Der Gesundheitssektor ist durch die fortschreitende Digitalisierung weltweit im Wandel begriffen. Die Digitalisierung beinhaltet das Versprechen für bessere Gesundheitsförderung und Behandlungschancen, Erleichterungen für Ärzt*innen und Geschäfte für Konzerne der Gesundheitswirtschaft. Kurz, sie scheint das Wundermittel für die bestmögliche Gesundheitsversorgung für alle Menschen – von Gesundheits-Apps fürs Smartphone bis zu Kostenersparnissen durch elektronische Krankenakten.
Die Deutsche Plattform für Globale Gesundheit möchte in ihrem Fachworkshop die zu erwartenden Folgen einer fortschreitenden digitalen Vernetzung auf Gesundheit und die medizinische Versorgung kritisch unter die Lupe nehmen und über Chancen wie Risiken mit Ihnen diskutieren.
Wie verändert, erleichtert oder erschwert die Digitalisierung den Zugang zur Gesundheitsversorgung, zu gesunden Lebensverhältnissen? Inwieweit verändert sich unser Gesundheits- und auch unser Krankheitsverständnis?
Wir wollen folgenden Fragen im Einzelnen nachgehen:
Welche Folgen hat der strukturelle Ausbau von Wissensvorsprüngen und Datenbanken? Zu fragen ist auch danach, ob Menschen durch mehr technische Daten tatsächlich bessere Chancen auf ein gesundes Leben bekommen können. Welche neuen Geschäftsmodelle werden durch das Sammeln und Auswerten von gigantischen personalisierten medizinischen Datenbeständen möglich?
Beeinflussen diese, das Datensammeln, die Datenbestände wie die Geschäftsmodelle, unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit? Sind die mit Big Data verbundenen Gefahren von Kontrolle und Abhängigkeit ausschließlich ein Problem der Industrienationen oder auch für die Armutsbevölkerung der Welt? Welche Interessen haben oder entwickeln die Akteur*innen des Gesundheitswesens angesichts dieser neuen Möglichkeiten?
Das Thema gilt es also auf mehreren Ebenen zu betrachten. Gerade für Länder, in denen kein flächendeckendes Gesundheitssystem existiert, verspricht die Digitalisierung mit E-Health neue und bessere Versorgungsstrukturen möglich zu machen. Gleichzeitig droht sich ein biomedizinisches Krankheits- und Menschenbild weiter zu etablieren, das auf algorithmische Berechenbarkeit und Kontrollierbarkeit, auf Medikalisierung und Individualisierung eines gesundheitlichen Risikomanagement basiert. Strukturelle Verbesserungen wie sie ein Public Health bzw. Primary Health-Care Konzept vorsieht, könnten dabei mehr und mehr in den Hintergrund geraten.
Was treibt die Digitalisierung voran: das Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit oder das nach Anlagemöglichkeiten im globalen Gesundheitsmarkt? Wie lässt sich digitale Teilhabe und Gerechtigkeit im Sinne von Public-Private Ownership denken? Welche ethischen Grundsätze müssen hierfür gewahrt werden?
Ablauf des Workshops:
Am: 9. 11. 2018, 12.00-16.30 Uhr
Wo: Deutscher Gewerkschaftsbund, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin
Inputs und Diskussionsbeiträge:
Digitales Panoptikum - Kontrolle aus der Distanz
Erika Feyerabend
Sozialwissenschaftlerin und Journalistin, BiosKop – Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften
Digitalisierung zwischen Konzern- und Patient*inneninteressen
Manfred Fiedler
Diplomsozialwissenschaftler, Attac AG Soziale Sicherungssysteme
Digitalisierung im globalen Süden
Peter Grabitz
Peoples' Health Movement, European Coordinator - Universities Allied for Essential Medicines
Um vorherige Anmeldung bis zum 1.10.2018 per email wird gebeten:
info@plattformglobalegesundheit.de
Die Deutsche Plattform für Globale Gesundheit: In Deutschland haben sich 2011 verschiedene im Gesundheitsbereich tätige zivilgesellschaftliche Akteure zu einer Plattform für Globale Gesundheit zusammengefunden, deren Ziel es ist, unter den Bedingungen der fortschreitenden Internationalisierung der Lebensbedingungen den engen Zusammenhang zwischen globalen und lokalen Einflussfaktoren von Gesundheit stärker ins öffentliche Bewusstsein zu bringen, vorhandene Kräfte zu bündeln und in Deutschland politisch Einfluss zu nehmen. Die Plattform, in der Gewerkschaften, Sozial- bzw. Wohlfahrtsverbände, entwicklungs- wie migrationspolitische Organisationen, Wissenschaft, soziale Projekte und Bewegungen mitwirken, versteht sich nicht als weitere gesundheits- oder entwicklungspolitische Lobby-Gruppe, sondern als übergreifende Initiative mit dem Ziel, die sozialen Bedingungen für Gesundheit stärker in den Mittelpunkt der nationalen und internationalen Gesundheitsdebatte zu rücken. Außerdem will die Plattform die Zusammenarbeit zwischen nationalen und internationalen Initiativen stärken und dazu beitragen, die bisher bestehende Trennung zwischen innenpolitischer und globaler Gesundheitspolitik zu überwinden. Brot für die Welt ist Mitglied der Plattform.