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Eine Region auf der Flucht

Tausende Migrant*innen aus Mittelamerika ziehen in Karawanen in Richtung USA. Während US-Präsident Trump mit Militäreinsätzen droht, engagieren sich zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter Partner von Brot für die Welt, für die Menschenrechte von Migrant*innen und leisten humanitäre Hilfe.

Von Silke Pfeiffer am

Darauf war Costa Rica kaum vorbereitet. Seit Präsident Daniel Ortega im Nachbarland Nicaragua im April beschlossen hat, jegliches Aufbegehren gegen sein Regime gewaltsam zu unterdrücken, sind über 50.000 Menschen über die Süd-Grenze nach Costa Rica geflüchtet. Wir besuchen ein Projekt unserer Partnerorganisation, der lutherischen Kirche ILCO, in Sarapiqui, nördlich von San José. Die ILCO berät hier viele Neuankömmlinge. Die Geschichten der Menschen zeugen von Verzweiflung und Hilfslosigkeit. Die trámites (Behördengänge) sind wenig durchschaubar, auf den Termin bei der Migrationsbehörde müssen viele Menschen monatelang warten. Dabei hält Costa Rica seine Grenzen derzeit noch offen, eine zunehmende Seltenheit angesichts weltweiter Tendenzen.   

Trump hetzt gegen Migrant*innen

Nicht so weiter nördlich. 5.200 US-amerikanische Soldaten sollen die bestehende Truppe an der Grenze zu Mexiko verstärken, bis zu 15.000 könnten zum Einsatz kommen, so die Ankündigung von Präsident Donald Trump diese Woche. Es ist Wahlkampf in den USA und die „Invasion“ der Migranten-Karawanen willkommenes Mobilisierungsmedium. Seit Wochen hetzt der Präsident und schürt Ängste und Fremdenhass angesichts einer überschaubaren Menge von gebeutelten Menschen. Im äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass alle der ca. 4.000 Männer, Frauen und Kinder, die derzeit in vier Karawanen aus Honduras und El Salvador auf der Flucht sind, es bis an die US-amerikanische Grenze schaffen, stünden jeder und jedem von ihnen fast 3 Soldaten gegenüber.

Gewalt und Unsicherheit als Ursachen der Migration

Die Menschen, die sich auf den beschwerlichen und gefährlichen Weg machen, fliehen vor Armut und Gewalt in ihrer Heimat. Die extrem hohe Kriminalität in ihren Ländern ist kein Naturereignis. Sie ist Folge von Sicherheitspolitiken, die vor allem auf Repression setzen, anstatt die Ursachen von Gewalt zu bekämpfen. Seit Jahrzehnten verteidigen international geduldete und gestützte Eliten ihre Privilegien um jeden Preis und im Verbund mit der organisierten Kriminalität. Zwei Mittel taugen dafür ganz besonders. Die Korruption und die Straflosigkeit. „Die Menschen sind auch in ihren Häusern und Wohnvierteln nicht mehr sicher. Ihre Söhne und Töchter sind die häufigsten Opfer der Banden. Von der Polizei oder der Justiz können sie sich keinen Schutz erhoffen, dazu sind die Ermittlungskapazitäten und Zeugenschutzprogramme zu schwach, die Straflosigkeit mit 98% zu hoch“ sagt Vinicio Sandoval, Direktor unserer Partnerorganisation GMIES in El Salvador, die Menschenrechtsverletzungen in ganz Zentralamerika dokumentiert.

Gefährliche Migrationsrouten

Der Weg nach Norden ist nicht minder gefährlich. Fast zwei Drittel der Migrant*innen werden auf ihrem Weg durch Mexiko Opfer von Gewaltverbrechen. Raub, Mord, Entführung, Erpressung, sexuelle Gewalt, Menschenhandel, Verschwindenlassen sind Alltag auf der Migrationsroute. Immer wieder werden in Mexiko Massengräber verschwundener Migrant*innen entdeckt. Von staatlicher Seite ist keine Aufklärung zu erwarten. Im Gegenteil, Sicherheitskräfte sind vielfach direkt an den Menschenrechtsverletzungen an Migrant*innen beteiligt. Vor diesem Hintergrund bieten die Karawanen den Menschen vor allem eines: Schutz in der Menge.

Brot für die Welt unterstützt Partnerorganisationen in Herkunfts-, Transit- und Empfängerländern der zentralamerikanischen Migration. Die Organisationen bieten Rechtsberatung, engagieren sich in der Lobbyarbeit für menschenrechtsbasierte Migrationspolitiken, unterstützen Migrant*innen in ihrer Selbstorganisation, setzen sich für die strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen an Migrant*innen ein und treiben die länderübergreifende Vernetzung voran. Angesichts der Karawanen sind viele von ihnen vor Ort, um über Übergriffe zu berichten oder humanitäre Unterstützung zu leisten. CASM (Comité de Acción Social Menonital) aus Honduras begleitet die Karawane mit einem drei-köpfigen Team bereits seit ihrem Aufbruch in Honduras und ist eine der vielen Organisationen, die dazu beitragen, die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen. CASM und die Scalabrini Schwestern kümmern sich auch um traumatisierte und/oder verletzte Rückkehrer*innen oder Abgeschobene. Voces Mesoamericanas aus Süd-Mexiko hat zusammen mit anderen lokalen Menschenrechtsorganisationen eine Beobachtungsmission eingerichtet und dokumentiert regelmäßig die unhaltbare Situation in mexikanischen Abschiebegefängnissen, in denen auch Minderjährige rechtswidrig festgehalten werden.

Notwendiger migrationspolitischer Wandel

Auch wenn sich die mexikanische Regierung unter Präsident Peña Nieto angesichts der Karawanen weniger polemisch und rassistisch als der große Nachbar im Norden gibt, hat sie in den letzten Jahren in Sachen Migration den Schulterschluss mit den USA verfolgt. Mit dem Programm „Frontera Sur“ hat eine de facto Externalisierung der US-Außengrenze nach Südmexiko stattgefunden. Mexiko schiebt inzwischen deutlich mehr Menschen ab als die USA und verweigert immer wieder Menschen ihr Recht auf die Beantragung von Asyl.

Das Schicksal der Karawanen ist ungewiss. Selbst wenn sie es bis in den Norden Mexikos schaffen sollten, bleibt unklar, ob und wie vielen von ihnen es möglich sein wird, die Grenze zu passieren auf der Suche nach einem besseren Leben in Sicherheit. Schon seit etlichen Jahren haben die USA ihre Einwanderungspolitik stetig verschärft. Unter der Trump Regierung hat sich diese Tendenz mit der massiven Inhaftierung von Migrant*innen und Asylsuchenden an der Grenze, der Nicht-Annahme von Asylgesuchen, der Trennung von Kindern von ihren Eltern, der Auflösung der Temporären-Schutz-Abkommen mit El Salvador und Honduras sowie der Ausweitung von Abschiebungen noch einmal massiv beschleunigt.

Es ist Zeit für einen Wandel weg von einer militaristischen und menschenfeindlichen hin zu einer menschenrechtsorientierten Politik, die die strukturellen Ursachen von Migration in den Blick nimmt und legale Migrationsmöglichkeiten schafft. Es bleibt abzuwarten, ob der anstehenden Regierungswechsel in Mexiko zu einem solchen Paradigmenwechsel beitragen wird. Die Migrant*innen können und werden nicht darauf warten. Sie ziehen weiter gen Norden.

 

 

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