Vom 30. November bis 2. Dezember kommen im argentinischen Buenos Aires die Staats- und Regierungschefs der Staaten der wichtigsten 20 Industrie- und Schellenländer (G20) zu ihrem jährlichen Gipfeltreffen zusammen. Das Treffen wird überschattet von der aktuellen Krise des Multilateralismus, die ihren Ausgangspunkt in der sich auch in G20-Ländern ausbreitenden nationalistischen „my country first“-Politik einiger Regierungen hat. Sie findet in der G20 vor allem ihren Ausdruck in deren Handlungsunfähigkeit bezüglich des eskalierenden Handelskonflikts zwischen USA und China und der wachsenden Überschuldung vieler Entwicklungs- und Schwellenländer.
Überschuldungskrisen, Handelskonflikte und Klimawandel haben mittel- und langfristig gravierende Auswirkungen auf die Erreichung der Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Dies gilt besonders für die Überwindung von Hunger und Armut, die Reduzierung sozialer Ungleichheit und damit für die Verwirklichung der Menschenrechte. Ein Ausweiten der schon jetzt sichtbar werdenden negativen Auswirkungen dieser drei Problembereiche auf die am stärksten von Armut betroffenen Länder muss dringend verhindert werden. Angesichts der vielfältigen, drängenden globalen Herausforderungen ist nicht weniger, sondern viel mehr Multilateralismus gefragt.
Staatsschuldenkrisen dauerhaft lösen
Die Zeichen auf den internationalen Finanzmärkten stehen auf Krise. Insbesondere die wachsende Überschuldung der Schwellen- und Entwicklungsländer, wie beispielsweise in Argentinien, Tschad oder Sambia, ist ein nicht zu unterschätzendes Risiko für die Finanzmarktstabilität.
Die wachsende Überschuldung ist ein weltweites Problem. Betroffen sind nicht nur politisch instabile Staaten wie Burundi, sondern auch Länder wie Angola oder Sambia, deren Wirtschaft stark auf den Export ausgerichtet ist und die unter schwankenden Rohstoffpreispreisen leiden. Zusätzlich bewirkt der Zinsanstieg in den USA massive Kapitalabflüsse aus einer Reihe von Schwellenländern und bedingt einen Anstieg untragbarer Schulden in diesen Entwicklungsländern.
Auch die Bundesregierung schlägt daher einen konsequenten Schuldenabbau sowie die Aufnahme möglichst vieler Staaten in den so genannten Pariser Club vor. Doch diese Maßnahmen greifen zu kurz. Denn die Aufnahme weiterer Länder in den Pariser Club setzt die Exklusivität der Politik der Geberinteressen fort und umfasst nicht den wachsenden Bereich von Staatsschuldenbei privaten Gläubigern. Vor allem verhindert er nicht die Vergabe risikoreicher und nicht-regulierter Neu-Kredite.
Transparente und gemeinsame Verhaltensregeln für Kreditgeber und –nehmer sind daher entscheidende Voraussetzungen zur Vermeidung von Überschuldung. Im Rahmen von UNCTAD wurden schon 2012 „Richtlinien für die verantwortliche staatliche Kreditaufnahme und -vergabe“ entwickelt, die nicht nur für kreditnehmende Staaten, sondern auch für Kreditgeber gelten sollten. Sie könnten dazu beitragen, dass Staaten einer nachhaltigeren Kreditaufnahme und -vergabepraxis folgen. Doch diese Regelungen sind noch immer nicht verbindlich eingeführt worden.
Damit Staatsbankrott mit unakzeptablen sozialen Folgen gelöst werden kann, bedarf es eines multilateralen, verbindlichen und umfassenden Um- und Entschuldungsverfahrens. Die UN-Generalversammlung hat mit den „Basic Principles on Sovereign Debt Restructuring Processes“ einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt. Die von UNCTAD erarbeitete Roadmap on Sovereign Debt Workouts nennt zudem konkrete Schritte für eine Um- und Entschuldung von Staaten.
Internationale Finanzmärkte stabilisieren
Zur Instabilität der globalen Finanzmärkte tragen aber vor allem auch die so genannten Schattenbanken bei. Die G20-Roadmap zu deren Regulierung ist zwar weitgehend umgesetzt. Doch die bisherigen Maßnahmen sind bei weitem nicht ausreichend, um eine zukünftige globale Finanzkrise zu verhindern. Eine weitergehende Regulierung von systemrelevanten Finanzinstituten ist dringend nötig. Doch angesichts der derzeitigen politischen Kräfteverhältnisse ist dies in weite Ferne gerückt.
Trotz der Reformbemühungen nach der letzten globalen Finanzkrise seit 2009 gibt es noch immer systemgefährdende Banken mit Geschäfts- und Investmentbanking-Bereichen, deren Bankrott weitreichende Auswirkungen auf die Bevölkerung hätte. Einige Großbanken sind international so stark vernetzt sind, dass sie das ganze globale Finanzsystem in Mitleidenschaft ziehen würden. Die Umsetzung der Maßnahmen zur Regulierung bzw. Schrumpfung dieser Großbanken („too big to fail“) ist ins Stocken geraten. Die Reduzierung riskanter Finanzgeschäfte kann nur gelingen durch eine konsequente Risikoüberprüfung und Offenlegung möglicher Ansteckungsrisiken und eine Reform bankinterner Anreizstrukturen für das Management.
Die internationale Finanzmarktstabilität könnte durch die Ausweitung von Möglichkeiten von Kreditaufnahme in Lokalwährungen und an lokalen Märkten, die nicht von Währungsschwankungen betroffen sind, verbessert werden. Vor allem aber die Stärkung lokal ausgerichteter Finanz- und Kreditsysteme (öffentlich-rechtliche Kreditinstitute und Genossenschaftsbanken) muss gefördert werden.
In diesen Bereichen ist die G20 bislang völlig untätig und hält stattdessen an einem internationalisierten, nur ungenügend geregeltem Finanzmarktsystem fest, mit möglicherweise unabsehbaren Konsequenzen auch für die eigenen Volkswirtschaften.
Die Civil20 erwartet von den G20 Regierungen, dass sie
- die Entwicklung eines multilateralen, verbindlichen und umfassenden Um- und Entschuldungsverfahren vorantreiben. Entscheidungen über Umschuldungen und Schuldenerlasse müssen von unabhängigen Instanzen auf Basis von Gutachten getroffen werden, die von Gläubigerinteressen unabhängig sind.
- die „Richtlinien für die verantwortliche staatliche Kreditaufnahme und -vergabe“ der UNCTAD als verbindliches Regelwerk annehmen;
- eine stärkere Regulierungen von Schattenbanken beschließen mit dem Ziel der Schrumpfung des spekulativen Finanzsektors;
- die Trennung der Geschäftsfelder von Investmentbanking und übrigem Bankgeschäft systemrelevanter Banken veranlassen, um die aus dem Investmentbanking entstehende Risiken von den realwirtschaftlichen Geschäftsfeldern abzutrennen und so das Bankensystem insgesamt risikoresilienter zu gestalten; und
- den Auf- und Ausbau lokaler Bank- und Kreditwesen (Sparkassen, Genossenschaftsbanken etc.) in ihren G20 Staaten sowie in den ärmeren Ländern des Südens fördern.