Vom 14.-18. Mai hat die internationale Staatengemeinschaft zuletzt im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York über den Text verhandelt. Bereits zum vierten Mal seit Jahresbeginn. Damit nähert sie sich der fünften Runde der zwischenstaatlichen Verhandlungen, die vom 4. bis zum 8. Juni 2018 im Europäischen Parlament stattfinden wird. Dann soll noch einmal der gesamte Text Punkt für Punkt gelesen werden. Nichtregierungsorganisationen sind zwar nicht direkt dabei, haben aber immerhin die Möglichkeit über kurze Austauschrunden und Side-Events zu Beginn und Ende der Verhandlungen auf deren Gelingen hinzuwirken. Doch was genau wird hier im Eiltempo verhandelt?
Struktur des Compacts:
Der Global Compact besteht aus einer Präambel, einer gemeinsamen Vision und Leitprinzipien und derzeit aus 23 Zielen und Verpflichtungen für eine sichere, geordnete und geregelte Migration, die sich die Staaten zu eigen machen wollen. Dann geht es in bislang eher knappen Textabschnitten um die Umsetzung, das Follow-Up und Nachprüfungsmöglichkeiten.
Im Folgenden sind zum besseren Verständnis der Inhalte die Ziele aus dem jetzigen Verhandlungstext frei übersetzt:
23 Ziele und Verpflichtungen:
(1) Sammlung und Nutzung genauer und disaggregierter Daten als Grundlage für evidenzbasierte Politik.
(2) Minimieren nachteiliger Triebkräfte und struktureller Faktoren, die Menschen dazu zwingen, ihr Herkunftsland zu verlassen.
(3) Bereitstellung angemessener und rechtzeitiger Informationen in allen Phasen der Migration.
(4) Versorgung aller Migrantinnen und Migranten mit legalen Identitätsnachweisen, ordnungsgemäßer Identifizierung und Dokumentation.
(5) Förderung der Verfügbarkeit und Flexibilität von Wegen für die reguläre Migration.
(6) Erleichterung fairer und ethischer Arbeitsvermittlung und Sicherung von Bedingungen, die menschenwürdige Arbeit gewährleisten.
(7) Verwundbarkeiten bei der Migration adressieren und verringern.
(8) Lebensrettung und koordinierte internationale Bemühungen für vermisste Migrantinnen und Migranten.
(9) Stärkung der transnationalen Antwort auf Schmuggel von Migrantinnen und Migranten.
(10) Prävention und Bekämpfung des Menschenhandels im Zusammenhang mit der internationalen Migration.
(11) Grenzmanagement auf integrierte, sichere und koordinierte Art und Weise.
(12) Stärkung der Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit von Migration für angemessene Bestimmungen und Zuweisungen.
(13) Anwendung von Inhaftierung von Migrantinnen und Migranten lediglich als letztes Mittel und auf Alternativen hinarbeiten.
(14) Verbesserung des konsularischen Schutzes, der Unterstützung und der Zusammenarbeit während des gesamten Migrationszyklus.
(15) Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen für Migranten ermöglichen
(16) Empowerment von Migrantinnen und Migranten und Gesellschaften, um umfassende Inklusion und sozialen Zusammenhalt zu verwirklichen.
(17) Beseitigung aller Formen von Diskriminierung und Förderung eines evidenzbasierten, öffentlichen Diskurses um die Wahrnehmung von Migration gestalten zu können.
(18) In die Entwicklung von Qualifikationen investieren und die Anerkennung von Fähigkeiten, Qualifikationen und Kompetenzen erleichtern.
(19) Schaffung von Bedingungen für Migranten und Diaspora, um in allen Ländern einen umfänglichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten.
(20) Förderung des schnelleren, sichereren und günstigeren Transfers von Überweisungen und Förderung der finanziellen Eingliederung von Migranten.
(21) Zusammenarbeit bei der Förderung einer sicheren und würdigen Rückkehr und Rückübernahme sowie einer nachhaltigen Reintegration.
(22) Einrichten von Mechanismen für die Übertragbarkeit von Sozialversicherungsansprüchen und erworbenen Leistungen.
(23) Stärkung der internationalen Zusammenarbeit und der globalen Partnerschaften für eine sichere, geordnete und geregelte Migration.
Zu den Zielsetzungen sind im Compact wiederum Unterziele formuliert, die Konkretisierungen beinhalten.
Ob es den Staaten tatsächlich gelingt, schlussendlich eine einvernehmliche Einigung über die Ziele und – fast noch wichtiger – die Frage nach ihrer Erreichung und Umsetzung zu erzielen, ist wohl nicht selbstverständlich. Einige Staaten zeigen sich nicht bereit dazu, Entwicklungspotentiale in Migration zu sehen und dieses zu fördern. Die inhaltlichen Schwerpunkte des Compacts für Migration werden nur schwer in Einklang zu bringen sein mit der europäischen Migrationsagenda. Hier sind beispielsweise die Migrationspartnerschaften, die die Europäische Union mit Drittstaaten schließt, deutlicher Ausdruck von Migration, die als Sicherheitsproblem wahrgenommen wird. Gerade letzte Woche hat die Fraktion Bündnis 90/die Grünen eine erste profunde Anfrage zu den Verhandlungen an die Regierung gerichtet. Die internationale Zivilgesellschaft hat im Vorfeld der jüngsten Verhandlungen einen offenen Brief verfasst, in dem die Sorge zum Ausdruck gebracht hat, dass die Visionen und Absichten, die in der New Yorker Erklärung formuliert wurden, im Global Compact selbst unerfüllt bleiben könnten. Mit dem neuen Entwurf ist diese Sorge nicht entkräftet, aber auch Optimismus scheint nicht fehlt am Platz.