene der Vereinten Nationen erarbeitete Globale Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration wird jüngst auch in Deutschland kontrovers diskutiert. Der rechte Rand macht gegen den Pakt mobil mit dem Vorwurf, dieser ebne den Weg für „Masseneinwanderung“, bedrohe eine vermeintliche „nationale Identität“ und schränke staatliche Souveränität bei der Steuerung der Migration ein.
Bereits vor über zwei Jahren, im September 2016 wurde auf dem Gipfel der Vereinten Nationen zu großen Flucht- und Migrationsbewegungen der Beschluss gefasst, angesichts der weltweiten Zunahme von Flucht- und Migrationsbewegungen und der immer stärkeren Vermischung und Überlagerung unterschiedlicher Wanderungsbewegungen zu mehr internationaler Kooperation und Verantwortungsteilung im Umgang mit Flucht und Migration beizutragen. Neben konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Verantwortungsteilung im Umgang mit Flüchtlingen und der Unterstützung von Erstaufnahmeländern von Vertriebenen sollte auch ein Beitrag zur Verbesserung der internationalen Migrationspolitik geleistet werden. Denn anders als die Flüchtlingspolitik, die mit der Genfer Flüchtlingskonvention und dem UNHCR über rechtliche und institutionelle Strukturen verfügt, ist die Migrationspolitik auf internationaler Ebene noch weitgehend unreguliert. Der nun viel diskutierte Migrationspakt soll diese Lücke schließen, grundlegende Standards im Umgang mit MigrantInnen definieren und die internationale Zusammenarbeit stärken.
Außerhalb der Fachöffentlichkeit hat lange Zeit kaum jemand von den intensiven Verhandlungen um den Migrationspakt Notiz genommen. Erst die Entscheidung der US Regierung im Dezember 2017, sich aus den weiteren Verhandlungen zurückzuziehen („The global approach in the New York Declaration is simply not compatible with U.S. sovereignty.“ ) schaffte die nötige Aufmerksamkeit, um auch Kritiker in anderen Ländern auf den Plan zu rufen. Länder wie Österreich, Australien und Ungarn zogen nach und erklärten, den Pakt bei der bevorstehenden Staatenkonferenz am 10. und 11. Dezember in Marrakesch nicht anzunehmen.
Kritik am Migrationspakt
Die Argumentation der Kritiker ähnelt sich. Stets wird eine angebliche rechtliche Verbindlichkeit des Pakts vorgebracht. Der Pakt begrenze staatliche Souveränität im Umgang mit Migration, bzw. setze als soft law langfristig internationale Standards, denen sich Staaten unterwerfen müssten. Wer sich das Verhandlungsdokument genau durchliest, wird hingegen keine Formulierungen finden, die die Argumente der Kritiker rechtfertigen. Außer Verweise auf ohnehin schon völkerrechtlich geltende Standards, wie beispielsweise im Bereich der Menschenrechte, belässt es der Pakt bei Empfehlungen. Diese können eingehalten werden oder eben nicht, ohne dass daraus Sanktionen folgen.
Was die Kritiker unberechtigterweise zum Vorwurf machen, sehen die Befürworter des Paktes als einen zentralen Mangel des nun ausgehandelten Dokuments. An den Konsultationen beteiligte Organisationen der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften, Migrantenverbände aber auch viele Hauptherkunftsländer von MigrantInnen hätten sich mehr rechtliche Verbindlichkeit in dem Dokument gewünscht. Weltweit leben und arbeiten noch immer Millionen von WanderarbeiterInnen unter teils menschenunwürdigen Bedingungen, die Verletzung grundlegender Menschen- und Arbeitsrechte sowie Diskriminierung sind an der Tagesordnung. Zwar liefert der Pakt ein klares Bekenntnis zur Verbesserung grundlegender Rechte von MigrantInnen, zum Abbau von Diskriminierung und der Beförderung der entwicklungspolitischen Effekte der Migration. Doch ob und wie dies von den Staaten durch konkrete Maßnahmen letztlich umgesetzt wird, lässt der Pakt noch weitgehend offen. Positiv ist immerhin, dass Staaten in regelmäßigen Abständen über die Umsetzung des Pakts berichten sollen (auch dies übrigens auf freiwilliger Basis) und der Austausch über gelungene Ansätze der Migrationspolitik in internationalen Foren gestärkt werden soll.
Migrationspakt als wichtiger Schritt
Dabei fehlt es im Pakt leider auch nicht an Empfehlungen, die eher die Handschrift einer restriktiven Migrationspolitik tragen: Maßnahmen zur Rückführung und Reintegration, Kooperation beim Grenzmanagement und die Bekämpfung von Menschenschmuggel nehmen im Migrationspakt viel Raum ein und werden sicherlich in Zukunft von zivilgesellschaftlicher Seite genau beobachtet werden müssen.
Trotz aller Schwächen ist der Migrationspakt ein wichtiger Schritt. Er enthält ein Bekenntnis dazu, dass Migration stattfindet und sie – richtig gestaltet – grundsätzlich positive Wirkungen sowohl für die Herkunfts- und Zielländer als auch die MigrantInnen entfalten kann. Und er spiegelt die Einsicht wieder, dass sich eine sinnvolle und entwicklungsorientierte Migrationspolitik nur durch eine Kooperation von Herkunfts- und Zielländern unter Einbeziehung der Migrantinnen und Migranten verwirklichen lässt.
Sicher ist: Menschen werden weiterhin migrieren, um in anderen Ländern Arbeit oder bessere Lebensperspektiven zu suchen, ob mit oder ohne Migrationspakt. Aber der Migrationspakt kann richtig umgesetzt dazu beitragen, dass die Entscheidung zur Migration freiwillig erfolgt und nicht aufgrund unwürdiger Lebensumstände, und dass die Migration sicher und in regulären Bahnen stattfindet und so die Gefahr, Opfer von Menschenhandel und Formen schwerer Arbeitsausbeutung zu werden, verringert wird.