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Handelsrecht - freie Fahrt auf der Datenautobahn?

Die Gestaltung der Digitalisierung ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Neue Entwicklungen in der Handelspolitik drohen jedoch den Handlungsspielraum von Regierungen zu verengen und den IT-Giganten freie Fahrt auf der Datenautobahn zu garantieren, Steuerbefreiung eingeschlossen!

Von Sven Hilbig am

Rechenzentrum

Digitaler Handel umfasst inzwischen mehr als nur den Handel mit elektronischen Gütern. In Handelsabkommen geht es auch darum Datenflüsse zu regulieren, - besser gesagt: nicht zu regulieren.

Die Idee das Handelsrecht zu nutzen, um rechtlich verbindliche Vereinbarungen zum Datenverkehr zu treffen ist nicht neu. Die USA verabschiedete bereits im Jahr 2000 eine Digitale Agenda, in der sie diese Zielsetzung formulierte. In den Folgejahren wurden diese Vorstellungen nach und nach Bestandteil bilateraler US-Handelsabkommen.

Den IT-Giganten aus dem Silicon Valley und der US-Handelsdelegation ging es in erster Linie darum, sicherzustellen, dass der globale Datenfluss nicht durch nationale Politiken eingeschränkt werden kann. Zukünftige Handelsabkommen sollten deshalb die folgenden drei Kernelemente enthalten: Erstens, nationale Regelungen verbieten, die beabsichtigen den grenzüberschreitenden ‚freien Datenfluss‘ zu regulieren. Zweitens, solle es nur unverbindliche Bekenntnisse zur Netzneutralität sowie niedrige Standards zum Verbraucher- und zum Datenschutz geben. Schließlich sollte, drittens, verboten werden  Zölle oder Steuern auf die Zirkulation von Daten zu erheben.

Handlungsspielräume – das umkämpfte Terrain

Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung war das noch von der Obama-Regierung erfolgreich zu Ende verhandelte Transpazifische Partnerschaftsabkommen (TPP), dem, neben den USA, elf weitere Staaten angehörten. Zwar ist die USA unter Trump aus dem Abkommen ausgestiegen, die handelsrechtliche Blaupause zum freien Datenfluss ist aber trotzdem geschaffen. Unter dem Namen ‚Comprehensive and Progressive Trans Pacific Partnership‘, (CPTPP) haben sich, Anfang 2018, die elf verbleibenden Staaten (Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur, Vietnam) zur Freizügigkeit der Datenflüsse verpflichtet: Zur Sicherstellung einer unbeschränkten grenzüberschreitenden Datenübertragung verbietet das Abkommen nationale Regelungen, die eine lokale Speicherung und Verarbeitung von Informationen vorsehen. Ebenso verboten ist der Zugriff auf Quellcodes, ganz gleich wie dominierend ein ausländisches E-Commerce-Unternehmen in einem bestimmten Land ist. Es bedarf keines Fachwissens um zu erkennen: diese Vereinbarung greift weit in den Regelungsbereich von Staaten ein und beschränkt stark den Gestaltungsspielraum der jeweiligen Regierung.

Datensouveränität und Entwicklung

Sollten sich die Prognosen der meisten Wirtschaftsanalysten bewahrheiten, wonach sich die digitalen Daten zum wichtigsten Rohstoff des 21. Jahrhunderts entwickeln, sind internationale Verträge, die eine Speicherung auf den nationalen Servern verbieten, aus ökonomischer Perspektive mehr als nur problematisch. Denn die Beantwortung der Frage, wer über die Verfügungsgewalt über Daten besitzt, entscheidet darüber, wer zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern dieses Transformationsprozesses gehört. In einer Welt in der die Datenmenge exorbitant ansteigt (Gemäß den Berechnungen von International Data Cooperation/Seagate wird sich die weltweit zur Verfügung stehende Datenmenge bis 2025 verzehnfachen!) und die nächsten Phasen der Digitalisierung noch datenabhängiger werden, namentlich: Internet of Things und Künstliche Intelligenz, wird sich Datensouveränität zu einer der großen Herausforderungen in der Entwicklungszusammenarbeit entwickeln.

Gegenwärtig besteht eine solche Regelung zwar nur im Rahmen eines regional begrenzten, asiatisch-pazifischen Abkommens. Für die Entwicklungsländer und Europa ist dies jedoch kein Grund sich entspannt zurückzulehnen. Auf die im CPTPP-Abkommen getroffene völkerrechtlich verbindliche Regelung haben die ‚Datenstaubsauger‘ aus dem Silicon Valley fast zwanzig Jahre hingearbeitet. Es liegt im intrinsischen Interesse von Google, Amazon, aber auch asiatischen Großkonzernen beim Sammeln, Analysieren und Verwerten von Daten keinen Beschränkungen zu unterliegen. CPTTP gilt ihnen als Blaupause für das multilaterale Handelsregime. Im Vorfeld der letzten WTO-Ministertagung, Ende 2017 in Buenos Aires, waren von einigen Akteuren bereits Debatten, in diese Richtung angestoßen worden. Beim diesjährigen WTO Public Forum, Anfang Oktober 2018 in Genf, wurden ebenfalls Forderungen laut, im Rahmen der WTO ein „kohärentes Regelwerk“ für den digitalen Handel bzw. Datenfluss zu schaffen. Kernelemente eines solchen multilateralen Regelwerks seien das Verbot von Datenlokalisierung sowie dem zweiten kritischen Aspekt des CPTPP-Abkommens: Der Verzicht der Länder auf Gebühren, Zölle und Steuern.

Verbot von Steuern und Abgaben

Einer der großen Herausforderungen zur Gestaltung einer gemeinwohlorientierten Digitalisierung besteht darin, gesetzliche Regelungen zu schaffen, die Facebook und Co. verpflichten, ihre digitalen Wirtschaftstätigkeiten angemessen zu besteuern. Bislang zahlen die IT-Giganten, aus dem Silicon Valley, (fast) ausschließlich Steuern in den Staaten, in denen sie ihren Hauptsitz haben. Alle anderen Länder, in denen sie oftmals omnipräsent sind, gehen hingegen leer aus. In der EU und mittlerweile auch in Deutschland hat die Politik auf diesen Missstand reagiert und Vorschläge zur (besseren) Besteuerung der digitalen Wirtschaft entwickelt. Im Mittelpunkt des im März 2018 von der EU-Kommission vorgelegten Vorschlages steht die Weiterentwicklung des Internationalen Steuerrechts. Ab einer bestimmten Größenordnung soll für digitale Geschäfte die Form einer virtuellen Betriebsstätte geschaffen werden, die verpflichtet ist, in dem Land in dem sie digital präsent ist Steuern zu zahlen.

Und Mitte Oktober 2018 kündigte Finanzminister Olaf Scholz an: „Wir sorgen dafür, dass die großen Digitalunternehmen einen fairen Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Güter leisten“. Zur Umsetzung dieser Idee schlägt der Vizekanzler eine Mindeststeuer für digitale Wirtschaft vor. Die von Frankreich unterstützte Initiative, soll im Rahmen der OECD diskutiert und kommendes Jahr beim Treffen der G7-Staaten eingebracht werden, wenn Frankreich die G7-Präsidentschaft übernimmt.

Ob sich diese Pläne, für eine stärker am Gemeinwohl orientierte digitale Wirtschaft, international durchsetzen werden, oder nur wohlklingende Zukunftsmusiken bleiben, ist hingegen fraglich. Denn das CPTPP-Abkommen, an dem sechs OECD-Mitglieder beteiligt sind, verbietet ausdrücklich die Erhebung von Abgaben, Steuern oder Zöllen gegenüber Unternehmen, die zwar digital in den Unterzeichnerstaaten präsent sind, aber dort (vor Ort) keine materielle Infrastruktur haben. Damit nimmt das Abkommen den Regierungen ein weiteres wichtiges Instrument zur Regulierung der Digitalwirtschaft und einer selbstbestimmen digitalen Entwicklung. Zu den Mitgliedstaaten des asiatisch-pazifischen Abkommens gehört mit Japan einer der wichtigsten Akteure des digitalen Wandels. Insgesamt sind sechs OECD-Mitglieder am Abkommen beteiligt: Japan, Kanada, Neuseeland, Australien, Chile, Mexiko.

Der folgende Beitrag geht der Frage nach, wie sich die Digitalisierung zugunsten der Menschen im Globalen Süden fair gestalten lässt.

 

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