Auf der weltgrößte Tourismusmesse ITB feiert die Branche wieder Rekorde. Doch nicht alle Stimmen dazu sind positiv: Kommunen stöhnen über immer größere Touristenmassen, die den Bürgern die eigene Stadt entfremden, Welterbe-Anrainer kritisieren die Disneyfizierung ihres Lebensraums und Umweltschützer fordern Tourismusbeschränkungen. Waren die Europäer als Pioniere des globalen Tourismus begeisterte Reisende, so sind sie nun, da sie selbst von den Auswirkungen eines Reisebooms betroffen sind, auch frustrierte Bereiste.
Over-Tourism hat gravierende Folgen
Das Thema „Over-Tourism“ – also ein Zuviel des Tourismus – hat es aus den Feuilletons in die Fachdiskussionen der Branche gebracht, wie die ITB zeigt. Doch Over-Tourism ist nicht nur ein Phänomen der europäischen Hauptstädte und Kreuzfahrtmetropolen. Es tritt schon länger und mit gravierenderen Folgen in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern auf. In Thailand werden ganze Strände wegen Übernutzung geschlossen, die Besucherzahl in Welterbestätten wie Machu Picchu in Peru läuft völlig aus dem Ruder. Besonders schwer wiegt, dass ungeachtet der größten Dürre seit 100 Jahren in Kapstadt Tausende von Gästen in Konkurrenz um die knappe Ressource Wasser zu Bewohnern treten, die ihren Tagesbedarf drastisch einschränken müssen.
Weg vom Wachstum, hin zur Begegnung
Over-Tourism ist Symptom einer Tourismusentwicklung, die sich nur am Wunsch der Reisenden nach fremden Welten mit heimischem Luxusstandard orientiert. Es wird dringend Zeit, einen Ausgleich zwischen den Wünschen der Besucher und der Besuchten herzustellen und den Tourismus daran auszurichten, dass dass er keine negativen Auswirkungen auf soziale Gerechtigkeit, Menschen- und Arbeitsrechte vor Ort, Umwelt und den globalen Klimawandel – kurzum auf nachhaltige Entwicklung – hat.
Als Pro-Kopf Reiseweltmeister und bedeutender Reiseveranstalter ist Deutschland besonders gefragt, eine grundlegende Tourismuswende einzuleiten. Weg vom Wachstum, hin zu Qualität, Nachhaltigkeit und Begegnung. Nur so kann der Tourismus für die Menschen in Entwicklungsländern vom Armutsrisiko zur Entwicklungschance werden.