Als Deutscher erfährt man hier nicht nur vieles über Georgien, sondern auch, wie die Leute hier auf das eigene Herkunftsland schauen. Egal wo und in welchem Zusammenhang: Immer wieder bin ich in Kontakt mit dem Land gekommen, das ich ja eigentlich mal für ein Jahr hinter mich lassen wollte. Einmal abgesehen von dem Besuch von Angela Merkel, der zufällig wenige Wochen nach meiner eigenen Ankunft in Tbilisi stattfand, sind vor allem die vielen aus Deutschland importierten Gebrauchtwagen zu erwähnen, die in großer Zahl über die hiesigen Straßen düsen – wenn wohl auch nicht mehr in dem Maße wie früher einmal. Sobald man, im Taxi sitzend, vom Fahrer als Deutscher erkannt wird, wird oftmals stolz auf das Mercedes- oder BMW-Logo auf dem Lenkrad gezeigt, selbst wenn der Wagen schon mehr als fünfzehn Jahre auf dem Buckel hat und gefühlt so viele Abgase ausspuckt wie ein ganzes Kohlekraftwerk.
Zudem fallen die etlichen LKWs und Kleintransporter auf, die weiterhin mit dem Emblem und den Aufschriften ihrer deutschen Voreigentümer versehen sind. Ich vermute, dass der aktuelle Besitzer damit zeigen möchte, dass der Wagen wirklich aus Deutschland kommt und daher vermeintlich auch eine hohe Qualität hätte.
Denn während der Stern des früher so erfolgreichen Labels „Made in Germany“ eher schwächelt, genießen deutsche Produkte in Georgien immer noch ein sehr hohes Ansehen. In größeren Supermärkten werden ihnen nicht selten ganze Regale gewidmet, die großzügig mit den deutschen Landesfarben dekoriert sind und daher nicht ansatzweise übersehen werden können. Besonders die Edeka-Produktreihe „Gut & Günstig“ ist sehr präsent, wobei zumindest das „günstig“ im Namen hier allerdings keine Berechtigung mehr hat, da die Preise dieser Produkte aufgrund der Importkosten allesamt über dem Durchschnitt liegen.
Oder eben Angela Merkel: Sie ist in Georgien mehrheitlich das Symbol guter Politik. Ein Kollege von mir, der gleichzeitig auch Politikwissenschaften in Tbilisi studiert, sagte mir, dass er, wie auch viele andere Georgier auch, die deutsche Politik mit Stabilität aber auch Macht assoziiere und dass das auch für das eigene Land erstrebenswert sei.
Ein Aspekt der unterhaltsameren Sorte ist die Tatsache, dass es sehr viele Georgier gibt, die zumindest ein paar Brocken Deutsch können und das auch gerne aufblitzen lassen. Egal ob der Marschrutkafahrer (Marschrutka=ein aus Georgien nicht wegzudenkendes Verkehrsmittel im Format eines Kleinbusses). Egal ob in der Stadt oder auf dem Land, die Kombination aus vielfältigem Streckenangebot, häufigen Abfahrtszeiten und kleinen Preisen überredet einen immer wieder dazu, mangelnden Komfort und teils fragwürdige Fahrstile in Kauf zu nehmen., die Kellnerin, ein Dorfbewohner von einem Projekt meiner Partnerorganisation („Das ist fantastisch“) oder ein ehemaliger Nachbar, der mir voller Stolz alte deutsche Soldatenlieder rezitierte, alle konnten sie ein paar wenige Worte Deutsch. Auch der erwähnte Dorfbewohner fährt übrigens einen alten Transporter. Es ist nicht schwer, zu erraten, woher dieser importiert wurde…
Text und Bilder: Hannes Jung