Die FAO öffnet der Agrarökologie Tür und Tor
Mit dem am Abend des 5. Aprils zu Ende gegangenen dreitägigen Symposium hat die FAO der Agrarökologie Tür und Tor geöffnet. Dies ist insbesondere dem im nächsten Jahr scheidendem Generaldirektor der FAO Graziano da Silva und der FAO Einheit zu Agrarökologie zu verdanken. Gerade zu Beginn des Symposiums wurde deutlich, dass der Generaldirektor gerne noch mehr erreicht hätte und insbesondere die Ergebnisse des Symposiums gerne in einen stärkeren politischen Prozess überführt hätte als es nun der Fall ist. Doch dies wurde im Vorfeld und während des Symposiums von einigen wichtigen Mitgliedsstaaten aus Nordamerika, Europa und Ozeanien verhindert. Diese Staaten konnten aber nicht verhindern, dass die stark vertretene agrarökologische Basis aus Bäuerinnen und Bauern sowie NGOs im Verlauf des Symposiums einen immer dominanteren Einfluss auf das Symposium und die FAO nahm.
Gibt sich die FAO neue Wurzeln?
Auf den Gängen der FAO herrschte insbesondere am zweiten und dritten Tag eine beeindruckende bäuerliche Betriebsamkeit, denn abseits der offiziellen Plenen und Diskussionen nutzen die reichlich vertretenen sozialen Bewegungen, Bäuerinnen und Bauern und Wissenschaftler das Symposium umfassend zu weiterer Vernetzung. Auch im Plenum des großen Saals der FAO, der aufgrund des unerwartet hohen Andrangs von über 700 Teilnehmerinnen kurzfristig genutzt werden musste, dominierten die Stimmen der Zivilgesellschaft. In der Folge entstand eine lebhafte und konstruktive Stimmung, wie man sie man FAO eigentlich fast nie erlebt. Besonders stark wurde diese Stimmung von den Frauen aus Südamerika in die FAO getragen. Man konnte zuweilen fast den Eindruck gewinnen, die FAO würde durch ihre steinernen Hallen neue Wurzel mit der bäuerlichen und weiblichen Basis der Welternährung schlagen. Abends hallten vereinzelt Gesänge und Rufe durch die FAO, die man dort lange nicht vernommen hat. Kurz es herrschte in manchen kurzen Momenten euphorische Aufbruchsstimmung.
Wo bleibt der Einsatz der Mitgliedsstaaten?
Als positiv muss man den Einsatz von Frankreich und der Schweiz für das Symposium hervorheben. Ohne ihr finanzielles und politisches Engagement wäre das Symposium sicher in dieser Form nicht möglich gewesen. Ansonsten war erstaunlich oder erschreckend wenig von den Mitgliedsstaaten der FAO zu sehen. Eine kleine Ausnahme davon, war noch einmal das Abschlusspanel zur Zukunft der Agrarökologie, auf dem unteranderem auch Regierungsvertreterinnen aus Burkina Faso, Ungarn und dem Iran sprachen.
Ansonsten war sehr wenig von den Staaten zu hören, bis es darum ging die Ergebnisse des Symposiums festzuhalten, die dann in die nächste große FAO Planungskonferenz eingehen werden. Auffällig an der Ergebnissicherung war sofort, dass es nur einen zusammenfassenden und persönlichen Bericht des Vorsitzenden des Symposium Braulio Ferreira de Souza Dias geben würde. Persönlich bedeutet, der Text ist klar persönlich vom Vorsitzenden des Symposiums geprägt, also sein Text und nicht Gegenstand von Verhandlungen oder Abstimmungen. Für die diplomatischen Prozesse in der FAO, wie es mit Agrarökologie weiter geht bedeutet dies, es wurde mit die schwächste Form der Berichtserstattung über das Symposium gewählt die möglich ist. Dies hatten einige Staaten, aus den zu Beginn genannten Kontinenten, offensichtlich durchgesetzt oder dem Generaldirektor und der FAO war es nicht möglich gewesen ein stärkeres Format durchzusetzen.
Trotzdem wurde bei den Plenums Diskussionen zum persönlichen Bericht des Vorsitzenden Braulio Ferreira de Souza Dias, sehr deutlich wie stark und nahezu absolut die Abneigung einiger wichtiger Staaten gegenüber dem Agrarökologie Symposium und wahrscheinlich insbesondere dessen Verlaufs ist. So wurde noch kurz vor Abschluss des Symposiums von sieben nicht genannten Staaten gegen den Bericht interveniert, der daraufhin in den Tagen nach Abschluss des Symposiums noch überarbeitete werden sollte. Dies war immerhin das Versprechen von Braulio Ferreira de Souza Dias, der seinen persönlichen Bericht so doch zum Gegenstand von Verhandlungen machen musste, auch wenn es keine Abstimmungen im Plenum gab. So wurde aber auch deutlich, es wurde sehr genau registriert und beobachtet, was beim Symposium gesagt wurde und es wurde von den Freunden der Agrarindustrie als so bedeutend und bedrohlich wahrgenommen, dass selbst ein persönlicher Bericht zum Gegenstand von starken Interventionen gemacht werden musste.
Wo bleibt Deutschland?
Die Bundesregierung war mit einigen Referentinnen aus dem BMEL und dem BMZ beim Symposium vertreten. Diese waren aktive Zuhörerinnen und Beobachter des Geschehens, hatten aber offensichtlich auch aufgrund der erst kurz zuvor erfolgten Regierungsbildung kein Mandat sich groß in das Symposium einzubringen. Positiv war aber, wie offen sie sich für den Dialog oder kleine Gespräche mit Vertreterinnen der Zivilgesellschaft zeigten.
Angesichts der hochgesteckten Ziele, die das BMEL im Bereich Ökologischer Landbau laut Koalitionsvertrag hat, 20% Ökolandbau Fläche bis 2030, sollte man eigentlich erwarten, dass das BMEL in den nächsten Jahren das Thema Agrarökologie proaktiv und positiv verfolgt. Zumal im Koalitionsvertrag auch das Ziel verankert ist sich noch stärker in der FAO einzubringen. Mit Frankreich hätte man da mit Blick auf Agrarökologie einen starken und einflussreichen Partner. Aber es besteht die nicht unbegründete Gefahr, dass die Führungsebene des BMEL auch vier weitere Jahre versucht das überholte und gesellschaftlich nicht mehr anerkannte industrielle Agrarmodel zu verteidigen.
Die FAO hat mit dem Symposium auch dem BMEL Tür und Tor geöffnet die eigene Position der Vergangenheit zu überprüfen und sich beim Wandel auf die wichtigste Organisation der Vereinten Nation zum Thema Ernährung und Landwirtschaft zu beziehen. Man darf und muss auf jeden Fall gespannt sein, wie das Thema Agrarökologie auch Eingang in die Debatte um die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU findet.
Beim BMZ scheint man in einigen Bereichen schon etwas weiter zu sein als das BMEL. Die erfolgte Einbeziehung einiger deutscher Öko-Verbände und von IFOAM in verschiedene Projekte der Sonderinitiative eine Welt ohne Hunger legt die Hoffnung nahe, dass man sich im BMZ gedanklich und praktisch vorstellen kann stärker in eine Richtung zu gehen, die man in Teilen der Agrarökologie zu ordnen könnte. Auch hier gilt es abzuwarten, wie es wirklich von Seiten des Ministeriums weiter geht.
Wie geht es nach dem Symposium weiter mit der Agrarökologie in der FAO?
Dies ist eine der großen Fragen, dies sich viele nach dem Symposium gestellt haben, denn das Symposium an sich war erst einmal ein großer Erfolg für die Befürworter der Agrarökologie. Allein die hohe Beteiligung sprach Bände darüber, wie wichtig das Thema ist. Wichtig ist es dann, den Erflog weiter zu tragen. Doch auch gerade in FAO bleibt vieles unklar. Bekannt ist, dass in der FAO die Kapazitäten zu Agrarökologie mit zwei neuen Stellen in Rom und drei neuen in den Regionalbüros quasi verdoppelt werden. Dies zeigt aber auch wie schwach der Prozess bisher institutionell aufgestellt war.
Von großer Bedeutung wird es sein, wie das Thema Agrarökologie in die nächste große Planungskonferenz der FAO einfließt, denn dort werden die größeren Fragen zu Budget- und Themenzuschnitten debattiert. In den Prozess der zu dieser Planungskonferenz führt wird der gute Bericht des Vorsitzenden des Symposiums einfließen. Doch da es ein persönlicher Bericht ist und kein Verhandlungsergebnis, das Staaten zu etwas verpflichtet, ist der Bericht kein sehr starkes Instrument in diesem Prozess.
Zusätzlich endet 2019 die Amtszeit von Graziano da Silva als Generaldirektor der FAO. Seine Rolle in der FAO war aus Sicht der Zivilgesellschaft nicht immer positiv und nicht immer der Agrarökologie zugewandt. Aber das Symposium wäre ohne seinen persönlichen Einsatz sicher so nicht möglich gewesen, denn die Unterstützung der Staaten war wie beschrieben äußerst überschaubar. Es wird auch in Zukunft viel davon abhängen, wie der oder die neue Generaldirektorin zu Agrarökologie steht. Wird Sie oder Er den eingeläuteten Paradigmenwechsel, nichts anderes war dieses Symposium, fortsetzen oder wird es einen Versuch der Restauration der Zitadelle der Grünen Revolution geben. Die Zivilgesellschaft sollte die Wahlen zum Generaldirektor genau beobachten und versuchen geschickt zu beeinflussen. Der eigene indirekte Einfluss in diesen Gremien wird viel zu häufig unterschätzt.
Im Komitee für Welternährung (CFS) geht es weiter!
Der nächste wichtige und wesentlich verbindliche Prozess für die Durchsetzung der Agrarökologie wird der im Herbst 2019 erscheinende Bericht des High Level Panel of Experts des CFS zu Agrarökologie. Auf der Basis des Berichts werden dann zwischen den Mitgliedern des CFS konkrete Politikempfehlungen erarbeitete und von den Staaten verabschiedet werden. Hier ist dann eine viel größere Verbindlichkeit durch die Staaten gegeben. Dies gilt auch für Deutschland und das BMEL als verantwortliches Ministerium hat die CFS Prozesse bisher meist vorbildlich geführt und immer versucht die Ergebnisse wirklich auch zu implementieren. Auch daher darf man auf den CFS Agrarökologie Prozesse und die Entwicklungen im BMEL gespannt sein.
Klar ist nach dem Agrarökologie Symposium vom April, ein einfacher Prozess wird es nicht werden, denn vielen Staaten insbesondere aus Nordamerika und Ozeanien haben die Ergebnisse des Symposiums, so schwach diese auch im institutionellen Prozess sein mögen, überhaupt gar nicht gefallen. Sie werden sicher versuchen eine Verstetigung des im April eingeläuteten Paradigmenwechsels hin zu Agrarökologie und weg von der Grünen Revolution und Gentechnik mit allen Mitteln zu verhindern oder zu verzögern.
Im Endergebnis viel Kraft und Schwung für die Zivilgesellschaft
Genau weil dieser Paradigmenwechsel für viele Teilnehmerinnen des Symposiums endlich auch einmal in den Festen einer solch großen UN Institution wie der FAO spürbar war ist das Endergebnis des Symposiums für die Zivilgesellschaft ein großer Erfolg. Ein Erfolg der auch nicht von der institutionellen Schwäche des Abschluss Dokuments überschattet werden kann. Klar ist natürlich auch der Bericht des Vorsitzenden Braulio Ferreira de Souza Dias ist kein Text der Zivilgesellschaft, er hat seine inhaltlich Mängel, die auch noch einmal in einer Stellungnahme benannt worden.
Abschließend muss festgehalten werden, die FAO hat der Agrarökologie für drei Tage unerwartet Tür und Tor geöffnet und das hat den Bäuerinnen und Bauer sowie den Sozialen Bewegungen, die sich gerade unter einem enormen Druck befinden und sich wachsender Verfolgung ausgesetzt sehen unglaublich viel Kraft und Schwung verliehen. Diese Wirkung darf man nicht unterschätzen und auf das Symposium und seine Ergebnisse wird man sich auch in Zukunft immer beziehen können.