Wie jedes Jahr seit 2015 trafen sich im April Minister_innen und andere hochrangige Politiker_innen aller Staaten im Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen, um mit den Vertretungen von Internationalem Währungsfonds (IWF), Weltbank, der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) und anderen internationalen Organisationen den Stand der Umsetzung des Addis Abeba Aktionsplans zu überprüfen und die Finanzierung der Agenda 2030 sicherzustellen.
Basierend auf dem Bericht der Inter-agency Task Force (IATF) von 50 internationalen Organisationen wie UN, Weltbank und IWF berieten die UN-Mitgliedsstaaten einzelne thematische Stränge des Financing for Development (FfD)-Prozesses mit Unterstützung von thematischen Expert_innen und präsentierten ein auf Konsens beruhendes Abschlussdokument. Bei diesem Outcome Document handelt es sich allerdings um eine politische Willenserklärung und nicht um einen bindenden Vertrag, wie die Vertretung der USA – wenig überraschend – am Schluss der Verhandlungen noch einmal betonte.
Forderungen der Zivilgesellschaft
Neben der Hauptveranstaltung gab es eine Reihe spannender Side Events zu offenen Punkten, die von einzelnen Ländern, Institutionen und der Zivilgesellschaft, u.a. auch von Brot für die Welt, organsiert wurden. Dazu gehörten Fragen nach der Finanzierung von sozialer Grundsicherung, nach Regeln für Privatinvestitionen, nach den Risiken globaler Finanzmärkte sowie nach einer Schuldenumstrukturierung für Staaten, die besonders von Naturkatastrophen betroffen sind. Die CSO FfD Group, (ca 600 Nichtregierungsorganisationen, darunter auch Brot für die Welt), präsentierte den politischen Entscheidungsträgern des UN Forums einen umfassenden Forderungskatalog zu allen wichtigen Themenbereichen der Entwicklungsfinanzierung.
Kritik an wachsender Ungleichheit und geringen Langzeitinvestitionen
Besondere Bedeutung erhält dieser jährliche Austausch vor allem dadurch, dass er eine globale Plattform bietet, auf der sich alle Staaten der Welt mit den internationalen Finanzinstitutionen kritisch über die wirtschafts- und finanzpolitischen Rahmenbedingungen für Entwicklung austauschen.
In ihrem gemeinsamen Abschlussdokument äußerte die Weltgemeinschaft Kritik an der wachsenden Ungleichheit und warnte vor den drohenden Risiken für die globale Finanzstabilität, u.a. durch die Zinsentwicklung in den USA. Darüber hinaus beklagte sie die unzureichenden langfristigen Investitionen, besonders in ärmere Länder. Sie empfahl daher sogenannte innovative Finanzierungsinstrumente, womit – anders als bisher – leider nicht Flugticketabgabe, Karbonsteuer oder Finanztransaktionssteuer gemeint sind, sondern vielmehr Anreizinstrumente und Garantien zur Risikominimierung privater Finanzflüsse für Langzeitinvestitionen und Industrieentwicklung. Immerhin nahmen die Staaten die von der Zivilgesellschaft vorgetragenen Bedenken wahr – darunter die Gefahr zukünftiger Überschuldung von öffentlichen Haushalten und die Benachteiligung nicht-profitabler Sektoren wie Basis-Gesundheitsdiensten und Grundbildung sowie die Benachteiligung von ärmeren Regionen. Die internationalen Institutionen wurden beauftragt, in ihrem nächsten Bericht der IATF mögliche Auswirkungen von Umwelt- und Sozialstandards von Investitionen auf die Profiterwartungen zu untersuchen.
Die Notwendigkeit des Ausbaus sozialer Sicherungssysteme wurde leider nur kurz erwähnt und die Unterstützung des Aufbaus von Kapazitäten in den ärmsten Ländern wird lediglich empfohlen.
Welche konkreten Vereinbarungen wurden getroffen?
Die Mobilisierung heimischer Ressourcen stand schon seit Beginn des FfD-Prozesses im Zentrum der Debatte. Der Ausbau angemessener Steuersysteme in Entwicklungsländern soll daher Schwerpunkt der öffentlichen Zusammenarbeit sein. Finanzinstrumente für kleine und mittlere Unternehmen sollen ausgeweitet werden, doch substanzielle Vorschläge dazu wurden nicht genannt. Das 0,7-Prozent-Ziel öffentlicher Entwicklungshilfe (ODA) sowie das 0,15- bis 0,20-Prozent-ODA-Ziel an die ärmsten Länder (LDCs) wurden bekräftigt und alle Geberländer erneut aufgerufen, diese zu erfüllen. Die IATF soll in ihrem nächsten Bericht die Frage nach zusätzlichem Finanzierungsbedarf durch klimabedingte Schäden und Verluste mit in Betracht ziehen. Der Green Climate Fund soll sicherstellen, dass alle Entwicklungsländer Zugang zu den Mitteln erhalten. Überraschend konkret war hingegen der Beschluss zur Förderung von Remittances (Überweisungen von Migranten): Bis 2030 sollen ihre Transaktionskosten auf 3 Prozent begrenzt werden.
Dem transformativen Potential der Technologieentwicklung und der Digitalisierung, u.a. zur Eindämmung von Steuerflucht, wurde eine große Rolle beigemessen. Steuerkooperation soll sowohl auf OECD- wie auch auf UN-Ebene intensiviert werden. Wie zu erwarten, war die von den Ländern des Südens (G77) geforderte Aufwertung des UN-Steuerkomittees nicht konsensfähig. Stattdessen wurde lediglich eine freiwillige finanzielle Unterstützung seiner Arbeit empfohlen. Zur Reduzierung neuer Risiken durch Digitalisierung wurde zudem die Erarbeitung eines internationalen Rahmenwerkswerks angeregt.
Zum Thema Überschuldung von Staaten hatte es im IATF-Bericht einige sinnvolle Vorschläge gegeben. Und auch beim Experten-Roundtable zur Schuldenthematik unterstrich der IWF auf Basis seiner jüngsten Analysen die Besorgnis über die Gefahr neuer Schuldenkrisen, denen nur durch eine günstigere weltwirtschaftliche Entwicklung und eine straffe Umsetzung der IWF-Programme begegnet werden könne. Doch im Laufe der Verhandlungen wurden diese Vorschläge wesentlich abgeschwächt, so dass das Abschlussdokument nur noch die Erarbeitung neuer Entschuldungsverfahren empfiehlt, wenn diese auf „existierenden“ Mechanismen aufbauen. Immerhin wurden neue Maßnahmen empfohlen, wie Staatsanleihen mit besonderen Tilgungsvereinbarungen, die in Krisenzeiten mögliche Schuldendienste beschränken (wie GDP linked bonds). Die internationalen Institutionen wurden beauftragt, in ihrem nächsten IATF-Bericht entsprechende Instrumente vorzustellen. Einen Fortschritt stellt auch die Übereinkunft der Staatengemeinschaft dar, basierend auf den existierenden UNCTAD- Prinzipien, an einem globalen Konsens zur verantwortlichen Kreditvergabe und -aufnahme arbeiten zu wollen.
Was fehlt?
Angesichts der Gefahr drohender Finanzkrisen waren die Beratungen zur Stabilisierung globaler Finanzmärkte zu schwach. Es wurde lediglich die Notwendigkeit zur Koordination und Zusammenarbeit betont, um der Bedrohung durch Zinsentwicklung, neue Finanzprodukte und fortschreitende Digitalisierung zu begegnen. Die IATF wurde nur beauftragt, die unbeabsichtigten negativen Nebeneffekte der Finanzmarktregulierung (d.h. vorsichtigere Kreditvergabe) zu untersuchen. Außerdem soll das Risiko-Management von Entwicklungsbanken überprüft werden.
Fazit
Noch sind die Ergebnisse des FfD-Forums recht dürftig, kaum handlungsorientiert und verkennen weitgehend den Ernst der weltwirtschaftlichen Lage. Doch hat das Forum seit seiner Gründung vor drei Jahren immerhin an politischer Bedeutung gewonnen. Allein die Tatsache, dass ein verhandeltes und von allen Staaten im Konsens angenommenes Outcome Document verabschiedet werden konnte, zeigt das wachsende Interesse der Staaten an diesem Dialogprozess mit IWF und Weltbank. Im Zentrum steht derzeit noch die wichtige Frage der Aufbringung zusätzlicher öffentlicher und privater Gelder für die Finanzierung der 17 Entwicklungsziele der Agenda 2030. Doch in Zukunft sollte es zu Fragen nach angemessenen globalen Rahmenbedingungen für Entwicklung stärker handlungsorientierte Beschlüsse geben. Im Zentrum stehen muss ein notweniger Politikwechsel zur Vermeidung drohender Wirtschafts- und Finanzkrisen.
Das nächste FfD-Forum wird vom 15. bis 19. April 2019 in New York stattfinden. Auf der Tagesordnung steht dort bereits ausdrücklich die Frage nach einer internationalen Follow-up-Konferenz.