Die Kafue Boys Secondary School ist wie ein eigenes Dorf. Da es ein Internat ist, leben alle Schüler auf dem Schulgelände, aber auch die Lehrer haben ihre Häuser um die Schule herum. Dadurch entsteht eine große Gemeinschaft, die sehr hilfreich ist, weil so vieles geteilt werden kann, und man, wenn man zum Beispiel Werkzeug braucht, sich dieses einfach vom Nachbarn ausleihen kann. Sobald man das Haus verlässt, trifft man eigentlich auch schon auf Bekannte. Diese Gemeinschaft ist meistens sehr angenehm, kann aber auch mal in soziale Kontrolle überschwanken. Häufig wird man gefragt, wie es gestern in der Stadt war, obwohl man die Person dort gar nicht getroffen hat. Der Direktor erfüllt häufig Aufgaben eines Bürgermeisters. Die Häuser der Lehrer gehören nämlich der Schule und müssen dementsprechend verwaltet werden. Die Schule liebt es außerdem, neue Häuser zu bauen, was auch koordiniert werden muss. Reparaturen werden ebenfalls von der Schule gestellt, und da kommen wir zum Einsatz.
Zusammen mit Lukas, auch Freiwilliger von Brot für die Welt, arbeite ich nämlich im Handwerkerteam der Schule. Wir sind beide direkt nach unserem Abitur nach Sambia gekommen, und hatten daher außer einem kurzen Praktikum keine handwerkliche Erfahrung. Das war überhaupt kein Problem, da wir super vom Team aufgenommen wurden und so schnell lernen konnten. Schon an unserem ersten Arbeitstag im August haben wir gut mit angepackt und Kabelrohre in der Schulgarage verlegt. Mittlerweile können wir auch viele Arbeiten wie das Austauschen von Fenstern und Schlössern oder die Reparatur von Spülkästen selber ausführen, sodass wir uns aufteilen und dadurch mehr schaffen. Es gibt nämlich immer etwas zu tun. Die Schule ist riesig und das Handwerkerteam besteht eigentlich nur aus unserem Mentor Lazarous, gelernter Elektriker, Kalenga, gelernter Klempner, und uns zwei Freiwilligen. Für größere Projekte werden aber auch Arbeiter aus anderen Bereichen wie der Schulfarm und Küche miteinbezogen. Auch Sanitärreiniger, Gärtner und Fahrer sind involviert. Zurzeit sind Ferien, die dafür genutzt werden die Schule zu streichen. Das wäre ohne die Hilfe aus den anderen Bereichen natürlich gar nicht zu schaffen. Die Stimmung im Team, ob in kleiner Form oder in großer, ist einzigartig. Die Kollegen sind so zwischen 30 und 40 Jahre alt und somit deutlich älter als Lukas und ich. Trotzdem verstehen wir uns super und es kommt mir vor, als ob man mit Gleichaltrigen zusammen ist; man reißt die ganze Zeit Witze und nimmt sich gegenseitig in der lokalen Sprache Nyanja auf den Arm. Schimpfwörter sind ja meist das erste, was man von einer neuen Sprache lernt. Ich habe es bisher noch nie erlebt, dass jemand richtig schlecht gelaunt war. Manchmal wäre es meiner Meinung nach jedoch auch mal wichtig, ernsthaft Probleme anzusprechen oder die Arbeit besser zu strukturieren.
Das Schulgelände liegt zehn Kilometer außerhalb von Kafue, einer Kleinstadt etwa 50 Kilometer südlich entfernt der Hauptstadt Lusaka. Das ist zwar weit außerhalb der Stadt, die Lage der Schule ist aber trotzdem sehr schön. Das Schulgelände ist nämlich von Hügeln umgeben und grenzt an den Kafue River. Dieser spielt für die Region eine wichtige Rolle. Es gibt zwei Bars am Fluss, welche Bootstouren anbieten. Außerdem wird eine Lodge gebaut und ein Wasseruntersuchungszentrum inklusive Ruderclub vom WWF geplant. Die Strom-und Wasserversorgung ist auch vom Kafue abhängig. Ein paar Kilometer flussabwärts befindet sich die Kafue Gorge, ein Wasserkraftwerk. In unmittelbarer Nähe zur Schule gibt es eine Pumpanlage, von der Wasser aus dem Fluss nach Lusaka gepumpt wird. Direkt daneben baut eine chinesische Firma ein noch viel größeres Pumpwerk. Auch wir haben ein schwimmendes Pumpenhaus auf dem Fluss gebaut. Das sind natürlich ganz andere Dimensionen, für mich war es jedoch hier das größte und spannendste Projekt. Der Bau zog sich über mehrere Monate. Es wäre auch deutlich schneller gegangen, aber in der Schule selbst gibt es natürlich weiterhin viel zu tun. Mittlerweile ist die Pumpe jedoch angeschlossen und soll bald die schuleigene Farm mit Wasser versorgen.
Um von der Schule in die Stadt zu kommen, benutzen wir unsere Fahrräder. Das ist auf dem Rückweg jedesmal eine Herausforderung. Mit unseren vollbepackten Rucksäcken quälen wir uns in der prallen Sonne immer denselben Berg hinauf. Die Fahrräder sind aber einfach eine gute Möglichkeit unabhängig zu sein. Für Transport ist man sonst auf Mitfahrgelegenheiten angewiesen oder muss eine halbe Stunde zur Hauptstraße laufen und warten bis ein Minibus kommt. Dadurch, dass der Einkauf so aufwändig ist, lernt man die Dinge aber auch viel mehr zu schätzen. Fleisch würde die Strecke wahrscheinlich nicht unversehrt überleben, sodass wir meistens vegetarisch kochen. Wenn es dann aber mal Fleisch gibt, kann man das umso mehr genießen. Aber auch in anderen Bereichen schätze ich es, dass man nicht vom Angebot überflutet wird, sondern wirklich nur das Wichtige konsumiert. Ich schaue mir zum Beispiel nur Serien und Filme an, die ich unbedingt sehen will und klicke mich nicht von einem Youtube-Video zum nächsten. Dafür würde die Bandbreite des Internete auch gar nicht reichen.
Außerdem konnte ich so Dinge machen, für die ich mir in Deutschland einfach nie die Zeit genommen hätte: Wir haben in unserem Garten Gurken, Zucchini, Wassermelonen und Mais angepflanzt. Die Ausbeute war aufgrund des unregelmäßigen Regens eher mager, es war aber trotzdem ein super Gefühl, sich das Essen hinter dem Haus zu holen. Auf unserem Grundstück stehen außerdem Mangobäume, ein Zitronenbaum und ein Avocadobaum. Generell sind das frische Obst und Gemüse in Sambia eine Besonderheit. An die lokalen Produkte kommt man auf dem Markt oder an den vielen Verkaufsständen am Straßenrand. Bananen gibt es eigentlich immer. Sonst ist das Angebot aber sehr saisonal. Im Dezember wurden überall Mangos verkauft, daraufhin Pilze und zurzeit findet man an jeder Ecke Zuckerrohr. An den Wochenenden kochen Lukas und ich selber, unter der Woche gehen wir jedoch immer in der Schulmensa essen. Dort ist das Essen nicht sehr abwechslungsreich, da es fast immer den Maisbrei Nshima mit Bohnen oder Soja gibt. Zwar rollen wir schon immer mit den Augen, wenn es wieder mal das gleiche Mittagessen gibt, auf der anderen Seite ist es auch einfach praktisch, in der Mittagspause schnell ein warmes Essen zu bekommen.
Natürlich freue ich mich aber auch schon wieder auf das Essen in Deutschland. Der Döner hier kommt einfach nicht an den aus meiner Heimat heran. Jetzt sind es nur noch drei Monate bis zur Rückkehr. Auf der einen Seite steigt die Vorfreude auf Verwandte und Freunde in Deutschland, auf der anderen Seite schätze ich die verbleibende Zeit umso mehr und möchte sie intensiv erleben.
Text und Bild: Niklas Freiheit