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World Health Summit, großer Name und nix dahinter?

Dieser Tage findet in Berlin zum zehnten Mal das World Health Summit statt. Ein großer Name der nach viel Bedeutung klingt, doch ein Blick dahinter macht deutlich, wie wenig Relevanz die Konferenz für globale Gesundheitsthemen hat.

Von Mareike Haase am

Lunch-Briefing "WHO sets the Global Health agenda", 15.10.18

Vom 14.- bis 16. Oktober jährt sich das World Health Summit in Berlin zum zehnten Mal. Laut den offiziellen Veranstaltern - dem Präsidenten der Charité Stiftung in Kooperation mit anderen akademischen Instituten, der M8 Alliance of Academic Health Centers, Universities and National Academies, sei die Konferenz "eines der bedeutendsten internationalen Foren für globale Gesundheitsfragen, strategische Entwicklungen und Entscheidungen im Gesundheitsbereich."

Doch was steckt eigentlich dahinter?

Schon genauso lange, wie es die Konferenz gibt, gibt es grundlegende Kritik daran durch entwicklungspolitische Organisationen, wie medico international und auch Brot für die Welt. Bei einem Blick auf die Struktur des Summits wird schnell klar, dass hier vor allem multinationale Pharmariesen wie Pfizer das Sagen haben. Die Pharma-Industrie finanziert das Summit wesentlich und bei einem Blick ins Programm ist deutlich, dass das mit einem Rederecht einhergeht. So sind fast alle Podien und Workshops mit Vertretern (Vertreterinnen gibt es dabei kaum), aus der Pharmaindustrie besetzt. Allein bei der Eröffnungsveranstaltung sprachen mit Pfizer und dem europäischen Verband der Pharmaunternehmen EFPIA zwei große Namen der Szene, neben Vertretern und Vertreterinnen der deutschen Bundesregierung und der Weltgesundheitsorganisation. Der einzige Lichtblick war ein Beitrag einer Wissenschaftlerin des Salk Institute for Biological Studies. Auf eine zivilgesellschaftliche Stimme konnte hier jedoch lange gewartet werden.

Und da knüpft auch die nächste Kritik am World Health Summit an. Zivilgesellschaftliche Vertreterinnen und Vertreter aus Deutschland, von international und vor allem aus dem globalen Süden sucht man auf dem ganzen Summit fast vergeblich, insbesondere auf den hochrangigen Podien. Es werden Themen wie Gesundheitssystemstärkung diskutiert und auf dem Podium sitzen Sprecherinnen und Sprecher der Bill- und Melinda Gates Stiftung, der Weltgesundheitsorganisation, des Pharmaunternehmens MERCK und der Regierungen Ghanas und Ruandas. Durchaus eine hochrangige Besetzung, aber fehlt da nicht etwas? Wie kann darüber diskutiert werden, nachhaltig Gesundheitssysteme zu stärken, wenn diejenigen, die in den betroffenen Ländern vor allem Gesundheitsversorgung sicherstellen - nämlich gemeindebasierte Nichtregierungsorganisationen und zivilgesellschaftliche Gesundheitsexpertinnen und -experten aus den Regionen - gar nicht mit am Tisch sitzen? In Tanzania zum Beispiel werden über 40% der Gesundheitsversorgung durch Nichtregierungsorganisationen angeboten, in anderen Ländern wie dem Süd-Sudan sind es fast 100%. Wenn wir nicht mit den Menschen sprechen, die die Expertise und Erfahrungen der Arbeit vor Ort mitbringen, werden wir nie das hehre Ziel der SDGs "Niemanden zurückzulassen" erreichen. Schon lange wissen wir doch, dass das Credo "Nothing about us, without us!" fundamental wichtig ist, um wirksame Gesundheitsprogramme zu entwickeln. Die Veranstalter des World Health Summit scheinen das leider bisher nicht begriffen zu haben.

Weitere Kritikpunkte sind die thematischen Schwerpunkte, die gesetzt werden und die schon geradezu peinlich maskuline Besetzung der einzelnen Sessions. So liegt der Fokus vor allem auf technischen Ansätzen und einem durchaus sinnvollen Austausch an wissenschaftlichen Erkenntnissen - jedoch werden Fragen von ungerechten Strukturen, die Armut auslösen und verstärken, Fragen von (Un-)Gerechtigkeit nicht gestellt. Soziale, ökonomische, ökologische oder gar politische Faktoren, die eine Verbesserung der Gesundheitsbesdingungen verhindern, stehen nicht auf der Tagesordnung. Genauso wie Fragen der globalen Steuerung von Gesundheitsmaßnahmen und die Rolle einzelner Akteure wie der geschwächten UN-Weltgesundheitsorganisation. Die Legitimation dominater privater Akteure wie der Bill- und Melinda Gates Stiftung und der vielfach von ihr initiierten Gesundheitspartnerschaften, die neben positiven Effekten vor allem zu einer starken Fragmentierung der Gesundheitsarchitektur führen, werden nicht mal gestreift.

Und der Kritikpunkt, den Brot für die Welt schon seit Jahren vorbringt, nämlich dass das World Health Summit ein von weißen Männern dominiertes Forum ist, scheint auch bisher kein Gehör gefunden zu haben. Zahlreiche Sessions, die ausschließlich durch männliche Diskutanten besetzt waren, haben zu Belustigung und Aufschrei bei den Teilnehmenden vor Ort und auf Twitter geführt. So wurde zum Beispiel unter dem Hashtag #allmalepanel amüsiert über die Session zu "Value Based Health Care" berichtet und auch bei "Digital Health in Developing Countries" ist keine weibliche Stimme zu hören. Auf Nachfrage hieß es, dass es schwierig gewesen sei, eine weibliche Vertreterin zu finden...naja!

Ingesamt bleibt der Eindruck, dass im Vordergrund des World Health Summits das Ziel steht, viel Aufmerksamkeit zu erreichen um sich und die Interessen der finanzierenden Partner gut zu verkaufen und dabei wenig Sensibilität für entwicklungspolitisch relevante Themen besteht. Unverständlich bleibt, weshalb sich die Bundeskanzlerin Merkel, der französische Staatspräsident Macron und der EU Kommissionspräsident Juncker jedes Jahr wieder als Schirmherrin und -herren zur Verfügung stellen und so einem wenig relevanten Summit noch mehr Aufmerksamkeit schenken.

Alternative Veranstaltung von Brot für die Welt mit GPF, medico und Misereor fand viel Anklang

Als Brot für die Welt haben wir uns jahrelang bemüht, das Summit von innen heraus positiv zu verändern und mit den Veranstaltern ins Gespräch zu kommen. So waren wir als zivilgesellschaftliche Vertretung in einem Beratungsgremium des World Health Summit und haben verschiedene Workshops im Programm angeboten. Vor drei Jahren haben wir uns bewusst dafür entschieden dies vorerst nicht mehr zu tun, da wir nicht erkennen können, dass es Offenheit und Interesse an einer Veränderung gibt und wir diese Art Summit nicht unterstützen wollen. Der Eindruck hat sich 2018 bestätigt.

Stattdessen haben wir in diesem Jahr einen Gegenpunkt gesetzt und gemeinsam mit dem Global Policy Forum, medico international und Misereor eine Parallelveranstaltung gemacht mit dem Titel "WHO sets the Global Health agenda?". In diesem Rahmen stellte eine Vertreterin der internationalen Nichtregierungsorganisation Health Innovation in Practice das gemeinsame Diskussionspapier "Philanthrocapitalism in global health and nutrition: analysis and implications" vor und debattierte dies mit Vertretern der Weltgesundheitsorganisation und des deutschen Gesundheitsministeriums, sowie dem teilnehmenden Publikum. Es beschäftigt sich mit dem Nachteil rein technischer und an ökonomischen Prinzipien ausgerichteter Ansätze im Bereich globale Gesundheit und der Rolle einiger philanthropischer Stiftungen, die dieses Entwicklungsparadigma agressiv vermarkten.

Die Tatsache,  dass fast 100 Teilnehmende den Weg vom World Health Summit zu unserer Veranstaltung geschafft haben, zeigt, wie wichtig es ist, alternative Themen und Diskussionen anzuregen und das World Health Summit nicht einfach geschehen zu lassen. Wir müssen uns als deutsche Zivilgesellschaft hier stärker aufstellen und lauter auf die Mängel des World Health Summit hinweisen. Denn es trägt durch seine Struktur und Ausrichtung dazu bei, dass weiterhin keine ganzheitlichen und tiefgreifenden Veränderungen im Gesundheitsbereich erreicht werden. Das ist bedauerlich, denn sicher wären wir alle interessiert an einem konstruktiven Austausch und gemeinsamen Fortschritten, die von Berlin aus ein Zeichen in die Welt setzen würden.

 

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