Das diesjährige "FriEnt-Peacebuilding Forum" fand vom 13.-14. Juni in den Räumen der Friedrich Ebert Stiftung in Berlin statt. Mehr als 200 Expert/innen aus aller Welt beteiligten sich an den Diskussionen, darunter zahlreiche Friedensaktivist/innen, die in Krisenregionen engagiert sind, sowie Repräsentanten aus Parlamenten, Regierungseinrichtungen, Forschungsinstituten und internationalen Institutionen. Die Plenardiskussion am ersten Tag widmete sich einem "Realitätscheck" zur Frage "Global policy - local peace?" Dort ging es zum einen um die Frage, wie internationale Agenden (z.B. die Agenda 2030 oder Normen, die mit UN-Resolutionen gesetzt werden) sinnvoll in lokale Kontexte übersetzt werden können. Zum anderen wurde der schrumpfende Handlungsspielraum für zivilgesellschaftliche Organisationen in seinen globalen Ausmaßen diskutiert und darüber nachgedacht, wie Netzwerke und Partnerschaften gestrickt sein müssen, um diesem Trend etwas entgegenzusetzen und friedensfördernde Aktivitäten wirksam werden zu lassen. Ein Highlight bildete die Plenardiskussion am 2. Tag zum Thema: "Breaking Silos: A new movement for prevention?" Steven Simpson (Center for International Cooperation, New York University), sprach über verfehlte Präventionsanstrengungen und die Notwendigkeit, Institutionen- und Sektorenübergreifende Ansätze zu finden. Emma Leslie (Centre für Peace and Conflict Studies, Kambodscha) skizzierte Dilemmata und Möglichkeiten, "Silodenken" zu überwinden, am Beispiel ihrer Arbeit in Asien und in der Pazifikregion. Graeme Simpson (Interpeace) stellte die Ergebnisse einer Studie zum Thema "Youth, Peace and Security" vor, die zahlreiche Vorurteile und Annahmen über Jugendgewalt und Radikalisierung hinterfragt und den friedensfördernden Potenzialen junger Menschen nachspürt.
Dazwischen bewegten sich die Teilnehmenden in 15 Workshops, die sich spezifischen Regionen und aktuell brennenden friedenspolitischen Themen widmeten. Brot für die Welt war an der Gestaltung und Moderation von mehreren Workshops aktiv beteiligt, unter anderem zu den Themen "EU External Politics in the Nexus Peace, Development and Security", und: "Advocacy for Peace - Transnational Networking for More Effective Lobby Work". In der Veranstaltung zur EU-Politik ging es vor allem um den aktuellen Trend zur "Versicherheitlichung" von Strategien, Diskursen und Finanzierungsinstrumenten.
EU-Trends: "Versicherheitlichung" von Strategien und Finanzinstrumenten
Die Frage, in welche Richtung sich die Europäische Union entwickeln sollte, und welchen Beitrag Deutschland für eine europäische Friedenspolitik leisten kann, beschäftigte auch die öffentliche Veranstaltung am 13. Juni in der Kalkscheune, zu der die "AG- FriEnt" gemeinsam mit der "Deutschen Stiftung Friedensforschung" und dem "Beirat Zivile Krisenprävention" eingeladen hatte. Es diskutierten Niels Annen (Staatsminister im Auswärtigen Amt), Dr. Fransziska Brantner (MdB, Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Thomas Helfen (Leiter des Referats Frieden und Sicherheit im BMZ), Stefano Tomat (European External Action Service) und Dr. Martina Fischer (Brot für die Welt). Niels Annen sprach über die Notwendigkeit, Mediationsansätze auf EU-Ebene auszubauen, und in einem "vernetzten Ansatz" unterschiedliche Instrumente zu verknüpfen, sowie über die institutionellen Voraussetzungen für eine bessere Koordinierung, die im Auswärtigen Amt mit der "Abteilung S" (Stabilisierung) geschaffen wurde. Bis Ende 2018, so hoffe er, sollten auch auf der EU-Ebene Vereinbarungen zur Stärkung der zivilen Instrumente der Krisenprävention und Friedensförderung auf den Weg gebracht werden. Stefano Tomat erläuterte die EU-Strukturen, betonte das Stichwort "vernetzter Ansatz", und hob unter anderem die Aktivitäten der EU im Bereich des "Capacity Building in Security and Development" (CBSD) hervor, mit denen "Stabilisierung" in zahlreichen Partnerländern anvisiert werde. Dr. Thomas Helfen unterstrich die Bedeutung von langfristigem entwicklungspolitischem Engagement als Element von Prävention und Friedenskonsolidierung in Nachkriegsregionen und würdigte die Beiträge staatlicher wie nicht-staatlicher Akteure.
Falsche Prioritäten: Mehr Geld für EU-Militärkooperation - Kürzungen in der zivilen Krisenprävention
Franziska Brantner und Martina Fischer bewerteten die aktuellen Ansätze und Schwerpunktsetzungen im globalen Engagement der EU hingegen sehr kritisch. Franziska Brantner kritisierte das eklatante Missverhältnis einer intensivierten Kooperation auf militärischer Ebene und massiver Ausgaben für den 2017 beschlossenen "Europäischen Verteidigungsfonds" und für Rüstungsforschung auf der einen Seite, und Kürzungen in den EU-Haushaltsplanungen für zivile Krisenprävention und Friedensförderung auf der anderen Seite. Diese Kritik betraf vor allem die von der EU-Kommission am 14.6. vorgelegten Entwürfe für den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen (2021-27): eine Fülle von friedenspolitischen Aufgaben, die im laufenden Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR 2014-20) mit dem "Instrument für Stabilität und Frieden" (ICSP) gefördert wurden, sollen im neuen MFR 2021-27 nach dem Willen der EU-Kommission entfallen. Dazu zählen Maßnahmen zur Aufarbeitung von Vergangenheit, Reintegration von ehemaligen Kämpfern, zur Resozialisierung von Kindersoldaten, Beseitigung von Landminen, ziviler Kontrolle des Sicherheitssektors, Unterstützung der Rolle von Frauen, Unterstützung von Zivilgesellschaft in der Friedensförderung, oder auch zur Unterstützung der Friedensforschung. Martina Fischer erläuterte die Positionen von Brot für die Welt zu den von der EU-Kommission geplanten Umstrukturierungen in der "Finanzarchitektur" der Union, die die Schaffung eines neuen und einheitlichen Instruments für "Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Kooperation" vorsieht. Sie forderte die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass die Instrumente für Entwicklung, Friedensförderung und Menschenrechte als eigenständige Budgets erhalten bleiben. Brot für die Welt befürchtet, dass in der neuen Haushaltsplanung ansonsten Entwicklungspolitik den kurzfristigen sicherheits- und migrationspolitischen Interessen der EU und ihrer Mitgliedstaaten untergeordnet wird, und dass bewährte und etablierte Instrumente zur Förderung von Zivilgesellschaft (wie z.B. das Instrument für Stabilität und Frieden, sowie das Instrument für Demokratie und Menschenrechte) aufgelöst oder ihrer Substanz beraubt werden. Ein weiteres Argument lautete, dass effektive Politik der Krisenprävention sowohl auf der europäischen als auch auf der nationalen Ebene von ressortübergreifender Abstimmung und Kohärenz geprägt sein müsse. Dafür müsse man verhindern, dass präventive Ansätze, die im Bereich der Außen- oder Entwicklungspolitik auf den Weg gebracht werden, von Versäumnissen oder fehlgeleiteten Entscheidungen in anderen Ressorts (z.B. der Außenwirtschafts-, Agrar-, Handels- oder Finanzpolitik) konterkariert werden. Der "Do-no-harm" Ansatz müsse ernst genommen werden, und dabei gehöre vor allem die Rüstungsexportpraxis auf den Prüfstand. Solange Waffen aus deutscher Produktion weiterhin in Krisen- oder Kriegsgebiete gelangten, würde den 2017 vom Bundeskabinett verabschiedeten "Leitlinien: Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern" die Glaubwürdigkeit abgehen. Ähnlich problematisch sei, wenn unter dem Etikett "CBSD" im Rahmen von sogenannten "Migrationspartnerschaften" Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe an Milizen oder Diktaturen in afrikanischen Ländern geleistet werde, die Menschenrechte missachten.