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Positionspapier des Memento-Bündnis

Positionspapier des Memento-Bündnis zur „Entwicklung einer Strategie der Bundesregierung zu Globaler Gesundheit“ - Neue Konzepte für Forschung und Entwicklung

Von Mareike Haase am

Forschung und Entwicklung: Die Ausgangslage

Die Forschung und Entwicklung von Medikamenten, Impfstoffen und anderen Gesundheitsprodukten ist von zwei großen Herausforderungen geprägt: hohe Preise für die Produkte und eine massive Lücke in Forschung und Entwicklung für bestimmte Krankheiten und medizinische Versorgungssituationen. Hier liegt ein volkswirtschaftliches Marktversagen vor, da der Markt nicht in der Lage ist, gesellschaftliche Gesundheitsbedürfnisse zu decken. Das marktbasierte Innovationssystem orientiert sich daran, womit am meisten Geld verdient werden kann und nicht zwangsläufig an den dringendsten Probleme der Gesundheitsversorgung.

Diese Forschungslücke zeigt sich unstrittig im globalen Süden am Beispiel der vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten. Für eine Reihe von Krankheiten gibt es entweder überhaupt keine Impfstoffe, Diagnostika und Medikamente, oder wenn es sie doch gibt, sind sie veraltet, haben massive Nebenwirkungen oder sind nicht auf klimatische oder infrastrukturelle Anforderungen im globalen Süden zugeschnitten.

Laut dem G-Finder-Bericht (2017) war Deutschland 2016 mit 43 Millionen US-Dollar zwar der weltweit sechstgrößte öffentliche Geldgeber für Forschung und Entwicklung (F&E) zu vernachlässigten Krankheiten. Das entspricht aber lediglich einem Anteil von 2,1 Prozent der globalen öffentlichen Forschung. Setzt man diese Summe ins Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen, belegte Deutschland nur Rang zwölf unter den öffentlichen Gebern. Mit Ausnahme einer erhöhten Forschungsförderung für Ebola stagnieren die Investitionen zu vernachlässigten Krankheiten oder sinken sogar.

Die Forschungslücke zeigt sich auch im globalen Norden und wird besonders deutlich an der alarmierenden Situation rund um antimikrobielle Resistenzen (AMR): Präparate gegen Bakterien, Viren, Parasiten und Pilze verlieren ihre Wirksamkeit. Das hat massive gesundheitliche, aber auch wirtschaftliche Probleme zur Folge. In der Forschung wurde der Bedarf an neuen Behandlungsmöglichkeiten lange vernachlässigt – auch hier ist der Grund aus Sicht der Industrie die zu geringe Aussicht auf hohe Gewinne.

Hohe Preise stellen weltweit für viele Menschen eine Hürde für eine adäquate Gesundheitsversorgung dar. Ein Beispiel sind die hohen Preise für das Hepatitis C-Medikament Sofosbuvir, das selbst in der Schweiz oder Großbritannien aufgrund der Kosten nur für schwer Erkrankte eingesetzt wird. Dies wirft wichtige ethische Fragestellungen auf.

Preise für Medikamente spiegeln nicht die tatsächlichen Forschungs- und Produktionskosten wider, sondern orientieren sich am Markt. Dennoch werden Kosten für F&E als Argument für hohe Preise vorgeschoben. Um Versorgungsgerechtigkeit zu erzielen, sind deshalb neue Modelle der Forschungsfinanzierung notwendig, die den Produktpreis von den Kosten für F&E und von den Verkaufsmengen entkoppeln (De-Linkage).

Mit alternativen Forschungsmodellen kann sichergestellt werden, dass dringend notwendige Forschung stattfindet und die daraus entstehenden Produkte bezahlbar sind. Im Kontext der vernachlässigten tropischen Infektionskrankheiten und armutsassoziierten Krankheiten hat sich das Modell der Produktentwicklungs­partnerschaften (PDPs) etabliert. Es ermöglicht substanzielle Innovationen, die zu bezahlbaren Preisen verfügbar gemacht werden können.

Die Bundesregierung hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt in kollaborativen Forschungsplattformen wie die Gründung des Global AMR RnD Collaboration Hubs eingebracht, sich für PDPs engagiert und ist in Foren eingebunden, die darüber hinausgehende Modelle diskutieren (sog. Push-Modelle, beispielsweise Market-Entry-Rewards). Allerdings ist nicht bei all diesen Modellen sichergestellt, dass sie die bestmögliche Versorgung zu bezahlbaren Preisen zum Ziel haben. Es besteht die Gefahr, dass öffentliche Gelder nicht zur Maximierung des Nutzens für die Gesellschaft eingesetzt werden, sondern zum kommerziellen Vorteil für einzelne Hersteller.

Die Vereinten Nationen (UN) haben sich über Jahre hinweg in politischen Deklarationen zu grundlegenden Prinzipien der Forschungsförderung bekannt. Als Memento Preis-Bündnis fordern wir, dass die Bundesregierung diese als Leitprinzipien öffentlicher Forschungsförderung anerkennt und umsetzt, wie sie zuletzt 2016 in der Politischen Erklärung zu AMR der UN festgeschrieben wurden: „All research and development efforts should be needs-driven, evidence-based and guided by the principles of affordability, effectiveness and efficiency and equity, and should be considered as a shared responsibility“.

Empfehlungen für die Strategie der Bundesregierung zu Globaler Gesundheit

In Sustainable Development Goal 3.b der Agenda 2030 ist die zentrale Rolle von F&E anerkannt. Daher muss F&E ein fester Bestandteil aller relevanten Strategien der Bundesregierung in diesem Bereich sein. Um die mangelhafte Verfügbarkeit und Versorgung mit medizinischen Produkten weltweit zu verbessern, müssen zukünftig drei Ziele im Mittelpunkt stehen:

Ziel 1: Forschungsförderung

  • Forschungsförderung in Deutschland unterstützt F&E, die sich am weltweiten medizinischen Bedarf orientiert (z.B. Tuberkulose, Kindergesundheit, für verschiedene klimatische Verhältnisse geeignete Produkte).
  • Die Bundesregierung schafft Rahmenbedingungen, die öffentlich geförderten Forschungsinstituten und Universitäten den Druck zur kommerziellen Verwertung der entwickelten Produkte nimmt.
  • Öffentliche Forschungsförderung stellt sicher, dass die Ergebnisse im Sinne eines öffentlichen Guts weltweit verfügbar sind und offene kollaborierende Forschung gestärkt wird.
  • Neu entwickelte Produkte müssen für die spezifischen medizinischen Bedürfnisse in infrastrukturschwachen Regionen geeignet sein.
  • Um das Erreichen der sozial geprägten Leitprinzipien “bedarfsgerecht und verfügbar” zu gewährleisten, sollte die soziale Verantwortung öffentlicher Forschung als Prinzip der Forschungsförderung verankert werden.
  • Etablierte kooperative Modelle wie die European and Developing Countries Clinical Trials Partnership (EDCTP) müssen ausgebaut werden
  • Die öffentliche Förderung nicht-kommerzieller klinischer Studien wird ausgebaut.

Ziel 2: Koordination

  • F&E ist heute globalisiert und von einer Vielzahl an Akteuren geprägt. Eine verstärkte Koordination durch eine unabhängige Instanz wie die Weltgesundheitsorganisation ist wichtig, um Forschungslücken zu schließen, die Finanzmittel effizient einzusetzen, mit Transparenz unnötige Doppelungen zu vermeiden und dafür zu sorgen, dass die Ergebnisse und Produkte für möglichst alle Menschen verfügbar und bezahlbar sind.
  • Hierzu bedarf es mehr verbindlicher multilateraler Absprachen.
  • Neue Koordinationsstellen werden eingerichtet, basierend auf den Erfahrungen mit dem AMR-Hub.
  • Auf europäischer Ebene muss sich Deutschland dafür einzusetzen, dass künftige EU-Forschungsrahmenprogramme einen stärkeren Fokus auf gesellschaftliche Herausforderungen legen und Forschung und Innovation zur Umsetzung der SDGs beitragen.

Ziel 3: Alternative Forschungsmodelle

  • Alternative Forschungsmodelle nach dem Prinzip De-Linkage werden in internationaler Kooperation umgesetzt. Nur so findet Forschung auch dann statt, wenn es keine Aussicht auf hohe Gewinne gibt.
  • Eine erhöhte öffentliche Forschungsförderung auch für klinische Studien zur Entwicklung zur Marktreife (Phase 3 Studien) spielt eine wesentliche Rolle, um benötigte Präparate auch ohne kommerziellen Anreiz entwickeln zu können. Dazu müssen neue Finanzierungsmöglichkeiten etabliert werden.
  • Die Finanzierung von Produktentwicklungspartnerschaften (PDPs), die solche Modelle bereits umsetzen, muss deutlich erhöht und verstetigt werden.
  • Alle öffentlich geförderten Modelle müssen den Prinzipien “bedarfsgerecht und verfügbar” entsprechen und eine kollaborierende transparente Forschung und Entwicklung voranbringen.
  • Im Rahmen der Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) werden Förderungen für solche klinische Forschungsaufgaben bereitgestellt.

 

Memento Preis: Das Bündnis

2014 haben sich Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt, BUKO Pharma-Kampagne und die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. zusammengetan, um auf die unzureichende Forschung und Entwicklung von Medikamenten, Impfstoffen und Diagnostika für Menschen in ärmeren Ländern aufmerksam zu machen. Im Mittelpunkt stehen die vernachlässigten tropischen Infektionskrankheiten und armutsassoziierten Krankheiten. Das Bündnis vergibt jährlich den Memento Preis für vernachlässigte Krankheiten an Personen aus Politik, Forschung und Journalismus, die sich auf besondere Weise für das Thema stark machen und so einen wertvollen Beitrag leisten. www.memento-preis.de.

 

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