Bei der Eröffnung begrüßte Argentiniens Präsident Mauricio Macri die über 400 Vertreter_innen der Zivilgesellschaft und nahm das Civil20 Policy Pack – die Stellungnahmen zu den diesjährigen G20-Themen – entgegen. „Die Zivilgesellschaft spielt eine Schlüsselrolle in Dialog- und Konsensbildungsprozessen“, sagte Macri im Palast San Martin, dem Gebäude des Außenministeriums, in dem die zweitägige Civil20-Veranstaltung stattfand. „Wir alle müssen Protagonisten sein und uns an den wichtigen Diskussionen beteiligen. Globale Lösungen erfordern Engagement und Handeln – nicht nur von Regierungen, sondern von allen Akteuren der Gesellschaft.“
Der argentinische Präsident lobte die Civil20-Empfehlungen als „einen konstruktiven Beitrag vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs“, der im November in Buenos Aires stattfinden wird. Er gratulierte den Civil20-Vertreter_innen besonders zur Erstellung einer Anti-Korruptions-Erklärung und zu der Arbeit, die sie in Bezug auf die Gender-Problematik geleistet haben. „Wir wollen weiterhin für internationale Zusammenarbeit, den Multilateralismus und Global Governance eintreten. Jetzt ist es an der Zeit, es zu beweisen“, betonte Macri. „Ich ermutige Sie alle, weiterhin Anstrengungen zu unternehmen und Ihre Fähigkeiten einzubringen, um mitzuhelfen, die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern.“
600 Organisationen, 40 Länder, eine gemeinsame Stellungnahme
Zu den Prioritäten der argentinischen G20-Präsidentschaft zählen neben der globalen Finanzstabilität auch die entwicklungsrelevanten Themen: Zukunft der Arbeit, Infrastruktur und Nahrungssicherheit. Im Hinblick darauf haben die Civil20 thematische Positionen zu den G20-Themen erarbeitet, um Fehlentwicklungen und Kohärenzlücken in der offiziellen G20-Agenda aufzuweisen.
Das 42-seitige Civil20 Policy Pack ist das Ergebnis eines mehrmonatigen Arbeitsprozesses, an dem sich über 600 Nichtregierungsorganisationen aus mehr als 40 Ländern beteiligt haben. In internationalen virtuellen Arbeitsgruppen wurde über relevante Themen debattiert – darunter die wachsende Ungleichheit zwischen und innerhalb der Länder, Korruptionsskandale und Steuerflucht, aber auch die wachsende Staatsverschuldung und Risiken einer weiteren Finanzkrise. Die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels sowie Umweltzerstörung und Gesundheitskrisen gehörten ebenfalls zu diesen Themen, ebenso der ungleiche Zugang zu Bildung und Beschäftigung.
Basierend auf den Civil20-Diskussionen der vergangenen Jahre fasst das Civil20 Policy Pack die diesjährigen Empfehlungen der Zivilgesellschaft an die G20 zu den Themen Korruptionsbekämpfung, Internationale Finanzarchitektur, Bildung, Klima, Gender, Investitionen, politische Partizipation und Gesundheit zusammen. „Die Staats- und Regierungschefs der Welt müssen dringend nachhaltige Lösungen für die heutigen Probleme finden“, heißt es in der Erklärung der Civil20. „Wir wissen, dass dies keine leichte Zeit für den Multilateralismus ist, aber es gibt keine andere Möglichkeit: Gemeinsame Probleme brauchen gemeinsame Lösungen.“
Brot für die Welt hat dabei aktiv in der Civil20-Arbeitsgruppe zur internationalen Finanzarchitektur und Steuergerechtigkeit mitgearbeitet und organisierte auf dem Gipfeltreffen zusammen mit unseren Partnern Latindadd und Afrodad den sehr gut besuchten Workshop zu internationaler Staatsverschuldung und sozialen Auswirkungen.
Wie ist der Gipfel zu bewerten?
Die Civil20 hat sich in den fünf Jahren ihres Bestehens zu einer wichtigen Plattform für den Austausch und die Positionsfindung der breiten Zivilgesellschaft entwickelt – sowohl auf regionaler als auch, über virtuelle Arbeitsgruppen, auf globaler Ebene. Doch unter der argentinischen Präsidentschaft gab es leider nur geringe finanzielle Unterstützung für die Civil20, so dass eine Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus Übersee kaum möglich war. Die meisten der anwesenden NGOs am Civil20-Gipfel kamen aus Argentinien und anliegenden lateinamerikanischen Staaten.
Zwar werden die Empfehlungen der Civil20 den politischen Entscheidungsträgern der G20 übergeben, doch der politische Einfluss der Zivilgesellschaft auf deren Entscheidungen ist nur minimal. Während die Business20 (B20) im Zentrum der Engagement Groups stehen und Einfluss auf offizielle Beratungen nehmen können, führten die Civil20 auch in Argentinien nur ein Randdasein. Anders als beim deutschen Civil20-Gipfel 2017 haben sich nur wenige Politiker den zivilgesellschaftlichen Diskussionen gestellt. Erfreulich war immerhin die Beteiligung des G20-Referats des argentinischen Finanzministeriums am Abschlusspodium des Civil20-Gipfels sowie die Bereitschaft, auf die offenen Fragen zu Finanzmarktthemen zu antworten.
Über die Civil20
Civil20 bezeichnet eine von sieben offiziellen Beteiligungsgruppen der G20 (zu den weiteren zählen u.a. Y20 (Youth), W20 (Women) oder das Business-Forum B20). Das C20-Forum eröffnet einen Raum zum Dialog der Vertreter_innen internationaler Nichtregierungsorganisationen mit politischen Entscheidungsträgern der G20. Es diskutiert und erarbeitet Policypapiere, die den G20 mit dem Ziel vorgelegt werden, relevante Politikprozesse zu beeinflussen. Zwar haben zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen die Arbeit der G20 schon seit dem ersten Treffen der Staats- und Regierungschefs im Jahr 2008 kritisch begleitet. Doch erst 2013 wurde die Civil20 unter der russischen G20-Präsidentschaft offiziell als eine der G20–Beteiligungsgruppen gegründet.
2017 hatte VENRO gemeinsam mit dem Forum Umwelt und Entwicklung die Koordination des C20-Prozesses übernommen. In diesem Jahr wird der argentinische Civil20 von Transparency International/Argentina (Poder Ciudadano) und dem argentinischen NRO-Netzwerk RACI geleitet. Daneben gibt es einen internationalen Beratungsausschuss, einen Lenkungsausschuss, einen Civil20-Sherpa (Botschafter), einen Sekretariat und thematische Arbeitsgruppen mit ihren entsprechenden Koordinatoren.