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Die unvorstellbare Not der Rohingya-Flüchtlinge

Seit sie vor Verfolgung in ihrer Heimat Myanmar geflohen sind, leben hunderttausende Rohingya im größten Flüchtlingscamp der Welt in Bangladesch. Die einsetzende Regenzeit spült viele provisorische Hütten einfach weg. Eine Tragödie, fast unbeachtet von der Weltöffentlichkeit.

Von Prof. Dr. h. c. Cornelia Füllkrug-Weitzel am

Janu Begum (35) musste mit ihrem Kind vor der Gewalt in Myanmar fliehen. Nun lebt sie in Kutupalong, dem größten Flüchtlingscamp der Welt

Fast ein Jahr ist vergangen, seit über 700.000 Menschen der muslimischen Minderheit der Rohingya aus Myanmar nach Bangladesch vertrieben wurden. Sie leben dort bis heute in einem riesigen Flüchtlingscamp - wahrscheinlich dem größten der Welt. Anfangs füllten Bilder völlig erschöpfter Menschen, die sich mit letzter Kraft über den Grenzfluss zwischen Myanmar und Bangladesch geschleppt haben, die Titelseiten und Nachrichtensendungen.

Damals war die Welt einige Wochen schockiert darüber, dass Menschen auf der Flucht vor Gewalt nirgendwo humanitäre Aufnahme fanden. Aktuell bewegt uns das Schicksal der Rohingya kaum noch – Menschlichkeit und Barmherzigkeit erscheinen im öffentlichen Diskurs nicht mehr als Grundwerte unseres christlichen Kontinentes, sondern als Probleme und Bedrohung unserer Gesellschaft. Die Abwehr und Zurückdrängung von Flüchtlingen ohne Rücksicht auf deren Leben als normal zu empfinden, wird uns täglich eingetrichtert. Das Desinteresse am Schicksal von Flüchtlingen wird in Teilen der Gesellschaft als patriotische Tugend eingeübt.

Die hygienischen Verhältnisse bereiten Sorgen

Die ohnehin schon erschütternde Situation der Rohingya spitzt sich darum seit Wochen fernab der Öffentlichkeit zu: in Bangladesch ist Regenzeit. Viele Hütten, in denen ganze Familien unter Plastikplanen leben, werden einfach weggespült. Das Trinkwasser in dem Riesencamp ist schon jetzt teilweise verseucht, die Versorgung mit Toiletten ein großes Problem. Um die Gefahr der Verbreitung gefährlicher Krankheiten einzudämmen, haben sich die Diakonie Katastrophenhilfe und ihre lokalen Partner vor Ort auf die Verbesserung der hygienischen Verhältnisse konzentriert. Wenigstens die Latrinen dürfen wir auf ein festes Beton-Fundament bauen. Für die provisorischen Unterkünfte der Menschen erlauben die Behörden vor Ort ansonsten nämlich nur Plastik und Bambus.

Die Rohingya haben in Bangladesch Schutz vor dem Militär in Myanmar gefunden, dauerhaft beheimaten will man sie dort, in der am schlechtesten entwickelte Gegend des ohnehin wahnsinnig armen Bangladesch, aber nicht. Schließlich existiert selbst für die Bevölkerung kaum eine Gesundheitsversorgung oder ein Bildungssystem. Mittlerweile gibt es ein Rücknahmeabkommen zwischen Bangladesch und Myanmar. Die meisten Menschen lehnen es aber ab. Wohin sollten sie auch zurückkehren? Ihre Heimatdörfer in Myanmar sind völlig zerstört, sie wissen nicht, wie sie ihre Kinder zur Schule schicken und sich selbst wieder ein Einkommen erwirtschaften sollen. Sie werden in Myanmar weiterhin keine Staatsbürgerschaft erhalten. Die Rohingya gehören seit Jahrzehnten zu den etwa zehn Millionen Staatenlosen auf der Welt, deren Schicksal es ist, keinerlei Rechte zu haben, von jedem Land abgewiesen zu werden, vogelfrei zu sein.

Wir müssen wieder hinschauen und mitfühlen

Dass das öffentliche Interesse an Flüchtlingsschicksalen im Allgemeinen und dem der Rohingya speziell zurückgegangen ist, hat dramatische Folgen: Die Politik und damit die finanzstarken Geber stellen weniger Mittel zur Verfügung. Diese Lücke müssen humanitäre Hilfsorganisationen füllen. Die wiederum sind vom öffentlichen Interesse abhängig, um Spenden zu bekommen. Es ist die Aufgabe von uns allen, das christliche Grundprinzip Nächstenliebe zu verteidigen und mit Leben zu füllen: Hinschauen, mitfühlen und Menschlichkeit zeigen – gegenüber den Rohingya, gegenüber allen Menschen, die Opfer von Rechtlosigkeit und Gewalt sind.

Der Text ist zuerst erschienen in der evangelischen Wochenzeitung für Berlin, Brandenburg und die schlesische Oberlausitz, "die Kirche" (Ausgabe 30/2018)

 

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