In Papua-Neuguinea steht das weltweit erste kommerzielle Projekt im Tiefseebergbau kurz vor dem Start. Das kanadische Unternehmen Nautilus Minerals will in 1.600 m Meerestiefe Gold und Kupfer abbauen. Die Unterwassermine liegt nur 30 km vor der Küste, in der Bismarcksee, einer der artenreichsten und ökologisch bedeutsamsten Meeresregionen der Welt, die überdies eng mit der Region des Korallendreiecks und seinen Riff- und Mangrovenlandschaften verbunden ist.
Die überwiegend indigenen Gemeinschaften, die in der Bismarcksee fischen und auf vielfältigste Weise ökonomisch und kulturell mit dem Meer verbunden sind, laufen Sturm gegen das Projekt. Die Grundlagen ihrer Lebensweise und ihrer Ernährungssicherheit sind unmittelbar bedroht. Unterstützt von Kirchengemeinden, Frauenorganisationen, pazifischen NGOs und Solidaritätspartnern in aller Welt wehren sie sich dagegen, zum Testfeld für eine neue, ökologisch brisante Großtechnologie gemacht zu werden.
Meeresbodenbergbau ist kein vorsichtiges Aufsammeln am Meeresgrund, sondern Hochleistungsbergbau unter Wasser. Der Meeresboden wird abgetragen, das Erz mit Baggern herausgesägt, zertrümmert und an die Meeresoberfläche transportiert. Durch den Abbau und die Wiedereinleitung der Abwässer werden Schwermetalle und Säuren im Wasser freigesetzt. Eine hinreichende wissenschaftliche Abschätzung der ökologischen und sozialen Folgewirkungen existiert nicht.
In den letzten zehn Jahren hat ein regelrechtes Wettrennen um die unterseeischen Mineralvorkommen eingesetzt. Dutzende von Lizenzen sind mittlerweile von pazifischen Inselstaaten an Konzerne vergeben worden, die neue Tiefseebergbau-Projekte planen. Während die internationale Gemeinschaft im Rahmen des Internationalen Seerechtsabkommens und der Nachhaltigen Entwicklungsziele um Rahmenbedingungen und Strategien für eine gerechte und verantwortliche Meeresnutzung ringt, werden vor der Küste der pazifischen Inselstaaten Fakten geschaffen.
Der lokale Widerstand gegen diese Eingriffe erinnert nicht von ungefähr an die Proteste gegen atomare Großprojekte vor 40 Jahren in Europa: Eine Technologie, die einmal alle Entwicklungsprobleme lösen sollte und aus der heute mühsam der Ausstieg gesucht wird.
Argumente für Tiefseebergbau nicht schlüssig
Die Befürworter dieser Großtechnologie führen im Wesentlichen drei Argumente dafür ins Feld. Sie sei notwendig, um den global steigenden Ressourcenverbrauch zu befriedigen. Sie stelle eine ökonomische Entwicklungschance für die betroffenen Regionen dar. Und die Tiefe des ökologischen Eingriffs sei geringer als beim Bergbau an Land, der Meeresbodenbergbau also die nachhaltigere Alternative.
Keines dieser Argumente ist stichhaltig. Meeresbodenbergbau ist nicht notwendig, um die künftige Nachfrage nach Metallen zu befriedigen. Bei Kupfer, das in Solwara 1 vor allem gewonnen werden soll, sind keinerlei Angebotsengpässe zu erwarten. Tiefseebergbau lenkt Investitionen in die Ausweitung der Rohstoffbasis statt in den verantwortlichen Umgang mit Rohstoffen und den Übergang in eine materielle Kreislaufwirtschaft. Potenziell nachhaltige Wirtschaftszweige der pazifischen Inselstaaten werden beschädigt und blockiert: Kleinfischerei, exportorientierte Fischwirtschaft, Tourismus. Die Verlegung des Bergbaus ins Meer macht seine negativen ökologischen und sozialen Folgen weniger direkt sichtbar, aber langfristig umso gefährlicher.
Die ökologischen Risiken für die Ozeane - indigene Rechte werden verletzt !
Meeresbodenbergbau wird zur Erhöhung des Schwermetallgehalts in der Nahrungskette und in den Weltmeeren führen. Ähnlich wie beim Verbrauch fossiler Energieträger findet Umweltbelastung im Zeitraffer statt: In Jahrmillionen entstandene Schwermetallsenken werden innerhalb kürzester Zeit geöffnet und zumindest teilweise in die marine Umwelt freigesetzt. Das hat weitreichende ökologische Folgen, gefährdet die Ernährungssicherheit und die Fischwirtschaft der ganzen Region und perspektivisch die Ökosysteme der Weltmeere. Wiederum ähnlich wie beim CO2 wird die Entwicklung schleichend sein und die Handlungsmöglichkeiten zukünftiger Generationen einengen.
Der Meeresboden ist keine leblose Fläche. Ganz im Gegenteil. Die Schwarzen Raucher, die bei Solwara1 abgebaut und eingeebnet werden sollen, sind einzigartige Biosphären und Habitate. Die dort lebenden Arten sind bislang kaum erforscht. Die Vernichtung der Tiefseehabitate und Tiefseearten wird negativen Einfluss auf die Resilienz der Weltmeere gegen den Klimawandel haben, die genetischen Ressourcen verringern und einen kritischen Einfluss auf Nahrungsketten haben, die bis zur menschlichen Ernährung reichen. In kürzester Zeit werden Arten aussterben, ohne dass Zeit war, ihre Bedeutung für die globale Ökologie zu verstehen.
Solwara 1 wäre das weltweit erste Bergbauvorhaben in der Tiefsee
Solwara1 ist ein Einstiegsprojekt, ein Türöffner. Die Summen, die in die Entwicklung und den Bau der speziellen Abbautechnologie geflossen sind, rechnen sich nicht durch die Ausbeutung einer einzelnen Mine. Solwara 1 soll der Auftakt zu einer Ausweitung des Meeresbodenbergbaus auf viele weitere Flächen sein. Die Salomonen, Tonga, Kiribati und die anderen pazifischen Inseln haben ebenfalls bereits Lizenzen für den Meeresboden vergeben. Andere Projekte werden im Roten Meer vorangetrieben.
Das Projekt Solwara 1 ist zum Symbol geworden. Für die Kirchen in der südpazifischen Region sind der Tiefseebergbau und die damit verbundene soziale Frage inzwischen ein bedeutsames Thema geworden. Die internationale Zivilgesellschaft ist aufgefordert, den lokalen Widerstand in internationaler Solidarität zu unterstützen. Der Fall Solwara 1 ist nicht zu trennen von der globalen Auseinandersetzung um den Übergang von einer zerstörerischen und ungerechten Wirtschaftsweise zu einer nachhaltigen, solidarischen Ökonomie. Er ist Teil der Entscheidung, auf welche Weise wir die Ozeane und Meere zukünftig nutzen wollen; wie wir mit den natürlichen Ressourcen gerecht und verantwortlich umgehen; auf wen wir dabei hören werden.