Die Federführung für die Vorbereitung von Debatten und Abstimmungen zum "Europäischen Verteidigungsfonds" wurde dem "Ausschuss für Industrie-, Forschung und Energie" (ITRE) im EP übertragen. Der Auswärtige Ausschuss hat lediglich die Möglichkeit mitzuberaten und seine Meinung dazu abzugeben. Es geht schließlich um ein umfangreiches Projekt, mit dem die Rüstungsindustrie in den EU-Mitgliedstaaten in den kommenden Jahren subventioniert werden soll. 13 Milliarden werden für den Verteidigungsfonds während der Laufzeit des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) im Zeitraum 2021 bis 2027 veranschlagt. Laut EU-Kommission soll der Fonds dazu beitragen, "die globale Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskapazitäten der technologischen und industriellen Basis der Union zu stärken". Gleichzeitig wird betont, dass das Budget für die Umsetzung der "Globalen Strategie der EU" und der gemeinsamen "EU-NATO-Deklaration" unerlässlich sei. Die Kommission hatte am 13. Juni 2018 ihren Entwurf für eine Verordnung zum Verteidigungsfonds vorgelegt. Am 19. November stimmte der Rat der EU diesem Vorschlag in einem "Standpunkt" zu (d.h. er gab eine Teilzustimmung, da der finanzielle Umfang von den Verhandlungen über den nächsten "Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-27" abhängig ist).
Keine Finanzierung von Killer-Robotern, aber auch keine Ethikprüfung
Im Forschungsbereich hat die EU bereits 2017 mit der Subventionierung von Rüstungsprojekten begonnen. 90 Millionen Euro wurden dafür bis 2019 veranschlagt und ab 2020 sollen 500 Millionen jährlich für Rüstungsforschung bereitgestellt werden. Für Entwicklung und Beschaffung werden für 2019-20 500 Millionen Euro veranschlagt, und nach 2020 will man1 Mrd Euro jährlich dafür investieren. Positiv ist zu vermerken, dass es bislang zumindest im Bereich der autonomen Waffensysteme Zurückhaltung gibt. Die Entwicklung von Killer-Robotern soll nach Auffassung des EP nicht aus dem Verteidigungsfonds unterstützt werden. Der Vorschlag, für alle eingereichten Projekte eine Ethikprüfung vorzunehmen, wie es bei zivilen Programmen Standard ist, wurde jedoch abgelehnt. Die Fraktion der Grünen Parteien (Greens/EFA) hatte sich dafür stark gemacht. Kritiker befürchten, dass die Etablierung des Europäischen Verteidigungsfonds die europäische Rüstungsindustrie eher zu mehr Exporten animieren und nicht zur Effizienz und Kosteneinsparung im Rahmen einer gemeinsamen Sicherheitspolitik beitragen wird. Zudem ist absehbar, dass es keine wirksame Kontrolle der Ausgaben durch das EU Parlament geben wird.
Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU und Kooperation mit der NATO
In seinen "Conclusions" vom 19.11.2018 erklärt der Rat erneut den Wunsch nach Steigerung der Fähigkeiten der EU als "security provider", deren strategische Autonomie gestärkt und deren Fähigkeiten für die Zusammenarbeit mit Partnern ausgebaut werden müssten. Fortschritte sieht der Rat nicht nur im Bereich des Verteidigungsfonds, sondern auch im Bereich der EU-NATO-Kooperation und der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit ("Permanent Strategic Cooperation", PESCO). Gemäß einer gemeinsamen Erklärung von Rat, Kommission und dem NATO-Generalsekretär vom 10.7.2018 gilt es insgesamt 74 gemeinsame Aktivitäten und Projekte umzusetzen. Dabei geht es vor allem um die Unterstützung grenzüberschreitender Zusammenarbeit für die schnelle Verlegung und Dislozierung von Waffen und Truppen. Hier besteht die Herausforderung darin, intensiv zu beobachten, aus welchen Budgets diese Kooperationen im einzelnen finanziert werden sollen.
Erweiterung der PESCO-Projekte und des Mandats für die EU-Kommandozentrale
Im Rahmen der 2017 geschaffenen PESCO hat der Rat bereits 17 Vorhaben aus den Mitgliedstaaten im vorigen Jahr angenommen. Diese Liste wurde nun aktualisiert. Die Bandbreite der geförderten Projekte reicht von Trainingsmaßnahmen über die Entwicklung gemeinsamer Waffen- und Trägersysteme bis hin zu Kooperationen im Bereich der Überwachungstechnologien und "Cyber Security". Und last but not least beschloss der Rat auch noch, die Kompetenzen der EU-Operationszentrale (OPSCEN) zu erweitern. Bislang konnte diese nur sogenannte „nicht-exekutive-Einsätze“ planen und leiten. Vorrangige Einsatzgebiete waren Länder in der Sahelregion und am Horn von Afrika, v.a. die EU-Militärmissionen in Somalia, Mali und der Zentralafrikanischen Republik. Ab 2020 soll dieses Hauptquartier nicht nur die Verantwortung für die Planung und Durchführung der nicht-exekutiven Einsätze übernehmen, sondern auch "exekutive militärische Operationen in der Größenordnung von bis zu einer EU Battlegroup" leiten können. Die Zentrale existiert seit 2007. Sie wurde nicht als ständiges Hauptquartier geschaffen, sondern jeweils nach Bedarf mit militärischem Führungspersonal aufgestockt. Seit 2012 wurden vor allem GSVP-Missionen in Afrika darüber koordiniert. Die Frage nach der Errichtung eines ständigen operativen Hauptquartiers wird in der EU seit Jahren kontrovers diskutiert. Im Juni 2017 erhielt die Brüsseler Operationszentrale das Mandat, als "ständige Kommando- und Kontrollstruktur" die "zivil-militärische Zusammenarbeit" der EU-Missionen zu effektivieren. Angesichts britischer Widerstände und Ängste vor einer Konkurrenz zu den NATO-Strukturen verzichtete man auf die Bezeichnung "Hauptquartier" und wählte dafür die komplexe Umschreibung "Operationszentrale für die Militärische Planungs- und Durchführungsfähigkeit".
Zeitschiene für weitere Entscheidungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-27
Mit dem Gesetzentwurf zum Europäischen Verteidigungsfonds wird sich das Plenum des EP voraussichtlich im Dezember befassen, erst dann kann dieser abschließend zwischen Rat, Kommission und Parlament verhandelt werden. Parallel dazu muss sich das EP auch mit dem Kommissionsentwurf zum neuen "Instrument für Nachbarschaft, Entwicklung und Internationale Kooperation" (NDICI) befassen, in dem bisher eigenständige Finanzierungstöpfe für Entwicklung, zivile Krisenprävention und Friedensförderung, sowie Demokratie und Menschenrechte integriert werden sollen. Die Kommission möchte diese Töpfe im Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-27 mit dem Budget für Nachbarschaftspolitik verschmelzen und stärker auf "Migration" ausrichten. Änderungsanträge der EU-Abgeordneten zu diesem Verordnungsentwurf müssen bis zum 14. Dezember 2018 eingereicht werden. NGOs und NGO-Netzwerke - wie das European Peace Liaison Office (EPLO), die European NGO-Confederation for Relief and Development (CONCORD) und das Human Rights and Democracy Network (HRDN) haben sich zu dem Vorschlag kritisch verhalten und ihrerseits Änderungswünsche angemeldet.
EP-Entschließung zur besseren Kontrolle und Einschränkung von Waffenexporten
Am 14. November verabschiedete das Europäische Parlament (EP) eine Entschließung zu Waffenexporten und zur Umsetzung des 2008 beschlossenen "Gemeinsamen Standpunkts" zu diesem Thema. In der Entschließung wird festgestellt, dass ein "europäischer Verteidigungsmarkt dazu dient, die Verteidigung der Mitgliedstaaten und Unionsbürger zu gewährleisten, und dazu beiträgt, die "Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" (GASP) und (...) die "Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik" (GSVP) umzusetzen." Gleichzeitig werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, "die derzeitige mangelnde Effizienz bei den Verteidigungsausgaben infolge von Überschneidungen, Fragmentierung und mangelnder Interoperabilität zu überwinden und darauf hinzuarbeiten, dass die EU unter anderem auch dadurch zur Sicherheit beitragen kann, dass sie Waffenausfuhren besser kontrolliert." Es werden umfassendere Risikoanalysen für Ausfuhren angemahnt, "unter Berücksichtigung von Faktoren, wie etwa des Zustands der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der sozioökonomischen Entwicklung des Bestimmungslands". Das EP fordert die Mitgliedstaaten auf, die Kriterien für Rüstungsausfuhren, die im Gemeinsamen Standpunkt der EU von 2008 fixiert wurden, endlich zur Anwendung zu bringen und "Vorkehrungen für die Durchführung unabhängiger Kontrollen zu treffen". Gleichzeitig sollen die Kriterien auch auf den Transfer von Militär-, Sicherheits- und Polizeipersonal, auf rüstungsbezogene Dienstleistungen, Know-how und Ausbildung, Sicherheitstechnologie und auf private Militär- und Sicherheitsdienste ausgeweitet und angewendet werden. Weiterhin fordert die Entschließung des EP ein Waffenembargo gegen Saudiarabien und zudem Sanktionen gegen Mitgliedstaaten der Union, die den "Gemeinsamen Standpunkt" nicht befolgen.
Die Forderung nach Ausweitung der vom EP verabschiedeten Kriterien für Rüstungsausfuhr ist von großer Bedeutung, weil so auch die zahlreichen im Rahmen von EU-Missionen oder von den Mitgliedstaaten aufgelegten Programme zur Ausbildung und Ausrüstung von Sicherheitsapparaten in Drittstaaten in den Blick genommen werden könnten, die hierzulande als "Ertüchtigungsintiativen" und von der EU mit "Capacity Building for Security and Development" umschrieben werden. Um zu einer kohärenten EU-Politik zu kommen, müssten sich die EP-Abgeordneten bei der Abstimmung über den Europäischen Verteidigungsfonds an die Positionen des Parlaments zu den Rüstungsexporten erinnern und dieses industrielle Subventionsprojekt kritisch auf seine Folgen hin überdenken. Zum anderen sollten Sie auch die Vorschläge für das neue Auswärtige Instrument (NDICI) kritisch beleuchten und sich gegen eine Instrumentalisierung von Budgets für Entwicklung, Friedens- und Menschenrechtsförderung für migrationspolitische Zwecke und "Ertüchtigung" zur Wehr setzen.