Seit Saw Phyo Mya, Mitarbeiter des Myanmar Christian Council im Programm ländliche Entwicklung, nach der zaghaften Öffnung seines Landes nach jahrzehntelanger Militärregierung die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ersten Mal gelesen hat, hat sich sein Leben verändert. „Nun weiß ich, dass wir uns in unserer Arbeit mit benachteiligten ethnischen Minderheiten, auf universell gültiges Menschenrecht berufen können. Dass die Minderheiten die gleichen Rechte haben auf Gesundheit und Bildung, auf Land das ihnen gehört und das sie bewirtschaften können, wie die Mehrheitsbevölkerung“.
Uns besorgt die anhaltende Armut, die wachsende Ungleichheit, die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen auf Kosten der Menschenrechte, die Verfolgung und Diffamierung von Menschenrechtsverteidigerinnen und –verteidigern und die in vielen Gesellschaften enger werdenden Räume für zivilgesellschaftliches Engagement und Teilhabe. Auch bereits erreichte Errungenschaften wie der Internationale Strafgerichtshof drohen an Bedeutung zu verlieren, wenn Versuche, bestehende Menschenrechtsinstitutionen zu schwächen, nicht abgewehrt werden. Es scheint, als haben viele Regierungen vergessen, dass der Schutz und die Umsetzung der Menschenrechte eine Aufgabe der Staaten ist. Es handelt sich um völkerrechtlich verbindliche Pflichten und nicht um schmückendes Beiwerk. Wie sähe eine Welt ohne die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus? Auf was könnten wir uns in der heutigen Situation, wo Diktatoren wieder salonfähig werden und rechtsstaatliche Prinzipien erodieren, einigen? Jeder von uns kann kurz innehalten und sich fragen, welche Rolle spielt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte für mich? Gibt es ein Recht, das mich besonders anspricht? Was würde ich der Allgemeinen Erklärung zum 70sten Geburtstag wünschen?
Mit Recht für Gerechtigkeit
Die Menschenrechte sprechen allen Menschen ein Leben in Würde zu. Jeder Mensch hat einen Rechtsanspruch darauf, nicht aufgrund seiner Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht diskriminiert zu werden. Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben, auf Meinungsfreiheit, auf soziale Sicherheit, ein Recht auf Wohlstand, Bildung und Gesundheit. Dies spornt auch unsere Partnerorganisationen an. Arme und bedrängte Menschen, mit denen sie in den Projekten zusammenarbeiten, sind keine Bittsteller, sie sind Anspruchsträger. Sie haben das Recht, an politischen Prozessen und Entwicklungsplänen, die ihre Zukunft und Lebensumstände beeinflussen, mitzuwirken. Wer seine Rechte gegenüber dem Staat oder der Polizei kennt, ist eher in der Lage, sie gemeinsam mit anderen vor rechtsstaatlichen Institutionen einzufordern und auch die staatlichen Pflichten besser zu definieren. In Kambodscha gehen Frauen und Männer nicht nur auf die Straße, um gegen drohende Vertreibung und Landraub zu demonstrieren, sondern sie gehen mit Hilfe kambodschanischer Menschenrechtsorganisationen auch vor Gericht, um juristisch gegen die Enteignung vorzugehen. Dies stärkt sie in ihrem Kampf für Gerechtigkeit ungemein.
Die sozialen Menschenrechte und der rechtebasierte Ansatz in der Entwicklungszusammenarbeit bieten einen Rahmen für gemeinsame Advocacyarbeit und Empowerment. Benachteiligte und an den Rand gedrängte Menschen können sich organisieren und Einfluss auf gesellschaftliche und politische Entscheidungen nehmen. Sie können die für Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen und die Ursachen ihrer Armut, wie etwa ungleiche Ressourcen- und Machtverteilung bekämpfen. Brot für die Welt unterstützt die Partner dabei, ihre Rechte wahrzunehmen. Armut, Unfreiheit und unwürdige Lebensbedingungen sind nicht naturgegeben sondern häufig die Folge von Menschenrechtsverletzungen.
Schaffen Menschenrechte Recht?
Es ist nicht immer einfach, Menschenrechten vor Gericht Geltung zu verschaffen. Auf den ersten Blick schüren die Forderungen nach strukturellen Veränderungen und das aktive Eintreten für die Menschenrechte eher Konflikte unterschiedlicher Interessensgruppen. Eine besondere Herausforderung für Menschenrechtsverteidigerinnen ist es, Unternehmen und Wirtschaftsakteure für Menschenrechtsverletzungen haftbar zu machen. Viele Kriege und Konflikte haben ihren Ursprung in wirtschaftlichen Interessen. Ein trauriges Beispiel dafür ist die an Rohstoffen so reiche Region im Osten des Kongos. Die verarmte Zivilbevölkerung wird zum Spielball der unterschiedlichen bewaffneten Gruppen, Regierungstruppen und kriminellen Banden, die von dem Ressourcenreichtum profitieren wollen. An wen können wir uns wenden, wenn uns unsere Regierung nicht schützen kann oder will? lautet die verzweifelte Frage von Mitarbeitenden der baptistischen Kirche im Osten Kongos. Während es möglich wenn auch sehr schwierig ist, Verantwortliche vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu bringen, gibt es gegen transnationale Unternehmen bislang nur wenig juristische Handhabe. Dies ist eine Aufgabe, der sich die neue Bundesregierung dringend stellen sollte.