Deutsche Unternehmen importieren im großen Stil Platin aus Südafrika. Einer der Hauptimporteure ist der deutsche Chemiekonzern BASF. Das Unternehmen verwendet Platin zur Herstellung von Abgaskatalysatoren, die bei Daimler, BMW und VW zum Einsatz kommen. Doch von den Gewinnen, die in Deutschland mit Platin erzielt werden, kommt in Südafrika nichts an. Ein Großteil der Arbeiter*innen im Platinbergbau lebt noch immer in Slums und wird für die oft lebensgefährliche Arbeit nicht angemessen bezahlt. In den letzten zehn Jahren sind in Südafrika über 1.000 Bergarbeiter*innen zu Tode gekommen.
Der Fall Marikana
Das erste Fallbeispiel schildert die Situation in Marikana. Die vom britischen Rohstoffkonzern Lonmin betriebene Marikana-Mine geriet 2012 weltweit in die Schlagzeilen, weil dort 34 Minenarbeiter*innen, die für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen gestreikt hatten, von der Polizei erschossen wurden. 78 weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Obwohl die Mine seitdem im Fokus der Öffentlichkeit steht, hat sich vor Ort kaum etwas getan:
Noch immer leben 30.000 der 32.000 Arbeiter*innen in Wellblechhütten - ohne Strom, fließend Wasser und Sanitäranlagen. Der Minenbetreiber hatte sich unter anderem verpflichtet, 5.500 Häuser zu bauen. Dieser Pflicht ist das Unternehmen aber bis heute nicht nachgekommen. Trotz ausdauernder Arbeitskämpfe sind die Reallöhne nur leicht gestiegen und liegen immernoch unterhalb dessen, was Bergleute in benachbarten Minen verdienen. Die Mine verschmutzt Luft und Böden in der Umgebung und wegen des extremen Wasserverbrauchs ist der Grundwasserspiegel gesunken. Oft kommt tagelang kein Wasser aus den Pumpen der umliegenden Gemeinschaften.
BASF nimmt mehr als die Hälfte der Jahresproduktion der Marikana-Mine ab und hätte damit die wirtschaftliche Macht, auf die Einhaltung der Pflichten hinzuwirken. Nach außen gibt BASF auch vor, bei seinen Geschäftspartnern auf Arbeits- und Sozialstandards zu achten. Tatsächlich scheint das lukrative Geschäft mit Platin aber wichtiger zu sein: Die Produktion von Katalysatoren und der Edelmetallhandel machten 2017 mit 6,65 Milliarden Euro rund 10 Prozent des Gesamtumsatzes von BASF aus.
Die Mogalakwena-Mine
Nicht viel besser ist die Situation in Mogalakwena, dem zweiten Fallbeispiel der Studie. Die von Anglo American Platinum (Amplats) betriebene Mogalakwena-Mine ist die weltweit größte Übertagebau-Mine für Platin. Das Edelmetall wird dort oberflächennah in offenen Gruben abgebaut. Für Amplats ist die Mine ein Flaggschiffprojekt, denn sie ist weitaus profitabler als die Untertageminen. Für die lokale Bevölkerung haben die reichen Platinvorkommen jedoch bislang nur Nachteile gebracht: Durch die Ausdehnung des Abbaugebiets wurden tausende Menschen von ihrem Land vertrieben, ohne dafür angemessen entschädigt zu werden. Die Dörfer liegen nun zerstreut zwischen riesigen Minenhalden, Industrieanlagen und offenen Gruben. Weil der Grundwasserspiegel durch die Bergbauaktivitäten gesunken ist, können die Anwohner*innen ihre Felder nicht mehr bewässern. Die Sprengungen verursachen Risse an den Häusern. Und weil der Minenbetreiber seine Versprechungen zur Arbeitsplatzbeschaffung für die lokale Bevölkerung nicht eingehalten hat, kommt zwischen den Anwohner*innen und dem Unternehmen immer wieder zu gewaltsamen Konflikten.
BMW bezieht 90 Prozent seines Platinbedarfs direkt von Amplats. Obwohl südafrikanische NGOs zahlreiche Berichte über die negativen Auswirkungen der Mogalakwena-Mine veröffentlicht haben, wusste BMW bis zu dieser Studie nichts von den Problemen.
Der im Dezember 2016 von der Bundesregierung verabschiedete Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte sieht vor, dass deutsche Unternehmen auf die Einhaltung von Menschenrechten achten - auch entlang ihrer weltweiten Lieferketten. Bislang sind die Unternehmen dazu aber nicht gesetzlich verpflichtet. Entsprechend zögerlich bleiben die Maßnahmen, die sie treffen. Die Studie stellt fest, dass BASF, BMW, VW und Daimler zwar erste Schritte eingeleitet haben und sich mit der Situation im Platinbergbau beschäftigen. Doch vor Ort ändert sich nichts. Es fehlt an der Bereitschaft, getroffene Vereinbarungen transparent zu machen und damit lokalen NGOs zu ermöglichen, deren Einhaltung zu überprüfen. Vor allem aber ist man nicht bereit, den lokalen Minenbetreibern ernsthafte Konsequenzen für die Missachtung von Menschenrechten aufzuzeigen. Selbst bei kontinuierlicher Weigerung soziale Verpflichtungen, beispielsweise zum Häuserbau, umzusetzen, werden die Lieferverträge immer wieder erneuert. Denn der Abbruch der Vertragsbeziehung und die Suche nach einem neuen Lieferanten rechnen sich nicht, solange die Achtung von Menschenrechten entlang der Lieferkette nur "Kür" ist und die Nicht-Achtung keinerlei Konsequenzen hat. Damit deutsche Unternehmen ihre Lieferkettenverantwortung Ernst nehmen, braucht es gesetzliche Vorgaben zur menschenrechtlichen Sorgfalt. Es darf nicht weiter darauf vertraut werden, dass deutsche Unternehmen im globalen Geschäftsverkehr freiwillig für die Einhaltung von Menschenrechten sorgen. Dafür gibt es genügend Gegenbeispiele.