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Sicheres Leben ohne sicheren Wohnraum?

Eindrücke der Reise durch Zentralsyrien von Dr.h.c. Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe. Teil 2: Gibt es sicheren Wohnraum in Syrien?

Von Prof. Dr. h. c. Cornelia Füllkrug-Weitzel am

Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe, Martin Kessler, Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe und Father Alexi, Direktor der Partnerorganisation GOPA-DERD, schauen sich in Homas zerstörte Häuser an.

6,1 Millionen Menschen innerhalb Syriens können momentan nicht in ihren eigenen Wohnungen leben. Zum Teil, weil sie aufgrund ihres Glaubens, ihrer politischen oder ethnischen Zugehörigkeit in ihrer früheren Heimat auch noch aktuell verfolgt werden. Sie sind von sexueller Gewalt, Entführung oder Ermordung bedroht. Zum Teil aber auch, weil ihre früheren Wohnungen so zerstört sind, dass sie sie aus eigener Kraft nicht wiederherstellen können. Die Wohnraumsituation ist in den verschiedenen Dörfern und Regionen sehr unterschiedlich – in von IS- und Al Nusra-Terroristen besetzten, oder von syrischen oder kurdischen Rebellen kontrollierten Gebieten anders als in Gebieten, die heftig beschossen, aber nie eingenommen wurden. Wieder anders in Gebieten, die eingenommen und verwüstet wurden und nach intensiven Kämpfen zurückerobert wurden. Gemeinsam ist ihnen: überall gibt es Zerstörungen und Verwüstungen. Das Ausmaß aber variiert:

Nicht nur auf unserer Tour durch Homs, sondern auch auf langen Strecken, beispielsweise durch das ländliche Hama, haben wir ganze Straßenzüge und viele Dörfer gesehen, die - mit einem Wort gesprochen -  einfach nur platt waren: am Boden liegende Haufen von Schutt oder klägliche Überreste von Gebäuden, die auf eingeknickten Pfeilern fast zu kippen schienen. Wo zu den Bombardements, dem Artillerie- und Geschützfeuer noch Straßenkämpfe hinzukamen oder kommen, wie in Homs, Aleppo oder Ost-Ghuta der Fall, sind die Häuser nicht nur von den Gefechten außen schwer beschädigt. Auch von innen wurden sie zerstört: wie Würmer haben sich die Kämpfer durch die Innenwände der Wohnungen gebohrt, gemörsert oder gesprengt – um mitten durch die Häuser lang verborgene Fluchtwege zu schaffen. Sie wirken wie innerlich ausgehöhlt – dort lebt praktisch niemand mehr.

Ganze Dörfer müssen neu gebaut werden

Wo die gesamte Gebäudesubstanz so zerstört ist, müssen ganze Straßen und Viertel, ganze Dörfer einfach nur noch abgerissen und von Grund auf neu aufgebaut werden. Sie müssen neu entstehen mitsamt der jeweiligen Infrastruktur an Straßen, Elektrizität, Wasser und Abwasser und mitsamt der sozialen Infrastruktur an Schulen, Kindergärten, Kliniken, Produktionsstätten, Geschäften und Telekommunikationsinfrastruktur. Das geht wohl kaum in Eigeninitiative einzelner Bürger, sondern bedarf der planerischen Tätigkeit und des gezielten Ressourceneinsatzes einer künftigen Regierung. Davon ist Syrien aber weit entfernt, denn dazu braucht es erst einmal einen Friedensschluss auf nationaler Ebene. Da hilft es wenig, dass dieses oder jenes Gebiet aktuell weniger umkämpft ist. An Wiederaufbau solcher in der Substanz zerstörten städtischen oder ländlichen Gegenden ist noch lange nicht zu denken.

Sichere Unterkünfte für hoch traumatisierte Menschen

Weil der Frieden keineswegs auf Dauer sicher ist und Hilfsgelder leider endlich sind, unterstützen die Partner der Diakonie Katastrophenhilfe seit Anfang des Jahres mit unserer Hilfe intern Vertriebene dabei, einen Teil ihres Wohnraums wiederherzustellen. Dort, wo es von der Bausubstanz und der allgemeinen Friedens- und Versorgungs-Lage (funktionierende Wasser- und Stromversorgung) her möglich ist, werden – je nach Größe der Familie – ein bis zwei Zimmer, Küche und Bad ihres Vorkriegswohnraums interimsmäßig wiederhergestellt. Das kostet je nach Schwere der Zerstörungen zwischen 1.500 und 2.500 Euro.   

Ziel ist,  insbesondere Kriegswitwen und ihren Familien, Familien mit behinderten oder schwer kranken  Mitgliedern und anderen besonders vulnerablen Menschen dazu zu verhelfen, aus Zeltlagern, Slumsiedlungen und Abrisshäusern - nach bis zu sieben Jahren!- rauszukommen. Endlich würdige und sichere Unterkünfte für hoch traumatisierte Frauen, Kinder und Alte unter den über sechs Millionen intern Vertriebenen zu schaffen, ist unser Anliegen.

Aktuelle Lage bietet keinen Schutz vor sexuellen Übergriffen

Die allgegenwärtige Debatte um sexuelle Gewalt macht vielleicht die Dringlichkeit dieses Vorhabens deutlich: Sicherheit für Leib und Leben und Schutz vor sexuellen Übergriffen besteht angesichts der dramatischen Wohnverhältnisse, unter denen viele der vertriebenen Frauen und Kinder hausen müssen, in keiner Form.

Die Zeit für eine vollständige Wiederherstellung von Häusern und Wohnungen ist noch nicht gekommen. Die werden die Besitzer selber nach dem Ende des Krieges aus eigener Kraft vornehmen müssen – oder mithilfe staatlicher Wiederaufbauprogramme. Aber die Zeit, den Verletzbarsten unter den Vertriebenen – insgesamt 6,1 Millionen - zu würdigen, sicheren und finanziell erschwinglichen Wohnverhältnissen zu verhelfen, ist längst überfällig.

 

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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