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Senegal: Unser täglich Weißbrot!

Die ZDF Zoom Dokumentation von Katarina Schickling „Der Wahnsinn mit dem Weizen“ zeigt, wie im Senegal EU Weizenexporte seit Jahrzehnten Getreidebauern und -bäuerinnen von lokalen Märkten verdrängen. Ein weiteres Kapitel verfehlter EU Agrarpolitik.

Von Francisco Marí am

Senegal 2017: Ein abgeerntetes Hirsefeld

Es ist nicht zu übersehen: An jeder Ecke, besonders in den Städten wie Dakar, wird in frankophonen Ländern das französische Baguette angeboten. Muss das sein? Gibt es in Afrika kein traditionelles Getreide, das Weizen ersetzen könnte, fragte sich die Filmemacherin Katarina Schickling und hat sich mit ihrem Team auf Recherchereise begeben. Woher kommt der billige Weizen? Welche Auswirkungen haben die Importe von billigen europäischen Weizen im Senegal? Die Reporterin hat  bereits im letzten Jahr  in ihrem Film „Der Irrsinn mit der Milch“ die ruinösen Folgen des Exportes von Milchpulver in Kamerun dokumentiert.  Ihr neuer Film im Format ZDF Zoom „Der Wahnsinn mit dem Weizen“ ist in der Mediathek für einige Zeit abrufbar.

Die Geschichte der negativen Folgen des Exportes von europäischen Agrarüberschüssen nach Afrika ist nicht neu. Sie beginnt nicht erst zur Jahrtausendwende mit den viel zitierten „Hühnerteilen“ oder dem Milchpulver aufgrund  der aktuellen Milchpreiskrise in der Europäischen Union (EU). Überschüsse an Weizen und Mehl wurden schon in den 1980er Jahren nach Afrika verschifft und  durchdrangen auf rasante Weise die afrikanischen Märkte. Frankreich wurde zum Hauptexporteur; das Land  hatte gute Voraussetzungen, seine ehemaligen Kolonien in Afrika neu zu erobern. Deutschland folgte auf dem Fuße. Da meist französische Besitzer mittels afrikanischer Staatssubventionen große Getreidemühlen aufbauten, wurde das Baguette in frankophonen Ländern  flächendeckend produziert und steigt schnell zum Symbol der Moderne auf. Heute ist es in Ländern wie Senegal eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel.

Nach Jahrzehnten massiver Subventionszahlungen durch die Gemeinsame Agrarpolitik der damals so bezeichneten Europäischen (Wirtschaft-) Gemeinschaft (EWG) war es vor allem Frankreich und Deutschland gelungen, nach und nach zum Konkurrenten der bis dahin einzigen Weizengroßmacht, der USA (z.T. auch Kanada), aufzusteigen. Auch bessere Hektarerträge durch den Einsatz von Mineraldünger, Pestiziden und Technik nebst verbessertem Saatgut sind Teil dieser ersten „Erfolgsgeschichte“ europäischer Agrarexporte von denen die ZDF-Recherche erzählt. Wie in den 1990er Jahren eine aggressive hochsubventionierte EU und US Agrarexportpolitik mit Weizen in afrikanische Märkte eindrang und dort von afrikanischen Regierung unterstützt wurde beschreibt eine immer noch lesenswerte  vor fast 25 Jahren von Dr. Bernhard Walter erstellte Studie.

Ohne Subventionen kein EU Weizen für Afrika?

Wer glaubt, dass die EU-Landwirte früher oder  heute wirklich von Subventionen oder Exportmärkten profitierten, irrt. Schon damals blieben 80 Prozent der Exportsubventionen und Stützungskäufe in den Taschen der großen Agrarexporteure hängen. Heute werden die Subventionen Direkt- oder Flächenprämien genannt und sind nicht mehr an die Produktionsmenge gekoppelt. Sie verschaffen den Landwirten in der Regel aber nur einen Ausgleich zwischen ihren hohen Betriebskosten und dem niedrigen Weltmarktpreis für Weizen. Auch im Film wird klar, dass nur die wenigsten  EU-Landwirte ohne Subventionszahlungen im Grunde mit den billigen Weizenangeboten aus der Ukraine, USA oder Südamerika mithalten können.

Daraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass der Preis des Baguettes etwa im Senegal direkt von den EU-Subventionen abhängt. Die Weizenimporte beispielsweise für die große Mühle  „Grand Moulin de Dakar“ kommen aus der ganzen Welt; der Preis wird täglich auf den Weizenbörsen festgelegt. Ob nun Weizen aus der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten von Amerika, aus Argentinien oder vom Schwarzen Meer: die Weltmarktpreise sind nur für verschiedene Weizenqualitäten unterschiedlich!    Der Weltmarktanteil der EU am globalen Weizenhandel (168 Millionen Tonnen) beträgt fast 20 Prozent. Wenn die EU mit den Flächenprämien (in Deutschland zum Beispiel 300 Euro pro Hektar) die Bauern nicht unterstützen würde, könnte der EU Weizen nicht zum Weltmarktpreis (momentan ca. 166 Euro pro Tonne) angeboten werden. Die Weizenmenge würde sich auf den Eigenverbrauch für Verarbeitung und Futter reduzieren und teurer werden.  Aber auch nur wenn der EU Außenzoll für Weizen keinen Billigweizen z.B. aus den USA oder Argentinien reinließe. Sonst würde es den EU-Bauern so gehen wie den Bauern im Senegal und ihr Weizen wäre vor allem für die Tiermast zu teuer. Ein solcher Rückgang bei den Erntemengen auf dem Weltmarkt würde den Weltmarktpreis sicher nach oben beeinflussen. Das wäre zwar ein Dilemma für Entwicklungsländer, wie in Nordafrika, die die benötigten Mengen für den Bedarf in ihren Ländern nicht selber anbauen können. Bis sie sich selbst oder aus der Region besser versorgen können oder auf andere Agrarprodukte umstellen, könnte die EU ausgleichende Unterstützung leisten:  in dem die dann nicht mehr benötigten Flächenprämien für die Förderung der Landwirtschaft in Afrika eingesetzt werden.

 

Staatliche Mindestpreise für Brot:  gut für Stadtbewohner – schlecht für Bauern

Stetig hat in den letzten Jahrzehnten in vielen afrikanischen Städten der Konsum lokaler traditioneller Getreidesorten wie Sorghum oder gar Hirse merklich nachgelassen. Brotangebote wie Baguette oder Toast aus Importweizenmehl wurden immer beliebter. So auch im Senegal. Konsumierten in den 1970er Jahren senegalesische VerbraucherInnen noch 84 Kilogramm Hirse pro Kopf und Jahr, so sind es heute nur noch 25 Kilogramm, und der Weizenkonsum vervierfachte sich von 10 Kilogramm auf nun fast 40 Kilogramm.  Von dieser Entwicklung  profitieren die Weizenexporteure aus Übersee, die  meist französischen Mühlenbesitzer  und nicht zuletzt die Bäckereien in Afrika, die nicht selten eingewanderten Europäern gehören. Das geschieht nicht nur durch politische Kumpanei zwischen Mühlenbesitzern und der französischen Regierung, sondern auch durch eine Politik afrikanischer Staaten, so auch im Senegal, die den Konsum von Weißbrot für die städtische Bevölkerung von Anfang an zusätzlich gefördert hat.

 

Hoher Einfuhrzoll für Weizenmehl

Um die Bevölkerung vor ständigen Schwankungen auf den Getreidebörsen zu schützen hat der senegalesische Staat einen Festpreis  für die gängigste Baguette-Stange festgelegt: 150 CFA (ca. 0,23 Euro) für ein 190 Gramm Baguette (Ende 2017). Auf die Einfuhr von Weizen erhebt Senegal, wie die ganze Zollunion in Westafrika, nur einen niedrigen Zoll von fünf Prozent. Die Einfuhr von Weizenmehl ist hingegen viel teurer. Darauf  fallen neben dem Einheitszoll von 35 Prozent im Senegal noch „Sondergebühren“ an, die den Weizen um ca. 75 Prozent bei der Einfuhr verteuern. Auf diese Weise werden vor allem die großen Mühlen im Besitz meist ausländischer Eigentümer vor Mehlimporten geschützt. So findet zwar wenigstens die Verarbeitung von Weizen zu Mehl in Afrika statt und schafft Beschäftigung für mindestens mehr als 1.000 Menschen im Senegal. In anderen westafrikanischen Staaten verschwinden die Mühlen allmählich, und die EU kann immer mehr Mehl aus eigener Produktion exportieren. Noch ist das im Senegal nicht so. Doch die Bäcker sehen das Monopol der großen Mühlen mit Argwohn und würden lieber direkt Mehl importieren. Ihre Gewinnspanne wäre dann höher, denn am  fixen Brotpreis fürs Standardbaguette dürfen die Bäcker ja nicht drehen. Die Mühlen dürfen hingegen den Preis fürs Mehl selbst festlegen. Aber es gibt auch noch genug Konkurrenz unter den Weizenmühlen.

 Baguette angereichert mit lokalen Getreidesorten

Die wirklich Geschädigten sind, wie die Recherchen des ZDF  zeigen, die Ackerbauern und Bäuerinnen in Afrika. Sie würden grundsätzlich gerne mehr Getreide anbauen, und könnten mit dem Verkauf  von Hirse und Sorghum einen Teil des „Brotmarktes“ im eigenen Land bedienen. Doch afrikanische Regierungen fürchten weniger unzufriedene Bauern als wachsende Proteste in den Städten, wenn sie den Preis für Brot freigeben. Eine Rolle spielen auch Ernährungsgewohnheiten. Viele StädterInnen haben sich  an den Konsum von Weißbrot so gewöhnt, dass es Alternativen aus reinem Maniok- oder Hirsemehl, selbst für den immer beliebteren Couscous , schwer haben werden. Doch es gibt Auswege aus dem Dilemma. Der Film zeigt, welche Maßnahmen erfolgsversprechend erscheinen. Neuerdings subventioniert die Bäckerinnung  auf eigene Kosten die Herstellung  von Baguette-Brot, das einen bis zu 30-prozentigen Anteil an lokalen Teigsorten hat. Eingearbeitet in den Teig werden Hirse, Mais oder Maniok. Die Bäcker bieten sie als kleinere Baguette-Stangen an, womit sie billiger erscheinen. Seit einigen Monaten läuft diese Aktion gut in Dakar an. Der Staat könnte es aufgreifen und so dafür sorgen, dass den Bauern zu guten Festpreisen Getreideüberschüsse abgekauft werden.  Die Mühlenbesitzer, so versicherte ein Besitzer gegenüber dem Filmteam, wären bereit, das Mehl daraus für die Bäckereien zu mahlen. Ein solches „Baguette“, angereichert mit lokalem Getreide wäre auf jeden Fall gesünder und, was Verbraucherinnen schon erfreut bemerkt haben, es ist auch länger haltbar, als das herkömmliche französische Weizenbaguette.

Das Ganze steht und fällt damit, dass die Preisgestaltung stimmt. Größere Mengen wird das Bäckerhandwerk nicht lange subventionieren können. Wenn der Weltmarktpreis weiter von EU- oder US-Subventionen gedrückt wird, hat auch eine staatliche Förderung , die auf die Erweiterung des Anbaus lokaler Getreidesorten zielt, keine Chance, selbst wenn dadurch auch der Preis für lokales Getreide sinken würde.

Handelspoltische Schranken behindern flexible Agrarpolitik

Hinzu kommt noch ein handelspolitisches Problem für Afrika, besonders wenn Westafrika das mit der EU ausgehandelte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) unterschreiben würde und dieses in Kraft träte. Denn dort sind flexible Einfuhrzölle (Zollquoten) nicht vorgesehen. Denn um billige Importe von Weizen zu reduzieren müsste Senegal früher oder später die Zölle für Weizen ab einer bestimmten Menge anheben. Das ist schwierig.  Senegal ist nämlich auch in einer Zollunion mit 14 anderen westafrikanischen Staaten. Diese haben bisher kein Interesse daran, die Weizeneinfuhr zu verteuern, da überall in Westafrika nicht nur die städtische Bevölkerung  Toast  oder Baguette als Grundversorgung ansieht. Für die nächsten Jahre erlaubt die Zollunion noch, dass ein Land ausnahmsweise für einige Produkte höhere Zölle als seine Nachbarn erhebt. Aber was dann?

Selbst wenn sich handelspolitisch eine Lösung findet,  dass Senegal die Zölle auf Importweizen erhöht, so sind die Folgen aus Regierungssicht eher beunruhigend: Die Mühlen würden die höheren Kosten für Importweizen an die Bäcker weitergeben, die Bäcker würden die Brotpreise erhöhen müssen, und die Bevölkerung, die in Senegal sehr geübt ist auf die Straße zu gehen, würde sich einen höheren Brotpreis nicht gefallen lassen. Also bleibt als Ausweg nur, die lokalen Getreidearten so zu subventionieren, dass die Bäcker sie dem Brot zumischen und in Folge dessen immer weniger Getreide aus ausländischer Produktion gebraucht wird. Ein teurer Spaß für arme Länder. Wir subventionieren in der EU indirekt das Getreide, damit es billig auf dem Weltmarkt konkurrieren kann. Und Senegal muss das eigene Getreide auch subventionieren, damit es mit unserem Getreide konkurriert. Welche absurde Subventionsschlacht!  Hier wäre ein freier Markt einmal wirklich angebracht.

 Importrestriktionen für Hähnchen und Zwiebeln machen es vor

Doch die senegalesische Regierung bleibt nicht untätig, wie der hohe Einfuhrzoll auf  Mehl, das Importverbot für gefrorene EU-Hähnchenteile oder der saisonal hohe Zoll für holländische Zwiebeln zeigen. Sie  versucht auch jenseits von gültigen Handelsregeln kreativ ihre einheimische Landwirtschaft zu fördern und zu schützen. Hätte sie das nur schon vor 30 Jahren so gemacht und sich gegen das massive Dumping durch Weizenimporte aus der EU und den USA gewehrt!

 

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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