Hier (in Baffoussam) ist alles ganz anders als im frankophonen Teil. Doch leider kommt es dort zurzeit zu großen Ausschreitungen, genannt wird das auch „the anglophone crisis“. Deshalb hat Brot für die Welt entschieden, dass es sicherer sei für uns, den anglophonen Teil zu verlassen. Hier warten wir nun, was als nächstes auf uns zukommt, da für uns eine neue Wohnmöglichkeit und ein Arbeitsplatz gefunden werden muss. Dahinter steckt sehr viel Aufwand und so kann es wohl noch etwas dauern, bis wir endlich wieder Boden unter den Füßen haben. Aber wir nehmen es wie die Kameruner und machen das Beste aus der Situation. Das heißt erst einmal unsere Französischkenntnisse aufbessern.
Und obwohl wir alle wissen, dass es nur zu unserem Besten geschieht, denken wir jeden Tag traurig an unser Zuhause, denn das ist Bamenda inzwischen für uns. Hier leben Freunde, Bekannte und unsere neue Familie. Hier haben wir unser gewohntes Umfeld, kennen uns aus, sei es mit all den Junctionnamen, die wir Bikefahrern nennen müssen, damit sie uns dort hinbringen, oder die Wege auf dem Markt. In Bamenda kennen uns die Leute, die Bikefahrer an der Junction passen auf uns auf und unsere Schneiderin kennt inzwischen unsere Maße auswendig und muss uns nicht mehr ausmessen.
Bamenda ist ein Traum von einer Stadt. Wenn man hier die Straßen entlanggeht und die Leute einem zulächeln oder man sich mal bei einer „Mama“ eine geschnittene und abgepackte Papaya kauft, kann man sich einfach fallen lassen. Auf einem Bike durch die Stadt, während der Bikefahrer vor einem in den schiefsten Tönen singt, sich durch die kleinsten Lücken schlängelt, da macht einem noch nicht einmal der Staub in den Augen etwas aus. Hier kannst du dich Abends mit deinen Freunden in einer kleinen oder auch etwas größeren Bar zu einem Bier treffen und wenn es nach maximal fünf Minuten keinen mehr auf den Stühlen hält und alle durch den Raum tanzen, dann kannst du jeden Stress von dir abfegen und dich einfach amüsieren. Es gibt viele Plätze in Bamenda, an denen ich mich wohl fühle, sei es die Up-Station, von der du, egal ob Tag oder Nacht, einen atemberaubenden Blick über ganz Bamenda hast. Oder wenn du dich einfach mal ins Prescraft setzt, um einen Cappuccino mit echter Milch zu trinken. In die Bäckerei zu gehen, nicht nur um Brot zu kaufen, sondern auch deine Pidgin Sprachkenntnisse zu verbessern. Die Commercial Avennue entlang zu spazieren und sich mit den lustigen Straßenverkäufern einen Schlagabtausch zu gönnen. Im Biberon auf seine Bestellung (einen Salat) mindestens eineinhalb Stunden zu warten. Bei der „Mama“ an der Straße abends Beans mit Reis, Fufu und Njamanjama oder ein Spaghetti-Egg zu essen. Bei den Obst- und Gemüsemamas neue Dinge geschenkt zu bekommen mit Rezept, damit man genau weiß, wie es zubereitet gehört. Von der Nachbarin mit Beans und gleichzeitig Credit für das Telefon ausgestattet zu werden. Die Schuhe bei dem jungen Mann an der Junction abzugeben und eine Stunde später verflixt perfekt repariert zurück zu bekommen. Jedes Mal eine Orange als „Dash“ zu bekommen, weil man gerne nur bei dieser einen Frau einkauft. Am Eingang vom Markt immer von demselben Mann gesagt zu bekommen: „oh my god, it’s white“ und zu antworten: „Oh my god it’s black.“, und damit jedem am Eingang einen lustigen Start in den Nachmittag zu bescheren. Mit dem Bikefahrer um nur 50 france zu verhandeln, weil es einfach ums Prinzip geht und er einen dann lachend, und als gute Feilscherin bezeichnend, aufsteigen lässt. Die Bikefahrer an der eigenen Junction so gut zu kennen, dass sie einen mit Handschlag begrüßen und nicht einmal mehr fragen müssen, wo du denn hin musst. Die Strecke zur Schule, die so kalt morgens ist, dass man eingefrorene Finger hat, wenn man vom Bike steigt und die Kinder die einem freudestrahlend und mit Geschrei „Madame Carla, Madame Carla“ begrüßen. Die Kollegen, die sich jeden Tag aufs Neue freuen, dich zu sehen und sich mit dir nicht nur über den Schulalltag unterhalten. Mit dem Chef an einem Bürotag zu einer anderen Schule fahren um sich den Alltag dort anzuschauen und sich Möglichkeiten zu überlegen, wie man ihn verbessern kann. Danach den Sohn des Chefs schlafend auf dem Arm zu haben, während man im Auto nach Hause gefahren wird. Mit dem Kollegen und besten Freund abends zusammen zu sitzen und alle Probleme der Welt zu diskutieren. Mit der jungen Gruppe „Draufsicht Bamenda“ lokale Probleme zu besprechen, sich auszutauschen und wahnsinnig gute und zum Nachdenken anregende Filme zu produzieren. In einem Village von einer fremden Familie, als Tochter für ein Wochenende aufgenommen zu werden. Bei der Nachbarin für 7 Stunden zu sitzen, nur um eine neue Rasta-Frisur zu bekommen und gleichzeitig der Tochter bei ihren lustigen Gesangs- und Tanzübungen zuzuschauen. Den kleinen Sohn der Nachbarin zum Mittagsschlaf im eigenen Bett liegen zu haben und sich dann verrenkend daneben zu kuscheln, damit der kleine Pampersrocker nicht aufwacht. Sich vor den Weihnachtsferien, nachdem alle Eltern mit ihren Kindern die Schule verlassen haben, mit den Kollegen putzend und lautstark singend durch die Schule zu tanzen. In der eigenen Wohnung zu liegen und sich die Bilder der neuen und alten Familie an den Wänden anzuschauen. Wenn die Bikefahrer sich in der Mittagshitze eine Pause gönnen und unter kleinen Holzverschlägen sitzen und sich lustige Geschichten erzählen. Mit der Mentorin nicht nur über die Arbeit sondern auch über die ganz privaten Dinge zu diskutieren. Mit dem anderen Chef Späße über einen neuen Präsidenten machen und sich gemeinsam Gedanken über die eigene Zukunft zu machen. Sich nur mit einem Eimer zu waschen, weil in der Trockenzeit die Pumpe nicht stark genug ist, das Wasser in die Wohnung zu bringen und es einem überhaupt nichts mehr ausmacht.
That’s my Bamenda, that’s the place to be for me!
Und jetzt könnt ihr vielleicht nachvollziehen, warum ich Bamenda so sehr vermisse. Und doch werde ich mich jetzt dieser neuen Herausforderung Bafoussam oder wo auch immer stellen. Meine Freunde und Familie in Bamenda trage ich in meinem Herzen mit mir mit, egal wohin ich gehe und bleibe mit ihnen im Kontakt.
Wer hätte gedacht, dass uns das Zwischenseminar in Kribi, vom 29.01.-03.02.17, nicht nur auf unsere Rückkehr nach Deutschland vorbereitet, sondern uns auch etwas Stärke für die Zeit jetzt mitgibt. Kribi ist ein wunderschöner Ort, der wahrscheinlich in jedem Hochglanzmagazin genauso abgedruckt werden könnte. Doch nicht nur das Vergnügen in den Wellen zu tauchen wartete auf uns, auch eine große Reflexion unserer bisherigen Zeit in Kamerun. Nun ist es tatsächlich Halbzeit und anders als wir alles erwartet haben, kommt es uns nun so vor als würde die Zeit vor uns davonlaufen und wir versuchen sie einzufangen. Die Fragen kreisen im Kopf, „Wie soll ich mein neues Zuhause nur verlassen?“, „Warum geht die Zeit nur so schnell rum?“, „Wie soll ich mich von meiner neuen Familie nur verabschieden?“. Das alles ist in unseren Köpfen. Ich bin hier angekommen, hier ist mein Zuhause. Und die Reflexionen, die wir in unseren Seminarstunden abhalten, zeigen genau das. Hinter jedem von uns stehen nun Freunde, Familie und eine Welt, die sich mit unserer alten verschmolzen hat. Wir sind nun alle Germaroonians!
Für weitere Infos über mein Freiwilligenjahr in Kamerun könnt ihr auf meinen Blog gehen.
See you later alligator!
Bericht und Foto: Carla Kerbe